REGIERUNGSERKLÄRUNG | X/013: Aktuelle Stunde zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Herrn Sebastian Fürst

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    REGIERUNGSERKLÄRUNG

    Aktuelle Stunde zur Abgabe einer Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    der Herr Ministerpräsident Sebastian Fürst hat eine Aktuelle Stunde zwecks Abgabe einer Regierungserklärung beantragt. Diese dauert, den Regularien unserer Geschäftsordnung entsprechend, zweiundsiebzig Stunden lang an und endet voraussichtlich am Sonntag, den 20. Februar 2022, gegen 12:46 Uhr.

    Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Herrn Ministerpräsidenten, Sebastian Fürst, das Wort.


    gez. Dr. Christ

    (Präsidentin des Bayerischen Landtages)

  • Sehr geehrte Frau Präsidentin,

    sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    eine turbulente Zeit liegt hinter uns. Aus der Landtagswahl am 09.01. 2022 sind, wir die Grünen klar als stärkste Kraft hervorgegangen. Die Wählerinnen und Wähler haben uns einen klaren Regierungsauftrag erteilt. Die Alleinregierung der Allianz wurde abgewählt. Eine große Veränderung hält nun Einzug in die bayerische Politik. Mir ist es gelungen, eine Regierung zu bilden, die genau diesem Anspruch gerecht werden wird. Wir haben gemeinsam mit SDP, Piraten und BSV einen ökologisch-sozialen Kurs festgelegt. Wir wollen vor allem den vielen hoffnungslosen in diesem Land neuen Mut machen.


    Den Menschen, die hoffnungslos in die Zukunft blicken, weil sie Angst vor den Folgen des Menschen gemachten Klimawandels haben und nicht glauben, dass diese Gefahr noch abgewendet werden kann, wollen wir zeigen, dass wir alles Menschenmögliche unternehmen werden um Bayern vor der Klimakatastrophe zu bewahren.


    Wir stehen jetzt an einem entscheidenden Punkt in der Geschichte. Wir müssen uns entscheiden, ob wir so weiter machen wie bisher. In diesem Fall würden wir uns bereitwillig für ein Leben in Unsicherheit entscheiden, denn wir würden uns mit wütenden Stürmen und sängender Hitze einverstanden erklären. Wir haben alle im letzten Juli gesehen, wie schnell aus dem kleinsten Bach ein reisender Strom der Vernichtung werden kann. Gut kann ich mich an die endlos wirkenden Schlammassen und die grenzenlose Zerstörung erinnern. Wenn ich so über die Ereignisse im Ahrtal spreche, dann fallen mir natürlich auch die vielen entgeisterten Menschen ein, die über Nacht alles verloren haben, was sie sich über all die Jahre mühsam aufgebaut hatten. Damit ist natürlich auch ein sehr großes Leid verbunden. Neben dem großen Leid durch die 133 Todesopfer, belief sich der Schaden auf rund 33 Milliarden Euro. Aber nicht nur das Ahrtal war betroffen, sondern auch Berchtesgadener Land und die Region um Hof wurden von den Ausläufern des Unwetters getroffen. Der Herr Gott hat scheinbar seine schützende Hand über Bayern gehalten und das schlimmste verhindert. Es waren nur geringe Schäden entstanden und wir mussten auch nur einen Toten beklagen.


    Diese Katastrophe wurde zweifelsfrei durch den Menschen gemachten Klimawandel begünstigt, wir müssen also ganz dringend den anderen Weg einschlagen, der uns Weg vom Einsturz gefährdeten Hang hin in die sicher Hütte führt. Der Weg zur Hütte führt aber durch das raue Gebirge durch. Wir müssen also eine Route erarbeiten, die uns schnell und sicher in die rettende Hütte führt. Diesen Plan werden wir vorlegen. Dazu wird es eine Novelle des Klimaschutzgesetzes geben. Unser Ziel ist die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Uns ist klar, dass wir dazu den CO2-Ausstoß reduzieren müssen. Bis 2030 sollen 70% weniger CO2 emittiert werden, als es 1990 der Fall war. Bereits jetzt haben wir den Pro Kopf Verbrauch von 7,5 Tonnen pro Einwohner (1990) auf 5,9 Tonnen pro Einwohner (2018) reduziert. Bis 2030 müssen wir den Pro Kopf Verbrauch also auf 2,25 Tonnen pro Einwohner reduzieren. Es handelt sich hier um ein Projekt, das ein unvorstellbares Ausmaß hat. Durch die Novelle geben wir einen Fahrplan vor, der eingehalten werden kann oder eben auch nicht. Deshalb wollen wir alle fünf Jahre einen soll ist Vergleich machen und dann passende Maßnahmen ergreifen und unpassende Maßnahmen beenden.


    Wir stellen uns dieser epochalen Aufgabe. Wir wollen nicht tatenlos dabei zusehen, wie der Klimawandel nach und nach unserer Land zerfrisst. Wir wollen das Bayern erhalten, das uns allen lieb und teuer ist. Wir lieben die grünen Wiesen, auf denen die Kühe friedlich grasen. Wir lieben unsere zahlreichen Seen, wie sie uns im Sommer Kühle spenden. Wir lieben unseren weiß blauen Himmel, der unser Land vereint. Damit sich nicht die grünen Wiesen in staubige Wüsten, die kühlenden Seen in kleine Rinnsale und der weiß blaue Himmel in einen Grauen verwandelt, handeln wir jetzt mit aller Kraft, denn schon bald wird es zu spät sein.


    Den Menschen, die hoffnungslos in die Zukunft blicken, weil sie Angst vor dem sozialen Abstieg haben und nicht wissen wie ihr Leben weitergehen soll, wollen wir zeigen, dass wir uns um diese Menschen kümmern werden.


    Die Coronapandemie hat gezeigt, wie groß der Unterschied zwischen Arm und Reich wirklich ist. Diejenigen, die vorher reich waren, sind reicher geworden, diejenigen die vorher arm waren, sind ärmer geworden. Die Schere ist also weiter aufgegangen. Wir denken an all die Studentinnen und Studenten, die sich vorher ihr Geld in den zahlreichen Cafes und Restaurants verdient haben. Durch die Pandemie bedingten Schließungen bzw. die Einführung von gewissen Regeln sind diese Arbeitsplätze verloren gegangen. Studierende mussten sich andere Arbeitsplätze suchen. Schlimmer hat es die getroffen, die aus den oben genannten Jobs in die Arbeitslosigkeit abgerutschten sind. Wenn diese Menschen es nicht sind, dann leben sie oft in großer Unsicherheit, denn sie wissen nicht, ob ihnen nicht in den nächsten Tagen vielleicht gekündigt wird. Zu der großen Unsicherheit, die zweifelsfrei eine psychische Belastung darstellt, gesellen sich die niedrigen Löhne. Durch die hohen Mieten in manchen Teilen Bayerns werden oft 50% oder mehr des Einkommens in dieser Bevölkerungsschicht für die Miete ausgegeben. Es bleibt kaum etwas zum Anlegen übrig, denn der Rest geht für Lebensmittel und andere Notwendigkeiten des Lebens darauf. Die hohen Heizkosten in diesem Winter haben dazu geführt, dass das man nicht geheizt hat, weil kein Geld dazu mehr in der Haushaltskasse vorhanden war. Im selben Atemzug sind die reichen noch reicher geworden, weil sie sichere Arbeitsplätze haben, viele große Unternehmen ordentliche Gewinne eingestrichen haben, und die großen Aktionäre dadurch natürlich an der Pandemie mit verdient haben. Es zeigt sich ein zerrüttetes Land.


    Einen großen Posten auf jeder Abrechnung stellt die Miete dar. Wie leben in einer Zeit, in der die Mieten immer weiter steigen. Sie steigen in weniger Besiedelten Gebieten und in den bayerischen Großstädten. In der bayerischen Landeshauptstadt München kostet der Quadratmeter mittlerweile 19,60 Euro monatlich. Man muss keine Mathematiker sein, um zu erkennen, dass dieser Betrag viel zu hoch für den normalsterblichen Arbeitnehmer sind. Destatis hat für das Jahr 2018 ermittelt, dass eine Person, die in einer der Top sieben größten Städte lebt, auf durchschnittlich 39,2 m² wohnt. Wenn wir die beiden Zahlen jetzt mal miteinander multiplizieren, kommen wir auf 768,32 Euro im Monat, die alleine für die Miete drauf gehen. Wenn wir hier das Mediannettoeinkommen von 22.713 Euro (2018 nach Destatis) zur Berechnung des Prozentsatzes heranziehen, der für die Miete allein gebraucht wird, kommen wir auf Rund 39%. Rund 39 % des Einkommens werden für die Miete im Jahr 2018 fällig. Der Staatsregierung ist bewusst, dass dieser große Prozentsatz dringend reduziert werden muss. Wir haben deshalb vor eine umfangreiches Konzept zur Bekämpfung der Wohnungsnot zu erarbeiten. Dabei wollen wir speziell das Augenmerk auf Studentenwohnungen und Sozialwohnungen legen. Wozu haben wir in Bayern große und hochdekorierte Universitäten, wenn am Ende keiner bei uns studieren kann, weil die Mieten uns über den Kopf hinaus gewachsen sind. Die bayerischen Städte sollen sich auch in Zukunft durch ihre Vielfalt auszeichnen. Es kann nicht sein, dass es in Bayern eine Segregation zwischen Arm und Reich gibt. Uns ist aber auch klar, dass wir nicht nur neue Sozialwohnungen benötigen, sondern auch Programme, die jedem den Bau von Immobilien erleichtern soll. Denn wir müssen auch die Kraft des Marktes für unsere Zwecke einspannen. Die Kombination aus der Kraft des staatlichen Eingriffs und der Kraft des Markts wird uns eine Verbesserung der aktuell sehr angespannten Wohnungslage ermöglichen.


    Die Wohnung ist nicht immer das traute friedliche Heim. Ganz schnell kann die Insel der himmlischen Ruhe und Intimität zur finsteren Hölle werden. Die Zahlen der Fälle von häuslicher Gewalt sind vom Jahr 2018 um 20% auf 141.000 im Jahr 2020. Die Zahlen beziehen sich auf die polizeiliche Kriminalstatistik aus den entsprechenden Jahren für ganz Deutschland. Ich spreche hier von Gewalt in Beziehungen. Bei diesen Zahlen muss uns Angst und Bang werden. Alle 45 Minuten wird eine Frau Opfer von Gewalt in einer Beziehung und alle drei Tage stirbt eine Frau an selbiger Gewalt. Aber Frauen stellen nur rund 81% der Opfer dar. 19 % der Opfer sind auch Männer. Die Dunkelziffer der Fälle liegen, aber vermutlich noch deutlich größer, denn oft ist die Scharm zu groß um zur Polizei zu gehen. Die bayerische Staatsregierung wird eine Sensibilisierungskampagne auf den Weg bringen, welche alle Betroffen aufklären soll. Uns ist es sehr wichtig, dass alle die möglichen Wege und die dazu gehörigen Rechte kennen. Uns muss auch klar sein, dass Geschädigte oft mit schweren psychischen oder posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen haben, die einen unter Umständen das ganze Leben lang wieder einholen. Es ist offensichtlich, dass die betroffen Menschen Schutz vor ihren Peinigern brauchen, deshalb wird die Staatsregierung die Plätze in Frauenhäusern ergänzen. Aber auch die Plätze in den Männerhäuser sollen erweitert werden.


    Ein anderes wesentliches Thema, das mich beschäftigt, ist der Hass, der durch Verschwörungstheorien verbreitet wird. Verschwörungstheorien sind nichts groß Neues. Es hat sie schon immer gegeben. Die ersten Verschwörungsmythen stammen aus dem 12 Jhd. Hier wird den Juden zum ersten Mal vorgeworfen, sie hätten christliche Kinder zum Pessachfest geopfert. Diese Reihe lässt sich mit den Verschwörungstheorien über die Mondlandung 1969 weiterführen. Am Ende steht wohl die Theorie über Microchips in Impfstoffen. Diese Verschwörungstheorien werden heute über die sozialen Netzwerke verbreitet, sodass sie einem immer größeren Publikum bekannt werden. Eine große Gefahr geht von diesen Mythen aus, denn sie stellen unsere demokratisches Gemeinwesen in Frage. Die Gesellschaft muss sich dem entgegen stellen. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Demokratischen Institutionen, Vertreter und Menschenrechte in Frage gestellt werden. Am 7. Februar war ich in Bamberg, um an einer Menschenkette gegen Verschwörungsmythen und falsch Informationen teilzunehmen. Ich habe dort viele Menschen getroffen, die genau so engagiert für die Demokratie kämpfen, wie ich es tue. Falsch Informationen und Verschwörungstheorien werden hauptsächlich über soziale Netzwerke verbreitet. Wir müssen also mehr in eine Sensibilisierung auf Falschinformationen betreiben. Wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler bereit machen für die Schrecken des Grauens und der Finsternis, die im Internet lauern. Wir müssen unsere Kinder vor sexualisierter Gewalt im Internet schützen, aber auch vor Verschwörungstheorien, die oft nicht als solche zu erkennen sind, weil sie in einem wissenschaftlichen Aufzug daher kommen. Aber Kinder sind auch oft grausam zu sich selbst, indem sie versuchen einem Schönheitsideal nach zu eifern, das durch geschickte Bildbearbeitung, die oft auf den großen Beautychannels verwendet wird, um noch schöner zu erscheinen, unerreichbar bleibt für viele Kinder und Jugendliche. Das unerreichte Schönheitsideal wird aber trotzdem versucht zu erreichen, denn vielen Kindern ist das nicht bewusst. Um den Schülerinnen und Schülern auf die genannten Risiken hinzuweisen werden, wir im Rahmen von Projektunterricht mit qualifizierten Experten dieses Thema behandeln, damit den Kindern klar ist, welche Gefahren im Internet lauern.


    Alle Teile unseres Regierungsprogramms haben eines gemeinsam. Sie alle sollen Frieden in die Gesellschaft einziehen lassen. Bayern ist durch seine Vielfalt gekennzeichnet. Viele verschiedene Menschen leben in Bayern. Klar, wir können nicht alle einer Meinung sein, aber trotzdem müssen wir einander respektieren. Wir müssen uns gegenseitig Freiraum gewähren, was aber nicht ausschließt, dass wir uns nicht mit anderen Traditionen, Lebensweisen oder Religionen beschäftigen. Um die anderen verstehen zu können, müssen wir auf einander zugehen. Wir müssen Kontakt miteinander halten, um ins Gespräch kommen zu können. Den Hass, der dabei im Internet gesät wird, müssen wir hinter uns lassen, denn er garantiert das Entstehen von Vorurteilen, die jeglichen Kontakt sofort abbrechen lassen. Bayern ist Vielfalt und das soll so bleiben, denn so ist es gut.