DEBATTE III/009 | Verbot der religiösen Beschneidung des männlichen Kindes

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    DEBATTE ANTRAG AUF DRUCKSACHE III/009

    Wir kommen zur Debatte. Sie dauert gemäß Geschäftsordnung drei Tage.


  • Vielen Dank für die schnelle Bearbeitung, Herr Präsident. Ich melde für morgen einen einleitenden Redebeitrag an.

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,

    meine Damen und Herren,


    meine Fraktion beantrag mit der vorliegenden Drucksache ein Verbot der religiösen Beschneidung des männlichen Kindes. Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, die dem Antrag zugrundeliegenden Beweggründe darzulegen und für unseren Vorschlag zu werben.


    Im Jahr 2012 entschied das Landgericht Köln als erstes Gericht in Deutschland, dass die medizinisch nicht indizierte, religiös motivierte Beschneidung eines Jungen den Tatbestand der Körperverletzung erfülle und auch trotz der Einwilligung durch die Erziehungsberechtigten rechtswidrig sei. Im Zuge der darauffolgenden, zumeist mehr emotional, denn sachlich geführten öffentlichen Debatte entschied sich der Gesetzgeber schließlich dazu, das Bürgerliche Gesetz um den § 1631d zu erweitern, um die sogenannte Knabenbeschneidung zu legalisieren. Beispielsweise Prof. Dr. Putzke von der Universität Passau kritisiert, dass der Staat mit dieser Regelung dem kindlichen Körper von Jungen in einem äußerst sensiblen Bereich den staatlichen Schutz entzogen habe.


    Die KonP möchte die Regelung mit dem vorliegenden Antrag zugunsten eines Verbots der Knabenbeschneidung aufheben. Aus unserer Sicht greift die Norm in nicht zu rechtfertigender Weise in die körperliche Unversehrtheit des Kindes ein. Bei einer Beschneidung besteht stets die Gefahr gesundheitlicher Komplikationen. Sowohl physische, wie auch psychische Schäden an Jungen infolge von Beschneidungen sind bekannt. Die Schäden, die ein Junge infolge einer Beschneidung erleidet, können aus unserer Sicht auch nicht mit der Religionsfreiheit, bzw. dem religiösen Erziehungsrecht der Eltern gerechtfertigt werden. Selbst in den sie praktizierenden Religionen, dem Judentum und dem Islam, ist die Beschneidungspraxis nicht unumstritten. Unsere religiöse Toleranz muss dort enden, wo das Wohl des Kindes in Gefahr gerät. Einzig richtig wäre es, dem Kind die Entscheidung über einen solchen Eingriff selbst zu überlassen. Daher möchten wir die Sonderbehandlung der Knabenbeschneidung beenden und stattdessen die allgemeinen Regeln zur Einwilligung in eine Körperverletzung (§ 228 StGB) greifen lassen.


    Abschließend möchte ich betonen, dass uns die Tragweite dieses Antrages durchaus bewusst ist. Ich will klarstellen, dass jüdisches und religiöses Leben in Deutschland auch aus unserer Sicht weiterhin möglich bleiben muss. Die religiöse Toleranz muss jedoch dort enden, wo das Kindeswohl in schwerwiegender Art und Weise missachtet wird. Diesem Grundsatz möchten wir mit dem vorliegenden Antrag Rechnung tragen und bitten daher um Zustimmung!


    Herzlichen Dank!

  • Die KonP-Fraktion beantragt auf Grundlage von § 12 V GOBT, geheim über den Antrag abzustimmen.

  • Der Abgeordnete Jonas Swanden erhebt sich aus den Reihen der Grünen-Bundestagsfraktion und begibt sich zum Rednerpult. Es ist seine erste Rede vor dem 3. Bundestag.


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    zunächst einmal möchte ich folgendes festhalten: Ich spreche hier heute als Abgeordneter und ich vertrete einzig und allein mein eigenes Gewissen und meine eigene Position hier. Die Position ist also weder die der Grünen Bundestagsfraktion, noch die der Bundesregierung. Das ist mir wichtig von vorneherein klarzustellen. Durch die Beantragung einer geheimen Abstimmung möchte die KonP diesem Aspekt der Gewissensentscheidung wohl Rechnung tragen. Ich glaube nicht, dass eine solche Beantragung notwendig ist. Es wird ein heterogenes Meinungsbild innerhalb der Regierungsfraktionen geben und das ist auch gut so, meine Damen und Herren. Es wundert mich allerdings, dass dies hier ein Antrag einer Fraktion ist. Wenn man einen wirklichen Diskurs über eine Gewissensentscheidung gewollt hätte, hätte ich ein anderes Vorgehen für glücklicher gehalten. Jetzt sitzen wir hier allerdings und debattieren über ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema und wir diskutieren über ein sehr kontroverses Thema: Die Beschneidung des männlichen Kindes aus religiösen Gründen.


    Ich habe mich heute für einen Redebeitrag entschieden, weil ich gerne erklären möchte, warum ich den Antrag der KonP ablehnen werde. Ich entziehe mich dabei einer Aufforderung an Kolleginnen und Kollegen es mir gleich zu tun, weil ich finde, dass sich dies in einer solchen Debatte nicht gehört. Ich möchte hier lediglich Perspektiven aufzeigen, warum ich gegen ein solches, generelles Verbot bin und warum ich der Überzeugung bin, dass es einer differenzierteren Lösung bedurft hätte. Ich finde, dass wir eine Lösung brauchen, die abwägt, weil wir nicht vergessen dürfen, was für Konsequenzen ein Verbot der Beschneidung des männlichen Kindes hätte.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte es für gefährlich, ein Komplettverbot eines religiösen Ritus zu initiieren, der immer noch von vielen Muslimen sowie Jüdinnen und Juden als identitätsstiftend wahrgenommen wird. Die Brit Mila im Judentum und Chitan im Islam werden häufig auch von nicht praktizierenden oder säkularen Muslimen sowie Jüdinnen und Juden wahr genommen. Diesen Ritus zu kriminalisieren halte ich für ein falsches Signal. Wir sollten viel eher über Mechanismen sprechen, wie wir die Situation effektiv verbessern. Ähnliches hat dazu der Deutsche Ethikrat nach langen und kontroversen Diskussionen auch festgehalten. Ich nehme die Bedenken der Kinder- und Jugendärzte sehr ernst und auch die besorgniserregenden Schilderungen der Opfer. Ja, es gibt auch einige Muslime und Jüdinnen und Juden, die sich von der Praxis der männlichen Beschneidung abwenden. Nur weil es eine Gruppe gibt, die sich davon abwendet, bedeutet dies ja aber noch lange nicht, dass hier für die Mehrheit der Glaubensgemeinschaft gesprochen wird. Ich halte das zumindest für kein besonders gutes Argument. Das ist für mich keine Rechtfertigung für ein Komplettverbot.


    Ich werbe dafür, dass wir klare Standards besser festhalten und dass wir für eine vernünftige Vor- und Nachsorge Rechnung tragen. Wir dürfen diese Praxis nicht in irgendwelche Hinterhöfe verlagern und kriminalisieren. Ich glaube nicht, dass dies die Gläubigen davon abhält einen solchen Eingriff vorzunehmen. Mir ist es lieber eine Regelung zu haben, die die Religionsfreiheit wahrt und gleichzeitig aber auch schafft Kinderrechte und Schutz vor körperlicher Unversehrtheit zu gewährleisten. Gerade bei klaren medizinischen Indikation, die dagegen sprechen und das sprechen sie nicht immer und zwangsläufig, sollte man keine Beschneidung durchführen. Auch eine einschränkende Regelung wäre denkbar, die beispielsweise eine Altersuntergrenze festsetzt. Das Komplettverbot der männlichen Beschneidung kann ich nicht mittragen. Auch weil ich glaube, dass dadurch eine Art "Beschneidungstourismus" etabliert werden würde. Auch das kann nicht unser Ziel sein.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich persönlich kann deswegen nicht für den vorgelegten Antrag stimmen, ich werde ihn ablehnen, weil ich die Folgen für nicht vertretbar halte und weil ich der Überzeugung bin, dass eine Kriminalisierung hier niemanden auch nur einen Schritt vorwärts bringt. Herzlichen Dank!