Erklärung des Bundespräsidenten zu den Ereignissen des Wochenendes

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    Tritt im Großen Saal erneut vor die Presse.


    Meine sehr geehrten Damen und Herren,


    das zurückliegende Wochenende hat Ereignisse hervorgebracht, die in besonders eindrücklicher Weise die Herausforderungen aufzeigen, denen sich unser demokratisches Gemeinwesen gegenübersieht. In einer Ausnahmesituation wie dieser wird offenkundig, dass Ordnung und Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland nie für selbstverständlich gehalten werden dürfen, sondern durch dauerhaftes Engagement zu wahren und zu verteidigen sind.


    Ich habe in der letzten Stunde eine kleine Gruppe von Beamtinnen und Beamten der Berliner Polizei zu einem Gespräch empfangen – stellvertretend für alle Polizeikräfte, die am Samstag am Reichstagsgebäude im Einsatz waren, als am Rande einer Demonstration mehrere Hundert Menschen auf dessen Freitreppe vordrangen. Ich habe den Polizistinnen und Polizisten Dank und Anerkennung für ihre wichtige Arbeit und ihren persönlichen Einsatz ausgesprochen.


    Die zahlreichen Reaktionen des Entsetzens und der Empörung angesichts der wirkmächtigen Bilder aus Berlin sind ein ermutigendes Zeichen des breiten gesellschaftlichen Widerstandes gegen rechtsgerichtete Ideologie. Aufnahmen des Geschehens vom Samstag zeigen geschwenkte Reichsflaggen, es kam zu rechtsextremen Äußerungen – diese Handlungen und die dahinterstehenden Absichten sind ein Angriff auf unsere Demokratie, der in aller Schärfe zu verurteilen ist.


    Wir alle müssen uns vergegenwärtigen, welche Wirkung die Aufnahmen aus Berlin zwar letztlich auf die ganze Zivilgesellschaft, aber insbesondere auf diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger haben, die aufgrund von eigener Identität oder Familiengeschichte einen besonderen Bezug zu derjenigen Zeit haben, als der Reichstag tatsächlich in die Hand von Rechtsextremisten fiel. Es ist nicht hinzunehmen, dass am symbolträchtigen Sitz des Deutschen Bundestages, einem offenen Ort der Demokratie, Derartiges stattfindet.


    Die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, des Grundgesetzes und des gesellschaftlichen Fortschritts ist die Aufgabe aller Demokraten. Die Polizei als Teil der Exekutive sorgt für die Durchsetzung geltenden Rechts – sie ist ein wichtiger Pfeiler des Rechtsstaats und der wehrhaften Demokratie, kann aber nicht an die Stelle zivilgesellschaftlichen Engagements treten.


    Jede und jeder Einzelne bleibt daher aufgerufen, durch Aufklärung, Debatte und sonstiges Engagement einen Beitrag zur Wahrung der Demokratie und gegen Extremismus zu leisten. Angesichts des gestrigen Wahlergebnisses kommt hier nicht zuletzt den Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine besondere Verantwortung zu.


    Vielen Dank.