DEBATTE | X/015: ​Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern (Einführung von Misstrauensvotum und Vertrauensfrage)

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    AUSSPRACHE
    Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern (Einführung von Misstrauensvotum und Vertrauensfrage)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    wir schreiten nun zur Aussprache über den von der Staatsregierung eingebrachten (in der Anlage auffindbaren) 'Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern (Einführung von Misstrauensvotum und Vertrauensfrage) ' (Drs. X/015). Die Dauer der Aussprache beträgt - den Regularien unserer Geschäftsordnung entsprechend - zweiundsiebzig Stunden, d. h., die Aussprache endet am Montag, den 07. März 2022, 18:54 Uhr.


    Ich eröffne die Aussprache.


    gez. Dr. Christ

    - Präsidentin des Bayerischen Landtages -


    Anlage: debattengegenständlicher Gesetzentwurf

  • Geht mit blauem Hemd und Anzug und gelber Krawatte bekleidet von der Regierungsbank zum Rednerpult und nimmt einen Schluck Wasser


    Geschätzte Frau Präsidentin,
    Werte Damen und Herren,
    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns alle ganz besonders in diesen Tagen und alles andere scheint in dieser Zeit weit in den Hintergrund zu rücken. Dennoch bleibt die Zeit nicht stehen und es muss auch politisch weiter gehen im Freistaat. Die Staatsregierung legt Ihnen deshalb heute einen Antrag zur Änderung der Bayerischen Landesverfassung vor. Und da Verfassungsänderungen bekanntermaßen immer besonders heikle und pikante Debatten nach sich ziehen, will ich Ihnen folgend erläutern, warum die Staatsregierung diese Änderung für wichtig, richtig und für geboten hält:


    Der Freistaat Bayern ist das einzige Bundesland in Deutschland, das ein Misstrauensvotum gegen die amtierende Ministerpräsidentin oder den amtierenden Ministerpräsidenten nicht kennt. Der Landtag, die Legislative, der eigentlich zur Kontrolle der Regierung, der Exekutive, berufen ist, hat in Bayern keinerlei Möglichkeit, direkten Einfluss auf das Fortbestehen einer Regierung auszuüben. Wer in Bayern einmal Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident ist, der kann sich praktisch in Sicherheit wiegen. Zwar sieht die Verfassung in Art. 44 vor, dass die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident vom Amt zurücktreten muss, wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Ministerpräsidentin bzw. Ministerpräsident und Landtag nicht oder nicht mehr zulassen. Doch naturgemäß ist dieser Absatz auslegungsbedürftig und die Breite des Korridors, wann ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten noch möglich oder gerade nicht mehr möglich ist, lässt sich weder messen noch abschließend beurteilen. Am Ende müsste im Zweifelsfall der Verfassungsgerichtshof der Ministerpräsidentin bzw. dem Ministerpräsidenten den Rücktritt nahelegen. Doch so ein Verfahren dauert und entsprechend ist dieser Absatz in keiner Weise mit einem originären Misstrauensvotum zu vergleichen oder gar gleichzusetzen. Und selbst wenn die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident zurücktreten würde, bliebe die Regierung weiter geschäftsführend im Amt, bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt ist.


    Das konstruktive Misstrauensvotum hingegen, wie es das Grundgesetz vorsieht und wie es zahlreiche Landesverfassungen vorsehen, ist ein starkes Instrument der legislativen Kontrollfunktion. Der Landtag kann der Ministerpräsidenten oder dem Ministerpräsidenten nämlich jederzeit sein Vertrauen entziehen und eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wählen, der auch unmittelbar das Amt der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten übernimmt. Das konstruktive Misstrauensvotum ist Ausprägung der demokratischen Grundprinzipien und es hat sich gerade bei unserer Vorgängerregierung in Bayern gezeigt, dass ein solches Instrument auch tatsächlich vonnöten ist. Das spurlose Verschwinden unseres Ministerpräsidenten Kater ist schließlich in einer Auflösung des Landtages resultiert, welche das Ziel hatte, in Bayern wieder eine handlungsfähige Regierung zu installieren. Dies alles wäre nicht notwendig gewesen, sähe die Verfassung ein Misstrauensvotum vor.


    Andere Landesverfassungen gehen in dieser Thematik im Übrigen noch wesentlich weiter und sehen auch ein destruktives Misstrauensvotum gegen die Regierungschefin oder den Regierungschef oder einzelne Ministerinnen und Minister vor. Die Staatsregierung hat sich aber darauf verständigt, nicht gleich vom einen Extrem in das andere Extrem zu schlittern. So wollen wir das konstruktive Misstrauensvotum einführen, wollen aber der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten auch die Möglichkeit geben, die Vertrauensfrage zu stellen - was unsere Landesverfassung ebenso nicht explizit vorsieht. So kann man Gewissheit schaffen, ob der Landtag die Regierung noch stützt oder eben nicht - und diese Gewissheit halten wir für notwendig, um im Freistaat kontinuierlich stabile politische Verhältnisse zu haben. Die Notwendigkeit solcher Instrumentarien war in der Vergangenheit nicht wirklich vonnöten - ich erinnere an die Zeit, in der die CSU in Bayern noch eine absolute Mehrheit nach der anderen einfahren konnte. Die politischen Machtverhältnisse im Freistaat haben sich aber geändert und ändern sich immer noch stetig, wie man den letzten Wahlergebnissen entnehmen kann.


    Ich bitte Sie daher, gehen Sie mit der Staatsregierung diesen Schritt hin zu mehr Demokratie im Freistaat, zur Aufwertung der Kontrollfunktion des Landtages - das ist das Ziel dieses Antrages.


    Herzlichen Dank!