Bericht zum Antrittsbesuch von Bundespräsident Brandstätter im Land Nordrhein-Westfalen
Am 11. Oktober 2021 begab sich Bundespräsident Brandstätter zu seinem Antrittsbesuch in das Land Nordrhein-Westfalen. Auf dem Programm standen diverse Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Landtagspräsidiums und der Landesregierung.
Der Besuch und die Gespräche standen ganz im Zeichen der diesjährigen Flutkatastrophe und der Erörterung, wie der betroffenen Bevölkerung bestmöglich geholfen werden kann. Bundespräsident Brandstätter begab sich deshalb, gemeinsam mit Landtagspräsident Friedrich Augstein auch in die von der Flutkatastrophe betroffenen Stadt Euskirchen. Neben diversen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, trafen sich Augstein und Brandstätter auch mit dem Bürgermeister der Stadt, der Ihnen die aktuelle Situation der Stadt näher brachte und anhand einer Bildergalerie darstellte, welch dramatischen Schaden die Flutmassen in der Stadt angerichtet haben.
Daraufhin hielt der Bundespräsident vor vielen Interessierten Bürgerinnen und Bürgern eine Rede:
ZitatAlles anzeigenSehr geehrte Bürgerinnen und Bürger Euskirchens,
Werte Damen und Herren,
drei Monate ist seit der fürchterlichen Flutkatastrophe nun vergangen. Die mediale Aufmerksamkeit ist größtenteils abgeklungen, doch das Chaos und die Verzweiflung in den getroffenen Gebieten, die bleibt. Das Hochwasser hat tausende Menschen in eine akute Existenzkrise getrieben, hat vielen Menschen tragischerweise sogar das Leben gekostet. Tatenlos musstet Ihr und viele andere Deutsche zusehen, wie das eigene Haus von den Sturzfluten demoliert und mitgerissen wird, wie der eigene Besitz von jetzt auf gleich in den Wassermassen für immer versinkt. Es ist für mich unvorstellbar, das Gefühl nachzuvollziehen, das Sie hier vor drei Monaten erfahren mussten. Und doch hat mich der Anblick der Stadt auch heute noch schockiert, als ich die Verwüstung mit eigenen Augen sehen konnte.
Nichtsdestotrotz sind Sie es, die seit vielen Wochen unermüdlich mithelfen, sei es bei den Aufräumarbeiten, sei es bei dem Wiederaufbau oder der Unterstützung anderer hilfsbedürftig gewordener Menschen. Sie, werte Damen und Herren, haben sich nicht unterkriegen lassen durch diesen schrecklichen Schicksalsschlag, sondern wollen sich Ihr Leben hier wieder aufbauen. Für diesen Ehrgeiz, aber auch für diese Kraft und mentale Stärke, die Sie damit unter Beweis stellen, zolle ich Ihnen höchsten Respekt. Ich habe mir vom Bürgermeister Fotos der Stadt zeigen lassen, wie sie unmittelbar nach der Flutkatastrophe aussah und ich sehe wie sie jetzt aussieht. Sie und die vielen, vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer haben hier schon jetzt Großes vollbracht – auch wenn es sich wahrscheinlich noch nicht so anfühlt. Sie und ich wissen, dass die Stadt trotz alledem erst am Anfang des Wiederaufbaues steht und es noch viele Monate dauern wird, bis hier wieder annähernde Normalität einkehren kann. Für diese Aufgabe wünsche ich Ihnen von Herzen viel Kraft, Geduld und Durchhaltevermögen.
Gleichzeitig richte ich meinen Appell auch an die Politik, den Opfern dieser Flutkatastrophe schnelle, unbürokratische Hilfe zu verschaffen, sei es durch finanzielle Mittel, sei es durch personelle Kräfte. Geld alleine bringt nichts, wenn die Handwerker fehlen, die das Haus wiedererrichten sollen und Handwerker helfen nicht viel, wenn sie nicht bezahlt werden können. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, sind es den vielen Opfern hier schuldig, dass diese Aufgabe sehr ernst genommen wird und dass alles politisch Mögliche und Verhältnismäßige dafür getan wird, dass der Wiederaufbau möglichst schnell, möglichst unbürokratisch und möglichst problemlos vonstattengehen kann.
Gleichzeitig möchte ich mich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal bei den unzähligen Freiwilligen bedanken, die aus ganz Deutschland angereist sind, um in den Hochwassergebieten bei den Aufräumarbeiten tatkräftig mitzuhelfen und den Menschen vor Ort ein Fünkchen Hoffnung zurückzugeben. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass Sie viele Stunden Ihrer Freizeit dafür nutzen, unentgeltlich Menschen in Not zu helfen. Sie leisten unserer Gesellschaft damit einen unbezahlbaren Dienst, wofür ich Ihnen, im Namen der gesamten Bundesrepublik Deutschland, meinen tiefsten Dank aussprechen möchte. Gleichzeitig rufe ich alle dazu auf, es jenen Freiwilligen nachzutun und sich ehrenamtlich zu engagieren, egal ob in Hilfsorganisationen oder anderweitigen Vereinen. Das Ehrenamt und die Freiwilligen halten unseren Staat in vielerlei Hinsicht erst am Laufen – ohne Sie ginge es schlicht nicht. Umso wichtiger ist es, dass sich auch weiter Menschen ehrenamtlich engagieren, trotz des immer größer werdenden Zeit- und Leistungsdrucks in Ausbildung und Beruf. Das Ehrenamt ist der Motor unseres gesellschaftlichen Zusammenhaltes – das zeigt sich gerade in Katastrophensituationen wie diesen hier in Euskirchen.
Ich darf mich abschließend bei Ihnen allen bedanken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir zuzuhören und dieser Veranstaltung beizuwohnen. Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meinen Worten ein wenig Trost spenden, ein wenig Anerkennung geben und ihnen weiter Hoffnung machen, dass der Wiederaufbau schnell weiter vorangetrieben werden kann. Ich wünsche Ihnen für diese Aufgabe alles, alles Gute. Der Wiederaufbau ist wie ein Marathonlauf. Erst ist es schwierig, die Motivation zu finden, sich den langen Weg überhaupt anzutun. Wenn man dann mal losläuft, fühlt es sich dann doch gut an, doch auf den letzten Kilometern schwindet die Kraft und die Ausdauer und man fragt sich minütlich, ob man nicht doch abbrechen will. Umso glücklicher und zufriedener ist man aber, wenn man dann im Ziel ankommt. Ich wünsche Ihnen auf diesen letzten Kilometern des Marathons viel Kraft und Geduld und vielleicht erinnern Sie sich dann, wenn bei Ihnen Kraft und Motivation schwindet, an diese Wort und können daraus neues Durchhaltevermögen schöpfen. Denn wichtig ist beim Marathon oftmals nicht, wie schnell man an sein Ziel kommt, sondern gerade, dass man das Ziel überhaupt erreicht. Dies wünsche ich Ihnen von ganzen Herzen und damit verabschiede ich mich von Ihnen.
Vielen Dank für's Zuhören!
Am 15. Oktober reiste der Bundespräsident zurück nach Berlin.