3 BvF 1/21 – Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen teilweise nichtig

  • OBERSTES GERICHT

    – 3 BvF 1/21 –


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    IM NAMEN DES VOLKES



    In dem Verfahren
    zur verfassungsrechtlichen Prüfung,

    über den Antrag festzustellen,



    1. dass das Brennstoffemissionshandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2728) mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig ist;

    2. dass die Bundesrepublik Deutschland den Antragstellern ihre notwendigen Auslagen für das Verfahren zu erstatten hat


    Antragsteller:

    1. Dr. Thomas Merz, Mitglied des Deutschen Bundestages
    2. Carsten Müller, Mitglied des Deutschen Bundestages
    3. Timo van Gayer, Mitglied des Deutschen Bundestages
    4. Elias Jakob Lewerentz, Mitglied des Deutschen Bundestages



    hat das Oberste Gericht – Dritter Senat –

    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsident Müller,


    Vizepräsident Geissler,


    Thälmann,


    Siebert



    am 4. Juli 2021 beschlossen:



    1. § 10 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 5 Absatz 1 und § 10 Absatz 1 Satz 1 Brennstoffemissionshandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2728) sind mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig, soweit eine mengenmäßige Begrenzung der tatsächlich erhältlichen Emissionszertifikate in der Einführungsphase und für die Dauer der Anwendung des Preiskorridors nicht stattfindet.


    2. Im Übrigen ist das Brennstoffemissionshandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2728) mit dem Grundgesetz vereinbar.


    3. Der Antrag auf Auslagenerstattung wird zurückgewiesen.



    G r ü n d e :


    A.


    Der Normenkontrollantrag der vier Bundestagsabgeordneten richtet sich gegen das Brennstoffemissionshandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2019. Dieses Gesetz sieht die Einführung eines nationalen Emissionshandels, ergänzend zum Emissionshandel der europäischen Union vor (I). Die Antragsteller zweifeln an der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes (II).



    I.


    1. Das Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz, BEHG) ist am 20. Dezember 2019 in Kraft getreten. Zentraler Bestandteil des Gesetzes ist die Einführung einer CO2-Bepreisung auf Grundlage eines nationalen Zertifikatehandels beginnend ab dem 1. Januar 2021. Der nationale Emissionshandel solle neben den europäischen Emissionshandel treten, welcher nicht alle wesentlichen Wirtschaftsbereiche erfasst. Entsprechend findet das Brennstoffemissionshandelsgesetz Anwendung auf die Bereiche Wärme und Verkehr, mit dem Ziel, die supranationalen und nationalen Klimaziele einzuhalten.



    2. Nach § 1 Satz 2 BEHG dient das Gesetz der Bepreisung fossiler Treibhausgasemissionen. Diese sog. „CO2‐Bepreisung“ beruht wiederum auf der Schaffung eines nationalen Zertifikatehandels für Brennstoffemissionen. Grundgedanke ist es, die Emission von Treibhausgasen in ein kostenpflichtiges Gut zu verwandeln, indem die Emission solcher Gase an den Besitz von Zertifikaten (Emissionsberechtigungen) geknüpft wird. Dadurch will der Gesetzgeber Anreize für die Senkung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe und für den Umstieg von emissionsintensiven auf klimaschonendere Technologien setzen. Das BEHG bildet nach § 1 Satz 1 BEHG die Grundlagen für das nationale Emissionshandelssystem.


    Das BEHG zielt auf die Sektoren Wärme und Verkehr und dabei insbesondere auf die Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe. Anknüpfungspunkt für die Teilnahme am Zertifikatehandel ist das Inverkehrbringen der Brennstoffe. Jene Unternehmen (Zulieferer) werden zur Teilnahme am nationalen Zertifikatehandel verpflichtet und entsprechend kostenpflichtige Emissionszertifikate zu erwerben. Diese Zertifikate müssen jährlich entsprechend der Menge der emittierten Treibhausgase an das Bundesumweltamt abgegeben werden. Ein Emissionszertifikat berechtigt nach § 3 Nr. 2 BEHG zur Emission einer Tonne Treibhausgase in Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO2).




    3. a) Für die Ausgestaltung des nationalen Zertifikatehandel maßgeblich ist § 10 BEHG:


    "(1) Die nach § 4 Absatz 1 und 3 festgelegte Menge an Emissionszertifikaten sowie der zusätzliche Bedarf, der sich in der Einführungsphase nach Absatz 2 ergeben kann, werden durch die zuständige Behörde veräußert. Die Emissionszertifikate werden zum Festpreis verkauft und ab 2026 versteigert. Im Falle der Versteigerung wird die in einem Kalenderjahr zur Verfügung stehende Versteigerungsmenge in regelmäßigen Abständen in gleichen Teilmengen angeboten. Die zuständige Behörde stellt sicher, dass die Versteigerungstermine nach Absatz 3 spätestens zwei Monate im Voraus bekannt gemacht werden.


    (2) In der Einführungsphase werden die Emissionszertifikate zunächst zum Festpreis verkauft. Für die Dauer des Verkaufs beträgt der Festpreis pro Emissionszertifikat

    1.im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021: 25 Euro,
    2.im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022: 30 Euro,
    3.im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023: 35 Euro,
    4.im Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2024: 45 Euro,
    5.im Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025: 55 Euro.
    Verantwortliche können bis zu 10 Prozent der in einem der Jahre 2021 bis 2025 erworbenen Emissionszertifikate bis zum 30. September des jeweiligen Folgejahres zur Erfüllung der Abgabepflicht nach § 8 für das Vorjahr zu dem für dieses Jahr festgelegten Festpreis erwerben. Für das Jahr 2026 wird ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt.

    (3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, das Versteigerungsverfahren sowie Einzelheiten zum Verkauf zum Festpreis zu regeln. In der Rechtsverordnung sind insbesondere

    1.die zuständige Stelle festzulegen und
    2.die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens festzulegen; diese müssen objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein und Vorkehrungen gegen die Beeinflussung der Preisbildung durch das Verhalten einzelner Bieter treffen.
    Im Falle des Verkaufs zum Festpreis kann in der Rechtsverordnung die Beauftragung einer anderen Stelle durch die zuständige Behörde vorgesehen werden.

    (4) Die Erlöse aus der Veräußerung stehen dem Bund zu. Die Kosten, die dem Bund durch die Wahrnehmung der ihm im Rahmen dieses Gesetzes zugewiesenen Aufgaben, einschließlich der gemäß § 11 entstehenden Ausgaben, entstehen und nicht durch Gebühren nach § 16 gedeckt sind, werden aus den Erlösen nach Satz 1 gedeckt, mit Ausnahme der Kosten nach § 5."



    b) Entsprechend sieht das Gesetz eine sog. Einführungsphase mit festem Preisniveau vor (aa). Danach soll eine Versteigerung zunächst in einem vorgegebenen Preiskorridor erfolgen (bb), bevor im Jahre 2027 die Preisbildung ausschließlich am Markt erfolgen soll (cc).


    aa) Gesetzlich geregelt ist die Veräußerung der kostenpflichtigen Emissionszertifikate in § 10 BEHG. Nach dieser Vorschrift werden die Emissionszertifikate in einer Einführungsphase in den Jahren 2021 bis 2025 vom Bundesumweltamt nach einem Festpreismodell verkauft, wobei sich der Preis pro Emissionszertifikat schrittweise erhöht. Die Unternehmen sind zur Zahlung der Zertifikate‐Preise verpflichtet. So ist für die Dauer der ersten fünf Jahre des Verkaufs die Zahlungspflicht nach § 10 Abs. 2 BEHG festgelegt auf 10 Euro (2021) pro Emissionszertifikat, die dann kontinuierlich bis auf 35 Euro (2025) steigt. Zwischen Privatpersonen können die Emissionszertifikate in diesem Zeitraum nicht gehandelt werden. Zwar sind die Zertifikate nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BEHG grundsätzlich übertragbar, jedoch ist ein freier Handel mit den Emissionszertifikaten in der Einführungsphase (2021 bis 2025) ausgeschlossen. Diese feste Preisbildung während der Einführungsphase ist ausweislich der Gesetzesbegründung ein zentrales Ausgestaltungsmerkmal des BEHG, da bei freier Preisbildung am Markt hohe Unsicherheiten über das Preisniveau bestünden.


    bb) Im Jahr 2026 werden die Emissionszertifikate dann nach § 10 Abs. 2 Satz 4 BEHG innerhalb eines „Preiskorridors“ mit einem Mindestpreis von 35 Euro pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 60 Euro pro Emissionszertifikat nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BEHG versteigert.


    cc) Ab dem Jahr 2027 ist grundsätzlich eine freie Preisbildung am Markt vorgesehen. Dies ermöglicht es Unternehmen, die ggf. überschüssigen Emissionszertifikate zu veräußern, und Unternehmen, die eine größere Menge Heiz‐ und Kraftstoffe in den Verkehr bringen wollen, ggf. zusätzliche Emissionszertifikate zu erwerben. Dadurch sollen die Emissionsberechtigungen diejenigen Wirtschaftsteilnehmer erhalten, denen sie den größten Nutzen versprechen.




    II.


    Die Anträge seien zulässig (1.) und begründet (2.).



    1. Die Anträge seien zulässig.


    Es handle sich sich um einen abstrakten Normenkontrollantrag nach Art. 92 Abs. 2 GG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 OGG. Die Antragsteller seien als ein Viertel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt, da sie an der Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Bundesgesetzes zweifelten. Die erforderliche Form sei gewahrt.




    2. Die Anträge seien auch begründet.


    a) Die CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz sei keine Steuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG, weshalb es dem Bund an der Kompetenz zum Erlass einer solchen Regelung fehle.


    Die Legaldefinition der Steuer finde sich in § 3 Abs. 1 AO, welcher eine Steuer als "Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstelle und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein " definiert. Diese Legaldefinition sei in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt. Die CO2-Bepreisung nach dem BEHG beinhalte jedoch eine Gegenleistung in Form eines Emissionsrechts für CO2, was eine Kategorisierung der CO2-Bepreisung als Steuer ausschließe. Es fehlte dem Bund daher an der Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des Gesetzes, weshalb dieses verfassungswidrig sei.



    b) Die sich aus dem Antrag ergebenden Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Gesetzes legen die Antragsteller nicht näher dar.




    III.

    Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 OGG hatten die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und die Landesregierungen. Alle genannten Organe verzichteten auf die Abgabe einer Stellungnahme.




    B.


    Die Anträge sind zulässig.


    I.


    Die Antragsteller, vier Mitglieder des deutschen Bundestages, zweifeln die Vereinbarkeit des Brennstoffemissionshandelsgesetzes mit dem Grundgesetz gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 6 Abs. 1 Nr. 6 OGG an. Antragsberechtigt in abstrakten Normenkontrollverfahren sind gemäß Art. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 6 Abs. 1 Nr. 6 OGG ein Viertel der Mitglieder des Bundestages. Bei einer aktuellen Größe von 15 Abgeordneten sind dies entsprechend vier Abgeordnete, weshalb die Antragsberechtigung der Antragsteller gegeben ist (OGE 2, 38 <41>).


    Die Antragsberechtigung ist auch nicht mit der Auflösung des 6. Deutschen Bundestags entfallen (vgl. BVerfGE 79, 311 <327>).



    II.


    Ein objektives Klarstellungsinteresse im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG (BVerfGE 6, 104 <110>; 52, 63 <80>; 88, 203 <334>; 96, 133 <137>; 100, 249 <257>; 101, 1 <30>; 103, 111 <124>; 106, 244 <250>; 108, 169 <178>; 110, 33 <44 f.>; 113, 167 <193>; 119, 394 <409>; 127, 293 <319>; 128, 1 <32>; stRspr) ist ebenfalls zu bejahen. Es wird schon dadurch indiziert, dass ein auf das Grundgesetz in besonderer Weise verpflichtetes Organ oder ein Organteil von der Unvereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Bundesrecht überzeugt ist und eine diesbezügliche Feststellung beim Bundesverfassungsgericht beantragt (BVerfGE 52, 63 <80>; 96, 133 <137>; 103, 111 <124>; 106, 244 <250 f.>; 119, 394 <409>; 127, 293 <319>).


    C.


    Das Brennstoffemissionshandelsgesetz ist formell verfassungsmäßig.


    I.


    1. Das Grundgesetz verwendet in den Art. 105 ff. den Begriff der Steuer, ohne ihn selbst zu definieren. Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Grundgesetz für den Begriff "Steuer" an die Definition der Abgabenordnung anknüpft (vgl. etwa BVerfGE 67, 256 <282> m. w. N.). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AO - insoweit entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 1 RAO - ist die fehlende Abhängigkeit von einer Gegenleistung für den Steuerbegriff konstitutiv (BVerfG, Beschl. v. 7. November 1995 - 2 BvR 413/88, Rn. 164).


    2. Bei den Erlösen aus der Veräußerung der Emissionszertifikate handelt es sich nicht um Steuern (vgl. in Bezug auf die Erlöse aus der UMTS-Versteigerung BVerfGE 105, 185 <193 f.>), also öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast (vgl. BVerfGE 110, 274 <294>; 123, 132 <140>) ohne individuelle Gegenleistung („voraussetzungslos") zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden (vgl. BVerfGE 49, 343 <353>; 110, 274 <294>; 124, 235 <243>; 124, 348 <364>; 137, 1 <17 Rn. 41>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 -, Rn. 100). Die Erlöse werden nicht voraussetzungslos, sondern als Gegenleistung für die erworbenen Emissionsberechtigungen erhoben (vgl. Sacksofsky, Rechtliche Möglichkeiten des Verkaufs von Emissionsberechtigungen, 2008, S. 16; Burgi/Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten, 2007, S. 22 f.; Helbig, Windfall Profits im europäischen Emissionshandel, 2010, S. 203 f.; Weinreich, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 19 ZuG 2012 Rn. 21 <April 2009>; Frenz, DVBl 2007, S. 1385 <1385 f.>).



    II.


    Nach diesen Maßgaben und bei entsprechender Beurteilung des materiellen Gehalts des Gesetzes (1.) handelt es sich bei der CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz nicht um eine Steuer (2.). Die Gesetzgebungskompetenz erschließt sich daher aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (3.).



    1. Zur kompetenzrechtlichen Einordnung ist eine Betrachtung des materiellen Gehalts des angegriffenen Gesetzes erforderlich. Der Gesetzgeber ist ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/14746, S. 21, 37) davon ausgegangen, dass es sich bei der CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz um eine nicht-steuerliche Abgabe handelt, die den Vorteil der emissionsberechtigten Unternehmen abschöpfen soll (Vorteilsabschöpfungsabgabe). Die Einführung einer "CO2-Steuer" wurde im politischen Diskurs explizit abgelehnt. Die kompetenzrechtliche Einordnung hat sich aber gerade nicht nach der Bezeichnung einer Abgabe durch den Gesetzgeber, sondern nach ihrem materiellen Gehalt zu richten (BVerfGE 149, 222; stRspr.).



    2. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in ihrem Beschluss bzgl. der Kürzung der Zuteilung kostenloser Emissionsberechtigungen hinsichtlich der Europäischen Emissionshandels (Beschluss vom 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13) zutreffend festgestellt, dass es sich bei der Veräußerung von Emissionszertifikaten nicht um Steuern handelt. Diese Feststellung gilt für den Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz entsprechend. Die Erlöse werden auch hier nicht voraussetzungslos, sondern als Gegenleistung für die Emissionszertifikate erhoben. Entsprechend ist den Antragstellern hinsichtlich der Feststellung, dass es sich bei der CO2-Bepreisung um keine Steuer handelt, beizupflichten. Die bei der Veräußerung der Emissionszertifikate erzielten Veräußerungsentgelte fallen deshalb auch nicht unter die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen über Finanzmonopole und Steuern (Art. 105 ff. GG; dazu vgl. BVerfGE 124, 235 <244>; 132, 334 <349 Rn. 47>; 135, 155 <206 ff. Rn. 121 ff.>; 137, 1 <17 Rn. 42>; stRspr).



    3. Die Antragsteller verkennen jedoch, dass dem Bund auch eine ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 f. GG) zustehen könnte. Dies ist vorliegend der Fall.


    Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Die angegriffenen Regelungen haben als Element der Schaffung eines Emissionshandelssystems zur Reduzierung der Emission von Kohlendioxid die Luftreinhaltung zum Gegenstand und unterfallen damit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. Hierfür bedarf es gemäß Art. 72 Abs. 2 GG keines Nachweises der Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13, Rn. 27).




    D.


    Das Brennstoffemissionshandelsgesetz ist teilweise materiell verfassungswidrig. Bei der Anwendung (II.) der verfassungsrechtlichen Maßstäbe (I.) ist das Gesetz in Teilen für nichtig zu erklären (III.).



    I.


    1. a) Aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgt für das Steuer- und Abgabenrecht der Grundsatz der Belastungsgleichheit (BVerfGE 137, 1 <20 Rn. 48>). Die Abgabenpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Abgabengesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Bei der Auswahl des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Abgabenmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum (BVerfGE 137, 1 <20 Rn. 49>). Wer eine nichtsteuerliche Abgabe schuldet, ist regelmäßig zugleich steuerpflichtig und wird insofern zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 75, 108 <158>; 93, 319 <343>; 108, 1 <16 f.>; 124, 235 <244>; 132, 334 <349 Rn. 47 f.>; 135, 155 <206 Rn. 121>; 137, 1 <20 f. Rn. 49>; stRspr). Als sachliche Gründe, die die Bemessung einer nichtsteuerlichen Abgabe rechtfertigen können, sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt (vgl. BVerfGE 132, 334 <349 Rn. 49>; 137, 1 <20 f. Rn. 49> m.w.N.).



    b) Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG daher, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Die Erhebung von Beiträgen erfordert hinreichende sachliche Gründe, welche eine individuell-konkrete Zurechnung des mit dem Beitrag belasteten Vorteils zum Kreis der Belasteten rechtfertigen. Denn wesentlich für den Begriff des Beitrags ist der Gedanke der angebotenen Leistung: Wenn das Gemeinwesen in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe eine besondere Einrichtung zur Verfügung stellt, so sollen diejenigen, die daraus besonderen wirtschaftlichen Nutzen ziehen oder ziehen können, zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen. Die individuell-konkrete Zurechenbarkeit lässt sich insbesondere aus der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft oder -nähe und der damit verbundenen Möglichkeit herleiten, aus der Sache konkrete Vorteile oder Nutzen zu ziehen (BVerfGE 149, 222 <254 f., Rn. 66> m.w.N.).



    c) aa) Bei der Entscheidung darüber, ob ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich eines Abgabengesetzes einbezogen wird, kommt dem Gesetzgeber hier ein weiter Gestaltungsspielraum zu, weil Anhaltspunkte für eine strengere gleichheitsrechtliche Bindung nicht bestehen. Der Gestaltungsspielraum ist allerdings dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlich definierten Vorteil und den Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist. Der Gleichheitssatz ist eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Abgabengegenstands vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist und die konkrete Belastungsentscheidung nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät. Maßgeblich ist, ob es für die getroffene Unterscheidung einen sachlichen Grund gibt, der bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht als willkürlich angesehen werden kann (BVerfGE 149, 222 <255 f., Rn. 68> m.w.N.). Der Gedanke der Gegenleistung muss auch die rechtliche Gestaltung und vor allem den Veranlagungsmaßstab des Beitrags bestimmen.


    bb) Eine Vorzugslast ist aber erst dann als sachlich nicht gerechtfertigt zu beanstanden und läuft dem Gleichheitsgrundsatz zuwider, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Abgabenzwecken steht (BVerfGE 149, 222 <256 Rn. 69> m.w.N.). Aus dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, sich nicht in der Weise auflösen darf, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit. Damit bleibt Raum für eine Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung durch den Gesetz- oder Satzungsgeber. Der danach eröffnete Spielraum ist erst dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlich definierten Vorteil und den Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist (vgl. BVerfGE 137, 1 <23 Rn. 54>).




    2. Hinsichtlich des europäischen Emissionshandels entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Betreibern einer dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Anlage, dem der Staat Emissionsberechtigungen verkauft, ein Sondervorteil gegenüber all denjenigen Betreibern emissionshandelspflichtiger Anlagen zuteil wird, die nicht über (genügend) Emissionsberechtigungen verfügen und damit die Luft nicht im gleichen Umfang zum Zweck der Ableitung von CO2-Emissionen nutzen dürfen. Dass außerhalb des Anwendungsbereichs des Brennstoffemissionshandelsgesetzes die Emission von Kohlendioxid ohne Emissionszertifikate zulässig ist, ändert nichts an dem Sondervorteil innerhalb des Emissionshandelssystems. Den Sondervorteil, der mit dem Emissionszertifikat verbunden ist, erhält jeder, der eine solche Berechtigung vom Staat käuflich erwirbt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13, Rn. 32).


    Der Staat fungiert dabei nicht als bloßer „Systemadministrator“. Die Teilnahme am Emissionshandelssystem ist den Verantwortlichen nicht freigestellt und wird in ihren Rahmenbedingungen hoheitlich kontrolliert. Eine Bewirtschaftungsordnung setzt nicht zwingend eine hoheitliche Verleihung begrenzter Nutzungsrechte voraus. Entscheidet sich der demokratisch legitimierte Gesetzgeber für eine Bewirtschaftung nach Marktgrundsätzen, muss allerdings das als knapp definierte Gut mengenmäßig begrenzt werden (vgl. hierzu auch BVerfGE 15, 1 <15>, auch BVerfG, Beschl. v. 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13, Rn. 35). Denn nur wenn die Zahl der ausgegebenen Berechtigungen hinter dem Bedarf zurückbleibt, kann sich ein Marktpreis bilden, der die Marktteilnehmer zu kosteneffizientem Verhalten veranlasst (vgl. Martini/Gebauer, ZUR 2007, S. 225 <227>; Enders, LKV 2007, S. 193 <194>). Ohne diese staatliche Festlegung der Nutzbarkeit der Luft wäre das Emissionshandelssystem funktionslos (vgl. Weinreich, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 19 ZuG 2012 Rn. 32 <April 2009>).




    3. Neben den Zwecken des Vorteilsausgleichs und der Kostendeckung können auch Zwecke der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke die Bemessung einer Vorzugslast rechtfertigen. Auch bei Entlastungs- oder Befreiungstatbeständen hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist er weitgehend frei. Ebenso verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Bei der Ausgestaltung von Beitragsregelungen darf sich der Gesetzgeber in erheblichem Umfang auch von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Erhebung leiten lassen. Dies gilt in besonderem Maße bei Massenverfahren. Allerdings bleibt er auch hier an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm jedoch in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützt und insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist. Begrenzt wird sein Spielraum auch dadurch, dass die von ihm geschaffenen Beitragsregelungen grundsätzlich in der Lage sein müssen, den Abgabenzweck realitätsgerecht abzubilden. Erweist sich eine gesetzliche Regelung als in substanziellem Umfang grundsätzlich gleichheitswidrig, können in der Regel weder ein Höchstmaß an Verwaltungsvereinfachung noch die durch eine solche Vereinfachung weitaus bessere Kosten-/Nutzenrelation zwischen Erhebungsaufwand und Abgabenaufkommen dies auf Dauer rechtfertigen (BVerfGE 149, 222 <257 Rn. 71> m.w.N.).




    4. Die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben nur zulässig ist, ergeben sich prinzipiell aus drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung (vgl. BVerfGE 91, 186 <202 f.>). Hierbei erscheint die Beurteilung der CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz im Lichte der Finanzverfassung vorliegend insbesondere geboten. Die grundgesetzliche Finanzverfassung (Art. 104a bis Art. 108 GG) verlöre nämlich ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern daneben beliebig Abgaben unter Umgehung der bundesstaatlichen Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz für das Steuerwesen erhoben werden könnten (vgl. BVerfGE 55, 274 <300 ff.>). Nicht-steuerliche Abgaben bedürfen daher - über die Einnahmeerzielung hinaus oder an deren Stelle - einer besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 78, 249 <266 f.>). Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird (vgl. BVerfGE 55, 274 <298 f.>), deutlich unterscheiden, sodass die Regelungen in Art. 105 und 106 GG nicht durch ein "Wahlrecht" zwischen der Einführung von Steuern oder nicht-steuerlichen Abgaben zur Disposition des Gesetzgebers gestellt werden (vgl. BVerfGE 55, 274 <302>) können.




    II.


    Nach diesen Maßgaben ist das Brennstoffemissionshandelsgesetz in Teilen verfassungswidrig. Zwar ermangelt es dem Gesetz nicht an einer sachlichen Rechtfertigung und der Verfolgung eines legitimen Zwecks (1.), jedoch ist die CO2-Bepreisung als Vorteilsabschöpfungsabgabe zumindest teilweise nicht verfassungsgemäß ausgestaltet (2.), sodass auch Zweifel hinsichtlich der Lenkungswirkung bestehen (3.). Eine verfassungsmäßige Ausgestaltung ist dabei zwar möglich (5.), jedoch ist dabei jedenfalls besonderes Augenmerk auf die Achtung der Grundsätze der grundgesetzlichen Finanzverfassung zu legen (4.).



    1. Mit der CO2-Bepreisung verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel (b), das sich auch sachlich rechtfertigen lässt (a).


    a) Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung der CO2-Bepreisung. Ein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlichen Vorteil (der Berechtigung zur Verschmutzung der Luft) und den Abgabeschuldnern besteht zweifelsohne. Das Inverkehrbringen von fossilen Brennstoffen steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Brennstoffemissionen selbst, die zwar von den Verbrauchern der Heiz- und Kraftstoffe verursacht werden. Jedoch ist es unbeachtlich, dass die Adressaten der Vorteilsabschöpfung die Zulieferer der Heiz- und Kraftstoffe sind und jene die Emissionen nur mittelbar verursachen. Dass die CO2-Bepreisung zwar nicht direkt beim Emittenten absetzt, sondern bei den Zulieferern, welche die Emissionen mittelbar zu vertreten haben, ist jedoch nicht ausschlaggebend. Ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zwischen dem Inverkehrbringen und den tatsächlichen Brennstoffemissionen besteht unstrittig.


    b) Dazu verfolgt der Gesetzgeber bei der Bepreisung der Treibhausgasemissionen auch einen legitimen Zweck. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen (vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 31. Oktober 2019 - 10 K 412.18 - Rn. 70; Groß, EurUP 2019, 353 <361>; Bickenbach, JZ 2020, 168 <170 f.>; Meyer, NJW 2020, 894 <897>; Buser, DVBl 2020, 1389 <1390>; Spieth/Hellermann, NVwZ 2020, 1405 <1406 f.>; Stürmlinger, EurUP 2020, 169 <176>; Kahl, JURA 2021, 117 <126>). Angesichts der großen Gefahren, die ein immer weiter voranschreitender Klimawandel auch für die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter etwa durch Hitzewellen, Überschwemmungen oder Wirbelstürme mit sich bringen kann (oben Rn. 22 ff.), ist der Staat hierzu sowohl den heute lebenden Menschen als auch objektivrechtlich im Hinblick auf künftige Generationen verpflichtet (BVerfG, Beschl. v. 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, Rn. 148). Dass der Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen zur Fortschreitung des Klimawandels beitragen ist wissenschaftlich unstrittig belegt. Vor diesem Hintergrund erscheint der Zweck, die Treibhausgasemissionen mittels eines Handels von zur Treibhausgasemission berechtigenden Zertifikaten legitim und von Verfassungs wegen jedenfalls nicht zu beanstanden.




    2. Die Erzielung von Veräußerungserlösen ist generell mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13, Rn. 31). Die sachliche Legitimation der streitgegenständlichen Erzielung von Veräußerungserlösen ergibt sich dabei aus ihrem Charakter als Vorteilsabschöpfungsabgabe im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung (vgl. grundlegend BVerfGE 93, 319 <345>). Für die materielle Verfassungsmäßigkeit einer solchen Vorteilsabschöpfungsabgabe hat das Bundesverfassungsgericht in Vergangenheit verschiedene Kriterien definiert und ausgearbeitet, an denen auch der Emissionszertifikatehandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz zu beurteilen ist. Entsprechend muss eine öffentliche Bewirtschaftung (b) eines als knapp definierten Gutes (a) erfolgen. Dazu muss den Abgabepflichtigen ein individueller Sondervorteil entstehen (c).



    a) Die Reinheit der Luft stellt eine knappe natürliche Ressource dar. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Einführung des Emissionshandelssystems die Knappheitssituation daraus hergeleitet, dass die Luft nur in begrenztem Maße Kohlendioxid aufnehmen könne, ohne dass dies schädliche Auswirkungen auf das Klima habe. Das knappe Gut ist folglich nicht die Luft selbst, sondern ihr Verschmutzungsgrad. Diese Erwägung ist ohne weiteres nachvollziehbar, jedenfalls aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13, Rn. 33).



    b) Die Nutzung der Luft durch Emission von Kohlendioxid durch stark emittierende Anlagen unterliegt in Form des Emissionshandelsregimes einer öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftung (vgl. Sacksofsky, Rechtliche Möglichkeiten des Verkaufs von Emissionsberechtigungen, 2008, S. 43 ff.; Martini, Der Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, 2008, S. 770; Helbig, Windfall Profits im europäischen Emissionshandel, 2010, S. 207 ff.; Weinreich, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 19 ZuG 2012 Rn. 32 <April 2009>; Körner/v. Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG, 2005, § 18 ZuG 2007 Rn. 38; a.A. Burgi/Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten, 2007, S. 51 ff.; Rebentisch, NVwZ 2006, S. 747 <752>). Mit dem Emissionshandelssystem ist ein bis dahin kostenfreier und nur durch die natürlichen Ressourcengrenzen beschränkter Nutzungsraum dem ungeregelten Zugriff entzogen und kontingentiert worden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05. März 2018 - 1 BvR 2864/13, Rn. 34).


    Fraglich bleibt vorliegend jedoch, ob eine solche Bewirtschaftung auch im sog. Einführungszeitraum bis zum Jahr 2025, wo ein Verkauf der Emissionszertifikate zu einem gesetzlich festgelegten Festpreis erfolgt. Diese Frage kann vorliegend jedoch offenbleiben.



    c) Die fehlende mengenmäßige Begrenzung der zu veräußernden Emissionszertifikate in der Einführungsphase und dem Zeitraum der Anwendung des Preiskorridors (aa) resultiert in dem Abhandenkommen des individuellen Sondervorteils (bb).


    aa) Das vorliegen eines individuellen Sondervorteils ist zumindest für den Zeitraum ab 2026, ab dem die dann auf dem Markt befindlichen Zertifikate frei versteigert werden, analog zum europäischen Emissionshandel zu bejahren. Eine genauere Betrachtung erfordert jedoch die in § 10 Abs. 2 Satz 1, 2 BEHG vorgesehene Einführungsphase. In diesem Zeitraum erfolgt ein Verkauf der Emissionszertifikate zu einem gesetzlich festgelegten Festpreis - eine Bewirtschaftung nach Marktgrundsätzen erfolgt in diesem Zeitraum jedoch gerade nicht. Eine Deckelung der Anzahl der zu verkaufenden Zertifikate findet in dieser Einführungsphase faktisch nicht statt, indem in dieser Phase nach § 5 BEHG ein zusätzlicher Bedarf an Emissionszertifikaten durch einen Zukauf von Emissionszuweisungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten praktisch ohne Begrenzung gedeckt werden kann. Gleiches gilt für die Dauer der Anwendung des Preiskorridors nach § 10 Abs. 2 Satz 4 BEHG, welcher zunächst auf das Jahr 2026 beschränkt ist, jedoch nach § 23 Abs. 1 Satz 5 BEHG auch fortgeführt werden kann.


    bb) In dieser Konstellation ist der notwendige individuelle Sondervorteil gerade nicht mehr gegeben, da die dem Emissionshandel unterliegenden Unternehmen praktisch unbeschränkt Emissionszertifikate ankaufen und Emissionen ausstoßen können. Ein besonderer Vorteil gegenüber anderen Unternehmen entsteht ihnen dabei nicht, da der Zustand, dass ein Unternehmen über nicht genügend Emissionsberechtigungen verfügt, praktisch gar nicht erreicht werden kann. Entsprechend können die Unternehmen die Luft faktisch immer noch unbegrenzt nutzen, sie müssen dafür lediglich einen gewissen Preis bezahlen und die notwendigen Zertifikate vom Staat käuflich erwerben. Betrachtet man die Folgen der Einführungsphase, so ist nicht festzustellen, dass die Unternehmen die Luft nicht mehr in gleichem Umfang nutzen dürften, sie müssen lediglich über hinreichende finanzielle Möglichkeiten verfügen. Die alleinige Voraussetzung, über genügend finanzielle Mittel zu verfügen und sich deshalb möglicherweise mehr Zertifikate leisten zu können als die Konkurrenz, stellt jedoch vorliegend noch keinen hinreichenden Sondervorteil dar, da der Festpreis bzw. die für die Dauer des Preiskorridors festgelegte Höhe der Preise der Zertifikate nicht in einer nicht mehr zu stemmenden finanziellen Belastung der Unternehmen resultieren wird. Ein Sondervorteil analog zum europäischen Emissionshandel, wo tatsächlich nur eine begrenzte Anzahl an Emissionszertifikaten vorliegt bzw. erworben werden kann, fehlt in der Einführungsphase des Zertifikatehandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz bis zum Jahr 2026 gerade.




    3. Die CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz entfaltet eine Wirkung als Lenkungsabgabe. Die Abgabe soll neben der Vorteilsabschöpfung auch maßgeblich dazu ermutigen, weniger Emissionen in die Atmosphäre auszustoßen. Durch die perspektivische Verringerung der zur Verfügung stehenden Emissionszertifikate, die sich aus § 4 Abs. 1 BEHG ergibt, müssen die Unternehmen über Kurz oder Lang den Emissionsausstoß vermindern, da ansonsten ein erheblicher wirtschaftlicher Konkurrenznachteil droht. Diese Lenkungswirkung entfaltet ihre Wirkung zwar nicht erst zu dem Zeitpunkt, ab dem eine tatsächliche Deckelung der erhältlichen Ermissionsberechtigungszertifikate erfolgt, sondern bereits einen gewissen Zeitraum bevor eine solche Knappheitssituation gesetzlich geschaffen wird. Jedoch ist zumindest in Zweifel zu ziehen, ob der Zeitraum der Einführungsphase von fünf Jahren ohne Deckelung der Anzahl von Zertifikaten nicht zu lang gewählt ist, als dass dieser zumindest in den ersten Jahren eine solche geforderte Lenkungswirkung auch real entfaltet; zumindest erscheint dieser Zeitraum jedoch nicht von Verfassungs wegen zu beanstanden, da dem Gesetzgeber auch hier ein Ermessenspielraum zusteht und er von einer solchen gegebenen Lenkungswirkung augeht.




    4. Die CO2-Bepreisung lässt sich auch hinreichend scharf von einer Steuer abgrenzen (a), wobei eine tatsächliche Bepreisung der Emissionen im Wege der nichtsteuerlichen Abgabe unzulässig wäre, da diese Besteuerungscharakter aufwiese (b).



    a) Die CO2-Bepreisung unterscheidet sich hinreichend scharf von der Steuer (aa). Ihre Höhe übersteigt auch nicht den tatsächlichen Wert der öffentlichen Leistung (bb).


    aa) Eine noch hinreichende scharfe Unterscheidung der CO2-Bepreisung von der Steuer ist gegeben. Sie ist entgegen der Steuer gegenleistungsabhängig und dient dazu, den tatsächlichen Vorteil der Unternehmen, der ihnen durch die Nutzung der Ressource Luft ermöglich wird, abzuschöpfen. Abgeschöpft wird der in der Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit liegende Vorteil nicht nach seinem rechtlichen, sondern nach seinem tatsächlichem Umfang (grundlegend BVerfG 93, 319 <Rn. 180>). Die Gegenleistungsabhängigkeit ergibt sich dabei schon aus dem Begriff der Veräußerung der Emissionszertifikate gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 BEHG.


    bb) Die für die Abgrenzung zur Steuer unerlässliche Abhängigkeit der CO2-Bepreisung von einer Gegenleistung bleibt allerdings nur erhalten, wenn ihre Höhe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigt. Andernfalls würde die Abgabe insoweit - wie die Steuer - "voraussetzungslos" erhoben. Sie diente dann nicht mehr nur der Abschöpfung eines dem Abgabeschuldner zugewandten Vorteils, sondern griffe zugleich auf seine allgemeine Leistungsfähigkeit im Blick auf die Finanzierung von Gemeinlasten zu. Das Heranziehen des Einzelnen zur Finanzierung von Gemeinlasten ist jedoch allein im Wege der Steuer zulässig (BVerfG 93, 319 <Rn. 181>). Die für diese Beurteilung heranzuziehende Höhe der gesetzlich bestimmten Festpreise für die Emissionszertifikate in der Einführungsphase bzw. die Höhe des Preiskorridors übersteigt diesen Wert jedenfalls nicht ersichtlich.



    b) Hinzuweisen ist dennoch darauf, dass eine tatsächliche "Bepreisung dieser Emissionen", wie in § 1 Abs. 1 Satz 1 BEGH als Zweck des Gesetzes genannt, einen Besteuerungscharakter aufweisen würde, was insoweit in einem unzulässigen und der Finanzverfassung zuwiderlaufenden Verschwimmen der Grenzen zwischen Steuer und anderen Abgaben resultieren würde. Eine Bepreisung der Emissionen wäre gerade nicht mehr als Vorteilsabschöpfungsabgabe einzustufen und eröffnete dem Gesetzgeber schließlich auch das unzulässige Wahlrecht zwischen Steuer und sonstigen Abgaben. Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 BEHG gewählte Formulierung ist vorliegend aber dahingehend hinzunehmen, als dass die tatsächliche Ausgestaltung nicht direkt auf eine Besteuerung der Emissionen zielt, sondern auf eine Abschöpfung des Vorteils, die Luft durch Emissionsausstoß in größerem Ausmaß verschmutzen zu dürfen. Jedoch ist gerade für die Einführungsphase und den Zeitraum der Anwendung des Preiskorridors ein solcher Vorteil kaum gegeben. Viel mehr erfolgt in diesem Zeitraum faktisch eine Festbepreisung der Emissionen selbst, nicht die Abschöpfung eines Sondervorteils. Dieser Besteuerungscharakter der CO2-Bepreisung für den genannten Zeitraum ist evident und eine schärfere Abgrenzung durch den Gesetzgeber jedenfalls vorzusehen.




    5. Zwar ist das Ziel des Gesetzgebers, bei der Einführung des Zertifikatehandels ein stabiles Preisniveau zu bilden, da bei freier Preisbildung am Markt zu Beginn hohe Unsicherheiten hierüber bestünden (BT-Drs. 19/14746, S. 37) jedenfalls nicht zu beanstanden, jedoch werden die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit der Abgabe hierdurch nicht gemindert. Die Abgabe muss schließlich für den vollen Zeitraum ihrer Wirkung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Dies ist vorliegend für den Einführungszeitraum und den Zeitraum der Anwendung des Preiskorridors gerade nicht der Fall.


    Der Gesetzgeber kann die CO2-Bepreisung jedoch - auch nach einem Festpreismodell - verfassungsgemäß ausgestalten. Die Erfordernis, dass die Emissionszertifikate stets nach marktrechtlichen Grundsätzen zu veräußern sind, lässt sich verfassungsrechtlich nicht herleiten. Eine Vorteilsabschöpfung kann durchaus - analog zum Wasserentnahmeentgelt - im Wege eines Festpreises erfolgen. Jedoch muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass auch diese Veräußerung der Zertifikate zum Festpreis einen tatsächlichen individuellen Sondervorteil bedingt. Dieser Vorteil ist ebendann nicht gegeben, wenn den Adressaten der Abgabe zumindest die Möglichkeit eröffnet wird, die Ressource Luft in real gleichem und faktisch unbegrenztem Umfang zu nutzen. Hierbei wird gerade kein Vorteil abgeschöpft, sondern lediglich die Emissionen selbst bepreist. Sobald die Anzahl der Zertifikate mengenmäßig (sinnvoll und sachlich gerechtfertigt) begrenzt wird, so entsteht jenen Unternehmen, die im Besitz der begrenzten Emissionszertifikate sind, auch ein tatsächlicher individueller Sondervorteil, was seinerseits die Verfassungsmäßigkeit der CO2-Bepreisung als Vorteilsabschöpfungsabgabe bedingte.




    III.


    Die entsprechenden Normen, die es bis zum Jahr 2026 ermöglichen, eine praktisch nicht gedeckelte Anzahl an Emissionszertifikaten anzubieten und zu veräußern, sind für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig zu erklären. Die Aussprache einer bloße Unvereinbarkeitserklärung ist vorliegend nicht geboten.


    Eine bloße Unvereinbarkeitserklärung hat das Bundesverfassungsgericht zwar wiederholt bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen, insbesondere Steuer- und Abgabengesetzen, ausgesprochen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung sowie einer entsprechenden Finanz- und Haushaltswirtschaft kann es hier gebieten, von einer Rückwirkung der Entscheidung abzusehen (BVerfGE 72, 330 <422>; 87, 153 <178 ff.>; 93, 121 <148>; 105, 73 <134>; 111, 191 <224 f.>; 117, 1 <70>), da der rückwirkenden Neubemessung staatlicher Einnahmen keine Möglichkeit zur Neubemessung der Ausgaben entgegenstünde. Hieraus würde eine erhebliche Gefährdung der periodisch erfolgenden staatlichen Finanzplanung und -stabilität und eine Entlastung aktueller und vergangener Steuerzahler zu Lasten künftiger Steuerzahler folgen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung steht einer Rückwirkung der Entscheidung allerdings nicht stets entgegen (vgl. BVerfGE 122, 210 <246>; 126, 268 <285 f.>) und kann nur Geltung beanspruchen, wenn der Gesetzgeber sich auf seine Finanz- und Haushaltsplanung verlassen durfte.


    Dies war im Hinblick auf die von Anfang an mit erheblichen finanzverfassungsrechtlichen Unsicherheiten belastete CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz nicht der Fall. Dies gilt insbesondere für die im Zuge dieser Entscheidung für verfassungswidrig zu erklärende Einführungsphase mit einem Festpreismodell und dem Zeitraum der Anwendung des Preiskorridors nach § 10 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 BEHG (vgl. etwa Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Protokoll-Nr. 19/83, S. 10 ff. und etwa Anlage 8).


    Einer Neuregelung des nationalen Emissionshandelt bis zum Jahre 2026 durch den Gesetzgeber nach Maßgaben dieser Entscheidung steht die Nichtigerklärung jedoch nicht entgegen.




    E.


    Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung im abstrakten Normenkontrollverfahren ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.


    F.


    Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.




    Müller | Geissler | Thälmann | Siebert

    Vizepräsident des Obersten Gerichts