Beiträge von Dr. Helmut Müller

    Hohes Gericht,


    in Ergänzung zum bisher Geäußerten möchte ich folgendes ergänzen:


    Auch bei Betrachtung der geltenden Fassung des Infektionsschutzgesetzes ist das Gesetz formell und materiell rechtswidrig.


    Zunächst ist das Gesetz formell rechtswidrig, da es nicht mit dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist.


    Als bußgeldbewärte Norm ist die Bestimmtheit nach den Maßstäben des Art. 103 Abs. 2 GG zu bemessen (vgl. BVerfGE 81, 132 <135>; 87, 399 <411>; stRspr). Dessen Bedeutung erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Er enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie. Damit hat er auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, indem alle am Rechtsverkehr Teilnehmenden vorhersehen können sollen, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfGE 143, 38 <52 f. Rn. 35 f.>; 153, 310 <339 f. Rn. 71, 73>). In seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot enthält Art. 103 Abs. 2 GG die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, gelten danach für den grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass der Normadressat im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 143, 38 <53 f. Rn. 38>; 153, 310 <340 Rn. 74> jeweils m.w.N.). Allerdings muss der Gesetzgeber auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Müsste er jeden Straftatbestand stets bis ins Letzte ausführen, anstatt sich auf die wesentlichen Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe zu beschränken, bestünde die Gefahr, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten (BVerfGE 143, 38 <54 f. Rn. 40>; 153, 310 <341 Rn. 76> jeweils m.w.N.). Daher verbietet Art. 103 Abs. 2 GG die Verwendung unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht. Jedoch muss gewährleistet sein, dass mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden und unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der fraglichen Norm gewonnen werden kann. Der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit lässt sich dabei nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestandes einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben (vgl. BVerfGE 143, 38 <55 Rn. 41>; 153, 310 <341 f. Rn. 77> jeweils m.w.N.), wobei der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen muss, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist. Auch der Kreis der Normadressaten ist von Bedeutung (so BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021, Rn. 154 ff.).


    Die Bestimmtheitsanforderungen aus Art. 103 Abs. 2 GG zwingen den Gesetzgeber auch nicht, den Tatbestand stets vollständig im Strafgesetz selbst zu umschreiben. Er darf auf andere Vorschriften verweisen. Allerdings muss die Verweisungsnorm klar erkennen lassen, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen (vgl. BVerfGE 143, 38 <55 Rn. 42>; 153, 310 <342 Rn. 78>). Dementsprechend ist dem Gesetzgeber selbst die Schaffung von Blankettstraftatbeständen durch Art. 103 Abs. 2 GG nicht verwehrt. Bei einem Blankettstrafgesetz ersetzt der Gesetzgeber die Beschreibung des Straftatbestandes durch die Verweisung auf eine Ergänzung im selben Gesetz oder in anderen Gesetzen oder Rechtsverordnungen. Die Verwendung dieser Gesetzgebungstechnik ist verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern das Blankettstrafgesetz hinreichend klar erkennen lässt, worauf sich die Verweisung bezieht. Dazu gehört, dass die Blankettstrafnorm die Regelungen, die zu ihrer Ausfüllung in Betracht kommen und die dann durch sie bewehrt werden, sowie deren möglichen Inhalt und Gegenstand genügend deutlich bezeichnet und abgrenzt (vgl. BVerfGE 143, 38 <56 Rn. 44>; 153, 310 <343 Rn. 80> jeweils m.w.N.). Dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügen Blankettstrafgesetze jedoch nur dann, wenn sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund des Gesetzes voraussehen lassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe also bereits entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einem in Bezug genommenen Gesetz hinreichend deutlich umschrieben sind. Außer der Blankettstrafnorm selbst müssen auch die sie ausfüllenden Vorschriften den sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen genügen (vgl. BVerfGE 143, 38 <57 Rn. 46>; 153, 310 <344 Rn. 82> jeweils m.w.N.) (so BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021, Rn. 157 ff.).


    Diesen Maßstäben wird das angegriffene Gesetz nicht gerecht. In § 6 Abs. 2 wird statuiert, dass Verstöße gegen diese Verordnung wie es im jeweiligen Landesgesetz vorgesehen ist mit einem Bußgeld geahndet werden können. Nähere Angaben bezüglich Höhe und Charakter der Sanktion bzw. bestehen nicht. Damit verweist das angegriffene Gesetz zwar auf Rechtsfolgen; es ist allerdings nicht ohne weiteres aus dem angegriffenen Gesetz zu erkennen, welche Vorschriften welcher anderen Landesgesetze anwendbar sind. Es ist dem rechtsunkundigen Laien folglich nicht ohne weiteres erkenntlich, welche Folgen eine Nichtbefolgung der angegriffenen Vorschrift haben kann. Es ist mithin mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar.


    Weiterer Vortrag – insbesondere bezüglich der materiellen Rechtmäßigkeit – wird vorbehalten.


    Mag sein. Das Grundgesetz als höherrangiges Gesetz verdrängt diese allerdings - die Antragsteller könnten ihre verfassungsgemäßen Rechte daher unter Umständen sogar durch das Verfassungsgericht einklagen.


    EDIT: Ich würde nicht einmal sagen, dass § 18 BT-GO dem Art. 44 I GG widerspricht. Eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass sich das Erfordernis der absoluten Mehrheit nur auf „normale“ Ausschüsse und nicht für Untersuchungsausschüsse bezieht, reicht ja.

    Nach dem Rücktritt der Abgeordneten Dr. Annalena Burberg rückt Theo Pahlke als Abgeordneter nach.


    Ich frage Sie Herr Theo Pahlke werden Sie das Mandat antreten?

    Naja, die Mitgliedschaft im Bundestag und Bundesrat schließt sich aus. Wenn du das Mandat im Bundestag annimmst, scheidest du aus dem Bundesrat aus und bist dementsprechend nicht mehr dessen Präsident. Du bist demnach dann nicht mehr befugt, die Befugnisse des Bundespräsidenten auszuüben.


    EDIT: Das alles setzt aber voraus, dass der Bundesratspräsident Mitglied des Bundesrats sein muss. Dazu steht allerdings weder etwas in der GO-BR noch im Grundgesetz.

    An die Juristen in der Runde. Dass Art. 32 iVm. 20 I GG hier einen fast klausurreifen Fall des Staatsorganisationsrechts kreiert, hätte ich auch nicht erwartet… ^^


    // Wird das jetzt ein Trend? Die Stimmabgabe von Thüringen zur BRP-Wahl war klar FÜR den Kandidaten. Und jetzt löscht man das einfach? Was soll denn das?
    Im richtigen Bundesrat kann man doch auch nicht einfach die Stimmen wieder rückgängig machen. Ich finds wirklich frech!


    Aus rein rechtlicher Perspektive ist das tatsächlich interessant. Über die Wirkung gelöschter Beiträge wurde hier auch noch nie gestritten…

    Führe mich nicht in Versuchung. :ugly

    Ein bisschen Arbeit schadet nie. :popcorn:

    // Wird das jetzt ein Trend? Die Stimmabgabe von Thüringen zur BRP-Wahl war klar FÜR den Kandidaten. Und jetzt löscht man das einfach? Was soll denn das?
    Im richtigen Bundesrat kann man doch auch nicht einfach die Stimmen wieder rückgängig machen. Ich finds wirklich frech!


    Aus rein rechtlicher Perspektive ist das tatsächlich interessant. Über die Wirkung gelöschter Beiträge wurde hier auch noch nie gestritten…