III/006 Debatte | Einführung eines landesweiten Personalschlüssels in der Pflege

  • Die Debatte dauert zwei Tage bis Donnerstag, den 10. März 2022, um 13:34 Uhr.

  • *tritt ans Rednerpult*

    Sehr geehrter Herr Präsident,

    sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,


    Die Sozialdemokratische Fraktion zeigt mit diesem Antrag, dass sie kein Interesse daran hat die Situation in der Pflege zu verbessern oder sich intensiv mit dieser auseinandernzusetzen.

    Unabhängig davon, dass es mir nicht erschließt, warum sich die Hamburgische Bürgerschaft mit der Situation der Pflegenden im Freistaat Thüringen befassen sollte, frage ich mich, was dieser Antrag bewirken soll.

    Bereits jetzt ist es, auf Grund des flächendeckenden Personalmangels in der Pflege, schwer bzw. so gut wir unmöglich die nach § 75 SGB XI bestehenden Anforderungen zu erfüllen.

    Das Problem in der Pflege ist nicht, dass zu wenig Personen in einem Dienst eingesetzt sind, sondern, dass ein umfassender Fachkräftemangel in diesem Bereich die Besetzung von freien Stellen erschwert.

    Hier gilt es anzusetzen!

    Durch die Erhöhung der Quote werden Pflegekräfte nicht entlastet, sondern zum jetzigen Zeitpunkt nur zusätzlich belastet.

    Das Problem lässt sich nur lösen, indem weitere Fachkräfte ausgebildet werden.



    Ich möchte zusätzlich noch auf einzelne Aspekte des Antrags eingehen, um die Sinnlosigkeit des Antrags aufzuzeigen:


    Aufstellung der Quote:

    Jeder der sich auch nur ansatzweise mit der Pflege beschäftigt, wird erkennen, dass die Tagesdienste wesentlich intensiver sind als die Nachtdienste. Dies gilt für die Dienste im Krankenhaus, aber auch besonders für die Dienste in Alten- und Pflegeeinrichtungen.

    Mir und meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege erschließt es sich nicht, warum im Nachtdienst, wo weder bedarfs-, noch tagespflegerische Maßnahmen durchgeführt werden, eine höhere Personaldichte sein sollte, als am Tag, wo der Großteil des Pflegebedarfs abgedeckt wird und der Großteil der Arbeit geleistet wird.

    Außerdem wird im Antrag nicht zwischen Fachkräften und Assistenzkräften unterschieden, was allerdings essentiell für die Neugestaltung eines verpflichtenden Personalschlüssels wäre.


    Kompetenz der Gesundheitsämter

    Ich frage mich, was die Gesundheitsämter mit der Überwachung von Pflegenden zu tun haben.

    Hier werden bewusst Kompetenzen über den Haufen geworfen. Einerseits gibt es zur Überwachung und Sicherung der Qualität in der Pflege die Pflegekammer und andererseits den Medizinischen Dienst.

    Die Gesundheitsämter haben keinerlei Befugnisse oder Kompetenzen im pflegerischen Bereich.

    Daher müssten neue Abteilungen und neue Stellen geschaffen werden, die sehr wohl hohe Kosten verursachen würden.


    Liebe Kollegen und Kollegen,

    Hamburg hat eine verbindlichen Personalschlüssel und die Annahme des Antrags würde die Situation der Pflegenden zum jetzigen Zeitpunkt weiter belasten. Erschreckend daran ist, dass die SDP den Einrichtungen nicht einmal einen Vorlauf zur personellen Neuaufstellung der Belegschaft lassen möchte, sondern stattdessen von heute auf morgen die Richtlinien ändern möchte, was zu Sonder-und Extradiensten und somit einer Mehrbelastung für die Pflegekräfte.

    Ich bitte Sie diesen Antrag zum Wohle der Pflegerinnen und Pflegern abzulehnen und die SDP bitte ich pflegerische Probleme nicht durch amateurhafte Anträge zu beleidigen – das scheint in Thüringen zu funktionieren, aber nicht hier in Hamburg



    Danke

  • tritt ans Rednerpult.


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    verehrte Kolleg:innen,

    sehr geehrte Damen, Herren und Diverse,


    zunächst einmal möchte ich anmerken, dass es meiner Kenntnis nach üblich ist, die Antragssteller als erstes zu Wort kommen zu lassen. Ich bin da nicht nachtragend, allerdings wären dann vielleicht einige Missverständnisse vorzeitig ausgeräumt worden.


    Nun zum Antrag:

    Mit dem Antrag für die Einführung eines landesweiten Pflegepersonalschlüssels kommen wir Sozialdemokrat:innen einer langen gewerkschaftlichen Forderung gerade auch von dort organisierten Pfleger:innen nach. Der für Pflege zuständige Bereich der Vereinten Dienstleitungsgewerkschaft ver.di beispielsweise fordert schon lange einen solchen Pflegepersonalschlüssel auf Bundesebene (https://gesundheit-soziales.ve…f2-11e8-8d79-525400f67940). Da die Bundesebene hier bisher gesetzgeberisch nicht tätig geworden ist, haben wir Hamburger Sozialdemokrat:innen nun diesen Antrag auf Landesebene eingebracht, um zumindest in Hamburg tätig zu werden. Wir folgen damit dem Beispiel von Thüringen, wo dies sehr erfolgreich ist.


    Für uns Sozialdemokrat:innen ist es ein Herzensanliegen, die Bedingungen in der Pflege zu verbessern. Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist für uns klar, dass die Bedingungen im Pflegebereich verbessert werden müssen. Und uns ist auch klar, dass dazu weit mehr als nur der Pflegepersonalschlüssel gehört, er ist aber ein wichtiger Baustein. Denn in der Pflege stellt nicht nur der Fachkräftemangel ein Problem dar, sondern auch die Tatsache, dass Profitorientierte Krankenhäuser teilweise auch gar kein Interesse haben mehr Personal einzustellen. Eine Fachkräfteinitiative, die wir übrigens auch bereit sind mit anzuschieben, kann zwar das Problem des Fachkräftemangels lösen, nicht aber die Einsparbestrebungen profitorientierter Krankenhäuser, die nicht selten zulasten des Personals gehen.


    Über die Frage der Quotenaufstellung können wir gerne diskutieren, liebe Kolleg:innen, hier sind wir Sozialdemokrat:innen auch gerne bereit, Änderungen im Antrag vorzunehmen. Und auch die Frage, welche Instanzen für die Überprüfung des Personalschlüssels zuständig sind, können wir gerne sprechen. Uns ging es bei dem Antrag nämlich in erster Linie darum, einen solchen Personalschlüssel durchzusetzen, und wir sind gerne bereit, den Antrag gemeinsam mit den anderen Fraktionen zu überarbeiten.


    Zu guter letzt möchte ich mich dem Vorwurf verwehren, wir Sozialdemokrat:innen wären im Bereich der Pflegepolitik inkompetent. Das ist schlicht nicht wahr. Uns das Vorzuwerfen, nur weil wir andere Ansätze oder andere Meinungen in der Pflegepolitik verfolgen, zeugt nicht gerade von fairer Debattenkultur. Wir wünschen uns hier ein kollegiales Miteinander, bei dem man in der Lage ist, auch konstruktiv zusammenzuarbeiten und sachlich zu streiten, ohne sich gleich sowas an den Kopf zu werfen. Immerhin ist der Wahlkampf vorrüber. Wir sind dazu bereit, unabhängig davon, was in der Vergangenheit gewesen ist, ich denke dass haben wir in den vergangenen Tagen gezeigt.


    Wir bitten um Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank!

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    Cornelius Sommer, MdHB, MdB

    Senator für Bildung und Berufsausbildung der Freien Hansestadt Hamburg

    Geschäftsführer der Regenbogenfreunde e.V.

    Mitglied des Bündnisses Deutschland bleibt bunt

  • Sehr geehrter Herr Sommer,


    ich weiß nicht warum Sie einen Link teilen, der fast vier Jahre alt ist. Seitdem gab es Pflegereformen.
    Ich habe Ihnen das SGB XI ans Herz gelegt.

    Sie erklären Ihren Antrag nicht, sondern paraphrasieren.
    Könnten Sie bitte diese völlig sinnfreie Zusammenstellung der Quote erklären?
    Warum möchten Sie im Nachtdienst einen höheren Personalschlüssel einführen als im Tagesdienst?
    Glauben Sie das schlafenden Patient::innen und Klient:innen einen erhöhten Pflegebedarf haben?
    Warum gibt es keine Einführungszeit für die Einrichtungen?

    Warum gehen Sie nicht auf die Unterteilung von Fach- und Assistenzkräften ein?

    Sie sagen, dass Sie bereit sind zu verhandeln und kollegial zu kooperieren. Wieso haben Sie sich dann keinen Rat bei der Erstellung des Antrages geholt? Es ist nicht Aufgabe des Senats die sinnfreien Anträge der Opposition gerade zu biegen.

    Ich habe im übrigen Ihr Pflegeverständnis nicht als inkompetent betitelt. Ich habe ganz ausdrücklich Ihren Antrag als sinnfrei und als Beleidigung der pflegerischen Probleme gewertet. Inkompetenz würde darauf schließen lassen, dass Sie gute Absichten hätten. Diese kann ich in Ihrem Antrag aber beim besten Willen nicht erkennen.
    Stattdessen erzählen Sie immer noch, dass Sie eine Entlastung für die Pflegekräfte wünschen, obwohl ich klar und faktenbasiert aufgezeigt habe, dass der Antrag NUR auf Mehrbelastung hinauslaufen würde.

    Sie sprechen übrigens auch von einem kollegialen Verhältnis. War es nicht Ihre Fraktion die Mitglieder des Senats als "Brandstifter" und die Parteizentrale einer Regierungspartei als "Keimzelle des Linksextremismus" betitelt hat und dafür auch (zu Recht) vom Präsidium saktioniert wurde? Und hat es irgendjemand für nötig gehalten sich für diese Äußerungen zu entschuldigen? Nein, bis zum heutigen Tage nicht, also erzählen Sie nichts von Kollegialität - das ist Heuchelei auf hohem Niveau.
    Auch bezüglich des Erstrederechts muss ich Sie darauf verweisen, dass es Ihre Fraktion war, die als Opposition eine Regierungserklärung eingeleitet hat, wofür sich auch nicht entschuldigt wurde, sondern stattdessen wurden noch wild verbale Angriffe verteilt.


    Herr Sommer,
    bitte sehen Sie doch ein, dass dieser Antrag einfach extrem kontraproduktiv ist und keinen Mehrwert für Pflegende mit sich bringt, statt ihn immer noch zu verteidigen. Fehler sind nichts schlimmes, aber wenn man an seinen Fehlern festhält, sollte man sich Sorgen machen.

    Danke

    SimOff

    Du weißt doch, dass ich im RL Krankenpfleger bin. Warum glaubst du mir nicht einfach?

  • Sehr geehrtes Präsidium,


    die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zieht den Antrag zurück. Wir werden ihn ggf. überarbeiten und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erneut einreichen.


    Vielen Dank!

    3953-cornelius-sommer-rot-png

    Cornelius Sommer, MdHB, MdB

    Senator für Bildung und Berufsausbildung der Freien Hansestadt Hamburg

    Geschäftsführer der Regenbogenfreunde e.V.

    Mitglied des Bündnisses Deutschland bleibt bunt