3 BvB 1/21 - Erfolgreiche Anhörungsrüge gegen den Beschluss OGE 3, 40

  • OBERSTES GERICHT

    – 3 BvB 1/21 –



    742-bverfgf-png


    IM NAMEN DES VOLKES


    In dem Verfahren


    über


    die Anträge,



    1. Der Bund Unabhängiger Wähler ist verfassungswidrig.
    2. Der Bund Unabhängiger Wähler wird aufgelöst.
    3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für den Bund Unabhängiger Wähler zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.

    4. Hilfsweise: Der Bund Unabhängiger Wähler ist von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Mit dieser Feststellung entfällt die steuerliche Begünstigung des Antragsgegners und von Zuwendungen an den Antragsgegner.



    Antragstellerin: Bundesrat,

    vertreten durch den Präsidenten des Bundesrates,

    Leipziger Straße 3-4, 10117 Berlin,


    - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Joachim Holler,

    Fouquestraße 5, 81241 München

    c/o Bundesrat, Leipziger Straße 3-4, 10117 Berlin,


    Antragsgegnerin und Rügeführerin: Freiheitliches Forum Deutschlands,

    vertreten durch den Bundesvorsitzenden Dr. Christian Reichsgraf Schenk von Wildungen,

    Wilhelmstraße 144d, 10117 Berlin,


    - Bevollmächtigter: Paul Fuhrmann,

    99096 Erfurt,


    hier: Anhörungsrüge der Antragsgegnerin, hilfsweise Gegenvorstellung der Antragsgegnerin,


    hat das Oberste Gericht - Dritter Senat -


    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter



    Präsidentin Christ-Mazur,



    Neuheimer,


    am 25. Mai 2022 folgenden


    Beschluss


    gefasst:



    Tenor


    1. Der Anhörungsrüge der Rügeführerin wird stattgegeben.

    2. Der Beschluss OGE 3, 40 wird aufgehoben.

    3. Der Rügeführerin ist der Änderungsantrag der Antragstellerin vom 09. September 2021 zuzustellen.


    G r ü n d e :


    A.


    1. Gegenständlich ist der Beschluss OGE 3, 40, erlassen am 19. Mai 2022, gegen den die Rügeführerin schriftsätzlich am 24. Mai 2022 Anhörungsrüge erhob.


    2. a) Die Rügeführerin wandte sich schriftsätzlich am 24. Mai 2022 an das Gericht und erhob Anhörungsrüge. Sie habe von einem im Beschluss OGE 3, 40 erwähnten Änderungsantrag, dessen Inhalt entscheidungserheblich sei, vor Beschlussfassung keinerlei Kenntnis durch das Gericht erlangt, wodurch in Ermangelung einer Möglichkeit zur Erwiderung gegen das Recht auf rechtliche Gehör aus Artikel 103 I GG verstoßen worden sei.


    b) In der Sache liege keine Rubrumsberichtigung, sondern eine unzulässige Klageänderung durch Parteiauswechslung vor. Das Freiheitliche Forum Deutschlands und der Bund Unabhängiger Wähler seien nicht identisch. Die Parteiauswechslung sei durch den Bundesrat zu beschließen, andernfalls sei der Änderungsantrag als unzulässig zu verwerfen.


    3. Die Antragsstellerin hat den Ausführungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Anhörungsrüge und der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs nichts entgegenzusetzen.



    B.


    Die zulässige (1.) Anhörungsrüge ist begründet (2.).


    1. Die Anhörungsrüge ist zulässig.


    a) Das Oberste Gericht ist zuständig, da die Anhörungsrüge beim iudex a quo zuzustellen ist (vgl. § 321a II S 4 ZPO analog).


    b) Die Anhörungsrüge ist immer dann statthafter Rechtsbehelf, wenn eine Entscheidung angegriffen wird, gegen die ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht mehr gegeben ist (vgl. § 321a I S 1 N 1 ZPO analog). Da Entscheidungen des Obersten Gerichts unanfechtbar sind, ist die Anhörungsrüge statthaft.


    c) Die Rügeführerin ist als Prozesspartei antragsberechtigt.


    d) Die Rügeführerin ist antragsbefugt. Sie hat den Zusammenhang zwischen der angegriffenen Entscheidung und der Gehörsverletzung plausibel dargelegt.


    e) Nach diesen Maßstäben ist die Anhörungsrüge zulässig.


    2. Die Anhörungsrüge ist begründet.


    a) Der grundrechtsgleiche Anspruch auf rechtliches Gehör der Rügeführerin (vgl. Artikel 93 I N 4a GG und Artikel 103 I GG) wurde verletzt.


    aa) Das Gericht ist im Sinne des Gebots des rechtlichen Gehörs verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Der grundrechtsgleiche Anspruch auf rechtliches Gehör ist immer dann verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senates vom 17. Januar 2012, Rn. 9).


    bb) Der Rügeführerin wurde durch das Gericht offenkundig keinerlei Gelegenheit gegeben, sich zu dem Änderungsantrag, der Frage der Parteibezeichnung und der Identität der Antragsgegnerin zu äußern.


    b) Fragen der Identitätsklärung der Parteien sind ohne jeglichen Zweifel für das Verfahren und die Entscheidung mit Blick auf mögliche Rechtsfolgen von erheblicher Bedeutung.


    c) Die Anhörungsrüge ist somit begründet.


    C.


    Von mündlicher Verhandlung wird abgesehen (vgl. § 321a IV S 4 ZPO analog i. V. m. § 15 III OGG).


    Aufgrund von Befangenheit war Vizepräsident von Gierke nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt.


    Die Entscheidung erging einstimmig und ist unanfechtbar.




    Christ-Mazur | Neuheimer