DEBATTE III/018 | Entwurf eines Gesetzes zur dauerhaften Beseitigung der kalten Progression

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    DEBATTE ÜBER DRUCKSACHE III/018

    Wir kommen zur Debatte. Sie dauert gemäß Geschäftsordnung drei Tage.

  • Herr Präsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    die kalte Progression gehört endlich restlos abgeschafft. Die Bundesregierung sagt daher: Nach fünfmaligen diskretionären Anpassungen der Einkommensteuertarife 2016 bis 2020 an die Inflationsrate soll die kalte Progression für Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 2022 jährlich und regelhaft abgebaut werden. Hierzu wird ein „Tarif auf Rädern“ gesetzlich eingeführt.


    Der dazu neu eingefügte § 32a Absatz 2 EStG regelt, wie der ab dem Veranlagungszeitraum 2022 geltende Einkommensteuertarif jährlich gesetzgeberisch neu zu normieren ist. Die Vorschrift beschreibt die Kalkulation des für die Tarifindexierung notwendigen Referenzwertes, der die Verbraucherpreisentwicklung abbildet. Hierfür ist eine Formel anzuwenden, die etwaige Fehler bei der Prognose vorangegangener Verbraucherpreisentwicklungen korrigierend berücksichtigt. Zudem werden Rechen- und Rundungsregelungen für die Koeffizienten, Konstanten und Eckwerte der Tarifformel festgelegt.


    Diese Normierung erfolgt mit dem Ziel, die durchschnittliche Steuerbelastung für entsprechend der Inflation gestiegene zu versteuernde Einkommen konstant zu halten. Ausgangspunkt dafür ist die Prognose des Verbraucherpreisindexes für das jeweils laufende Jahr, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer jährlichen Herbstprojektion erstellt. Etwaige Prognosefehler sind im Folgejahr zu berücksichtigen. Dieses Indexierungsverfahren stellt sicher, dass die Entlastung der Steuerzahler mit Hilfe aktueller Verbraucherpreisdaten zeitnah und fair erfolgt.


    Für diese Tarifneunormierung startet im Anschluss an die Herbstprojektion der Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren für die jährliche Anpassung des § 32a Absatz 1 EStG, so dass zum 1. Januar des Folgejahres die neue Tarifformel in Kraft treten kann.


    Die finanziellen Auswirkungen der jährlichen Neunormierungen sind aufgrund dieses Anpassungsverfahrens rechtzeitig kalkulierbar. So berücksichtigt der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ bereitstraditionell die Prognosen der Frühjahrs- und Herbstprojektionen der Bundesregierung. Er kann also künftig auch die absehbaren Aufkommensauswirkungen des vorliegenden Gesetzes beziffern und damit weiterhin wie gewohnt wichtige Anhaltspunkte für die Aufstellungen der öffentlichen Haushaltspläne liefern. Zudem wird auf diese Weise verhindert, dass zulasten der Steuerpflichtigen Mehreinnahmen aus der kalten Progression bereits bei der Aufstellung künftiger Haushalte verplant werden.


    Für Fragen stehe ich sehr gerne zur Verfügung.


    Vielen Dank!

    Richter am Obersten Gericht

    Bundeskanzler a.D.

    Administrator

  • Herr Minister,


    vielen Dank für Ihren Antrag. Mit welchen Kosten is zu rechnen? Laut Antrag sind keine direkten Mehrkosten zu erwarten, aber das halte ich gelinde gesagt für eine Unterschlagung. Der Abbau der kalten Progression wird natürlich Mindereinnahmen verursachen.


    Herzlichen Dank.

  • Herr Minister,


    vielen Dank für Ihren Antrag. Mit welchen Kosten is zu rechnen? Laut Antrag sind keine direkten Mehrkosten zu erwarten, aber das halte ich gelinde gesagt für eine Unterschlagung. Der Abbau der kalten Progression wird natürlich Mindereinnahmen verursachen.


    Herzlichen Dank.

    Herr Friedländer,


    danke der Nachfrage. Diese Kosten sind nicht zu beziffern, das muss jedes Jahr im Antrag gemacht werden, wie bisher - dieser Antrag an sich änder ja nichts an der Einkommensteuer. Dieses Gesetz soll lediglich dafür sorgen, dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer jedes Jahr eine genaue Formel angewendet wird, was nun eine frühzeitige Kalkulierung der Mindereinnahmen möglich machen wird.


    Ich hoffe, Ihre Frage damit geklärt haben zu können.

    Richter am Obersten Gericht

    Bundeskanzler a.D.

    Administrator

  • Herr Minister Neuheimer,


    ich helfe Ihnen gerne auf die Sprünge und zitiere mal das Leibniz-Informations­zentrum Wirtschaft


    Zitat


    Ein nicht gegenfinanzierter Ausgleich der kalten Progression lässt sich dagegen auf Basis der hier vorgelegten Belastungsanalyse kaum rechtfertigen. Er würde zudem fiskalisch sehr teuer. Würde man den Einkommensteuertarif jährlich an die Inflationsrate anpassen (Indexierung, „Tarif auf Rädern“), so müsste bei einer Inflationsrate von 2% mit stetig steigenden Aufkommensverlusten von zusätzlich gut 3 Mrd. Euro für jedes Jahr gerechnet werden. Würde der Tarif 2015 „auf Räder“ gestellt – also indexiert – und betrüge die durchschnittliche Inflationsrate 2%, dann würde das 2018 bereits strukturelle fiskalische Kosten von 12 Mrd. Euro für die öffentlichen Haushalte bedeuten. Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse ist dies eine Belastung, die sich eine verantwortungsvolle Finanzpolitik angesichts weiterhin ungedeckter großer – vor allem investiver – Ausgabenbedarfe und zunehmender Konjunkturrisiken nicht aufbürden sollte.

    und wir sollten hier auch mal klären, wer von dieser Reform überhaupt profitieren würde, entgegen langläufigen Behauptungen eben nicht die Mittelschicht. Das ist eine liberale Verzerrung der Realität. Es passt aber immerhin in das Bild dieser Bundesregierung, die vornehmlich Steuerentlastungen für höhere Einkommen umsetzen will:


    Zitat


    Wie Abbildung 1b zeigt, variiert der Effekt der kalten Progression in % des Bruttoeinkommens insbesondere für Einkommen bis rund 72 000 sehr stark, bevor er stetig zurückgeht und dann bei Einkommen, die der Reichensteuer unterliegen, noch einmal geringfügig steigt. Dabei bleibt die Mehrbelastung für den Einkommensteuertarif 2014 und eine unterstellte Inflationsrate von 1,5% für die meisten Einkommen unter einem Viertelprozent. Der auf den ersten Blick etwas merkwürdige Verlauf der Kurve ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Steuertarifs und der verschiedenen Abzugsbeträge. Es ist davon auszugehen, dass ein großer Teil des aus der kalten Progression resultierenden Aufkommens von hohen Bruttoeinkommen getragen wird,5 so dass ein Abbau der kalten Progression insgesamt – entgegen landläufiger Vorstellungen – auch stark den Beziehern hoher Einkommen zugute kommen würde.


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  • Herr Friedländer,


    nach Auffassung der Bundesregierung profitieren alle Bevölkerungsschichten gleichmäßig von der Indexierung. Wir sind dennoch immer bereit, sollte sich nach der Einführung das Gegenteil herausstellen, Fehler einzusehen und das Verabschiedete rückgängig zu machen.

    Richter am Obersten Gericht

    Bundeskanzler a.D.

    Administrator