Irina Christ zu kernwaffenpolitischen Äußerungen
Nachdem ich am gestrigen Abend einige Äußerungen in Bezug zu Kernwaffen im Zusammenhang mit Sicherheitspolitik getätigt habe, wurde diesbezüglich Kritik an die meine Person herangetragen. Deshalb und zum Zwecke der Information erlaube ich mir, die meinige Position detailliert zu erläutern.
Wenngleich ich die Haltung der Befürwortung einer Ächtung von Nuklearwaffen schätze und die hierhinter stehenden Argumentationsstränge nachvollziehen kann, so halte ich ein generelles 'Nein' zur Herstellung und zum Besitz von Nuklearwaffen und entsprechende Verfahrensweisen zur Schaffung einer Drohkulisse aus sicherheitspolitischer Perspektive betrachtet für ganz und gar nicht sinnvoll. Dass der Einsatz von Nuklearwaffen dazu geeignet ist, die Tötung unzähliger Menschen bei entsprechender Wahl des Einsatzortes hervorzurufen, ist mir hierbei freilich durchaus bewusst. Auch über die hierhinter stehenden völkerrechtlichen Bestimmungen und Richtlinien zur Einstufung als Kriegsverbrechen, bin ich mir voll und ganz im Klaren. Insoweit verstehe ich die Argumentation, die hinter der Befürwortung einer generellen Ächtung von Kernwaffen steht, voll und ganz.
Nichtsdestotrotz halte ich ein generelles Verbot von Nuklearwaffen im Anbetracht sicherheitspolitischer Interessen für ganz und gar nicht sinnvoll: Damit sich dergleichen auch tatsächlich durchsetzt, ist die Unterstützung diverser großer Wirtschafts- und Atommächte auch tatsächlich erforderlich. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben, haben nur Staaten, die keine Atommächte darstellen, den Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons (TPNW) unterzeichnet. Ohne eine Unterstützung der Staaten, die hinsichtlich der Herstellung und des Besitzes von Atomwaffen tatsächlich von Relevanz sind, stellt dieser Vertrag ohnehin nichts weiter als Makulatur dar. Mit dieser erforderlichen Unterstützung dürfte freilich nicht in der nächsten Zeit zu rechnen sein, da es eines Druckmittels bedarf, um tatsächlich Unterstützung für diesen Vertrag zu erreichen.
Ferner ist es durchaus wichtig, zu beachten, dass es eines geeigneten Druckmittels bedarf, um sich den kruden Bestrebungen autokratischer Staaten, die im Besitz von Nuklearwaffen sind, tatsächlich wirksam entgegenstellen zu können. So befinden sich autoritär regierte Staaten und Diktaturen wie Russland, China oder Nordkorea im Besitz von Atomwaffen. Würden die entsprechenden Mittel der Nato, Atomwaffen an geeigneten Stellen platzieren zu können, fehlen, so würde man sich gegenüber Diktaturen erpressbar machen. Derart unter Druck zu geraten - das kann freilich nicht im Interesse freiheitlicher Demokratien, in denen – im Gegensatz zu Diktaturen - überhaupt die freie, kritische Meinungsäußerung zu der Thematik der Nuklearwaffen überhaupt erst möglich ist, sein. Es ist klar: einzig Atomwaffen können ein geeignetes Schwert freiheitlicher Demokratien gegen die Drohungen autokratisch regierter Staaten sein. Es gibt kein vergleichbares Druckmittel, das theoretisch im Rahmen aktiver Auseinandersetzungen unter Anwendung von Atomwaffen eine ausreichende Wirkung erzielen könnte, um geeignetes Mittel zur Abschreckung darzustellen. Insoweit ist der Besitz von Kernwaffen durch freiheitliche Demokratien, selbstredend unter Anwendung notwendiger Beschränkungen, schlechterdings – das sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich betont - als Notwendigkeit zu betrachten. Zu schwer wiegen berechtigte Sicherheitsinteressen. Es ist im Übrigen zu ergänzen, dass eine weitere Möglichkeit darin bestünde, womöglich eine „Nuklearoption“, wie durch den Politologen Herfried Münkler gefordert, die sich auf die Europäische Union beschränkt, zu schaffen, um im Zweifel bei der Wahl eines russophilen US-Präsidenten wie Donald Trump handlungsfähig zu bleiben.
Dass die Schaffung einer entsprechenden Drohkulisse, etwa durch Atomwaffentests oder durch Stationierung von Atomwaffen, nur dann erfolgen sollte, wenn diese wirklich in äußersten Krisensituationen gerechtfertigt ist – wofür freilich entsprechend hohe Begründungsanforderungen zur Rechtfertigung beachtet werden sollten -, ist nochmals zu betonen, wenngleich das freilich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Meines Erachtens sind diese Begründungsanforderungen spätestens seit dem gestrigen Tage erreicht: Wladimir Putin hat durch sein Handeln der Nato mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gedroht. Er versucht, die Nato zu erpressen, um seine völkerrechtswidrigen territorialen Interessen hinsichtlich der Ukraine auf Zwang durchzusetzen. Das ist nicht hinnehmbar, wenngleich mir eine tatsächliche Realisierung der Drohungen mit Blick auf Putins Machtinteressen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher weniger wahrscheinlich scheint. Insoweit halte ich die Stationierung von auf Russland gerichteten Atomraketen an geeigneten Standorten, wie bereits durch Paul Fuhrmann gefordert, für unbedingt geboten, wichtig und richtig.