5 BvQ 1/21 – Erfolgreicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des BUW gegen das Landesinnenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und weitere

  • OBERSTES GERICHT

    – 5 BvQ 1/21 –


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    In dem Verfahren
    über die Anträge,

    im Wege der einstweiligen Anordnung



    1. den Antragsgegner zu 1. zu verpflichten, die Pressemitteilung zur Einstufung des Antragstellers als „Prüffall“ von allen Internetauftritten der Landesregierung zu entfernen,
    2. den Antragsgegner zu 1. zu verpflichten, es künftig zu unterlassen, den Antragsteller als „Prüffall“ zu bezeichnen und sich über die Einstufung des BUW als „Prüffall“ öffentlich zu äußern,
    3. den Antragsgegner zu 2. zu verpflichten, es künftig zu unterlassen, den Antragsteller als „Prüffall“ zu bezeichnen und sich über die Einstufung des BUW als „Prüffall“ öffentlich zu äußern.


    Antragsteller: Bund Unabhängiger Wähler, vertreten durch den Parteivorsitzenden


    - Prozessbevollmächtigter: Dr. Benedikt Dregger



    Antragsgegner:

    1. Ministerium des Innern und der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Landesminister des Innern und der Justiz
    2. Landesminister des Innern und der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Martin Mondtod.




    hat das Oberste Gericht – Fünfter Senat –

    unter Mitwirkung der Richter


    Präsident Müller,


    Vizepräsident Geissler,


    Thälmann,


    Siebert



    am 4. Juli 2021 einstimmig beschlossen:



    1. Den Antragsgegnern zu 1. und 2. wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, in Bezug auf die Antragstellerin zu äußern oder verbreiten, diese werde als „Prüffall“ bearbeitet.


    2. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.


    G r ü n d e :


    A.


    I.


    Der Antragsteller ist eine im Deutschen Bundestag sowie im Thüringer Landtag vertretene politische Partei. Im Zuge einer öffentlichen Bekanntmachung auf der Internetseite der Nordrhein-Westfälischen Staatskanzlei vom 17. Juni 2021 teilte der Landesminister des Innern und der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Martin Mondtod, mit, dass der Bund Unabhängiger Wähler (BUW) vom Landesamt für Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen als Prüffall eingestuft worden sei. Der BUW sei in den vergangenen Monaten immer wieder mit demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Aktionen in Erscheinung getreten. Konkret genannt wurde ein missglückter Putschversuch in Thüringen sowie neueste Erkenntnisse, dass der BUW über keine demokratische Binnenstruktur verfüge.




    II.


    Der Antrag sei zulässig (1.) und begründet (2.).


    1. Der Antrag sei zulässig. Das Oberste Gericht sei zuständig (a) und der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (b).


    a) Das Oberste Gericht sei zur Entscheidung über den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO berufen. Die Zuständigkeit ergebe sich aus § 6 Abs. 2 OGG analog i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Dem Wortlaut nach erkläre die Norm das Oberste Gericht zwar nur in Angelegenheiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für zuständig. Gleichwohl sei die Norm im Hinblick auf den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in analoger Anwendung auch auf Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszuweiten. Andernfalls drohe eine mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbare Rechtsschutzlücke. Für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke spreche zudem, dass gemäß § 7 Abs. 3 OGG am Obersten Gericht eine Kammer für Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit einzurichten ist.


    b) Streitgegenständlich sei eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Verwaltungsrechtsweg sei mithin eröffnet. Der Antragsteller sei auch analog zu § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Es bestehe erkennbar die Möglichkeit, dass die angegriffenen Handlungen der Antragsgegner zu 1. und 2. den Antragsteller in seiner durch Art. 21 Abs. 1 GG gewährleisteten Parteienfreiheit in Form der Betätigungsfreiheit und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzten. Ausweislich des klaren Wortlauts des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO müsse in der Hauptsache zudem noch keine Klage erhoben worden sein. Zweifel an der Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers (§ 61 Nr. 2 VwGO) bestünden ebenfalls nicht.



    2. Der Antrag sei auch begründet. Die streitgegenständliche Äußerungen des Landesministers griffen in die Parteienfreiheit des Antragstellers aus Art. 21 Abs. 1 GG ein (a). Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt (b). Dem Antragsteller stehe auch ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu (c), dazu lägen die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung vor (d).


    a) aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wirkten politische Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Der den Parteien hierdurch zuerkannte verfassungsrechtliche Status gewährleiste das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Daher seien staatliche Organe im Rahmen ihrer Tätigkeit grundsätzlich zu strikter Neutralität verpflichtet. Äußere sich ein Träger hoheitlicher Gewalt negativ über eine politische (Konkurrenz-)Partei, so entfalte jene Äußerung auf die Öffentlichkeit eine andere Wirkung, als würde sie im Kontext parteipolitischer Auseinandersetzungen fallen. Jenen Äußerungen werde für Gewöhnlich ein höherer Wahrheits- und Sachlichkeitsgehalt zugemessen als reinen Meinungsbekundungen politischer Mitbewerber.


    bb) Die angegriffenen Äußerungen seien auch staatlicher Natur und richteten sich gegen den Antragsteller. Die Antragsgegner zu 1. und 2. machten mit ihrer Veröffentlichung deutlich, dass aus ihrer Sicht Verdachtsmomente für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Antragstellers vorlägen, die eine nähere Auswertung der Parteiaktivitäten durch den Verfassungsschutz rechtfertigten. Geeignete Beweise hierfür lägen nicht vor bzw. würden nicht vorgebracht.


    cc) Die Äußerungen seien geeignet, das öffentlichen Ansehen des Antragstellers nachhaltig zu schädigen und seine Stellung im politischen Wettbewerb erheblich zu verschlechtern. Die Bekanntgabe der Einstufung des Antragstellers als „Prüffall“ könne ein verständiger Dritter nur so verstehen, dass tatsächliches Verdachtsmomente gegeben seien, die auf verfassungsfeindliche Bestrebungen des Antragstellers hinweisen. Außerdem ließen jene Aussagen nur den Schluss zu, dass der Antragsteller auch auf dem Hoheitsgebiet der Antragsgegner zu 1. und 2. verfassungsfeindliche Aktivitäten verfolge. Das Ansehen der Partei könne entsprechend irreparabel beschädigt werden. Es drohe mithin ein massiver Verlust an Partizipationsmöglichkeiten des Antragstellers an der öffentlichen Willensbildung. Die Aussagen seien auch geeignet, potentielle Neumitglieder von einem Beitritt zum BUW abzuhalten oder bestehende Mitglieder zu einem Austritt zu bewegen.


    dd) Alldem stehe nicht entgegen dass die Einstufung des Antragstellers als „Prüffall“ in tatsächlicher Hinsicht - im Gegensatz zum "Verdachtsfall" - nicht zwingend aussage, er verfolge erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Ziele. Die juristisch überwiegend nicht vorgebildete Öffentlichkeit werde die Unterscheidung zwischen „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ nicht nachvollziehen können und die Äußerung so verstehen, dass der Antragsteller evident verfassungsfeindliche Ziele verfolge.



    b) Der o. g. Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Es fehle schon an einer Ermächtigungsgrundlage hierfür (aa). Dazu sei die Einstufung des Antragstellers als Prüffall ohnehin unzulässig (bb).


    (aa) Nach dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes bedürfe es zur Rechtfertigung des Eingriffs einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Eine solche Ermächtigungsgrundlage fehle vorliegend. Die Antragsgegner zu 1. und 2. könnten ihr Verhalten insbesondere nicht auf § 5 Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Verfassungsschutzgesetz NRW (VSG NRW) stützen. Vom Informationsrecht des Verfassungsschutzes umfasst seien Informationen über Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes richten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW). Ergänzend müssten auch tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen hinzutreten. Entsprechend dürfe der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit grundsätzlich nur über sog. "Verdachtsfälle" informieren. Wegen der besonderen Bedeutung der Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG für die freie Willensbildung des Volkes müsse hierbei nach gefestigter obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung im Übrigen hinzukommen, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte hinreichend gewichtig sind. Rechtfertigten sie lediglich den Schluss, dass nur möglicherweise ein Verdacht für verfassungsfeindliche Bestrebungen begründet ist, sei der mit der Veröffentlichung einhergehende Grundrechtseingriff unzulässig. Aufgrund dieser strengen Maßstäben, die an die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Verdachtsfällen anzulegen sei, müsse die Veröffentlichung eines sog. Prüffalles erst recht unzulässig sein.


    Die Einstufung als „Prüffall“ finde im VSG NRW keine rechtliche Grundlage. Es handle sich um einen lediglich behördenintern verwendeten Begriff, der erst eine Vorstufe zum „Verdachtsfalls“ darstelle. Die daraus folgende behördeninterne Prüfung solle gerade ermitteln, ob die Aktivitäten einer Partei für die Einstufung als „Verdachtsfall“ ausreichen. Erst am Ende dieser Prüfung stehe ggf. die Einstufung als „Verdachtsfall“. Selbst wenn die Verfassungsschutzbehörde eine Partei aber als „Verdachtsfall“ einstufe, sei eine öffentliche Information hierüber nur zulässig, wenn die tatsächlichen Anhaltspunkte hierfür hinreichend gewichtig seien. Da solche tatsächliche Anhaltspunkte bei einer Einstufung als Prüffall erst recht nicht vorlägen, sei eine öffentliche Information hierüber jedenfalls unzulässig.


    (bb) Auch die behördeninterne Führung des BUW als "Prüffall" sei unzulässig, da es hierfür schon an einer geeigneten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehle. Weiter sei das Landesamt für Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen für eine Einstufung des BUW als Prüffall wegen Aktivitäten außerhalb Nordrhein-Westfalens nicht zuständig. Der Antragsteller sei im Hoheitsgebiet der Antragsgegner zu 1. und 2. jedoch überhaupt nicht tätig geworden. Für eine Einstufung als Prüffall fehle es offensichtlich an Anhaltspunkten. Die Einstufung des Antragsgegners als Prüffall sei daher unzulässig, Entsprechendes gelte erst recht für die öffentliche Information über diese Einstufung.



    c) Gegen die Rechtsverletzung stehe dem Antragsteller ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu. Dieser ergebe sich unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG. Die öffentliche Gewalt sei verpflichtet, rechts- oder verfassungswidriges Verhalten zu unterlassen und einen gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus Art. 20 Abs. 3 GG - ggf. i.V.m. mit Art. 28 Abs. 1 GG -, nach dem die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden ist. Eine Wiederholungsgefahr sei durch das erstmalige rechtswidrige Verhalten indiziert



    d) Auch die Voraussetzungen zur Stattgabe der o.g. Anträge im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO lägen vor. Neben dem oben dargelegten Anordnungsanspruch sei auch der nötige Anordnungsgrund gegeben. Die evident rechtswidrigen Handlungen der Antragsgegner beschwerten den Antragsteller wesentlich. Der Antragsteller werde aufgrund der rechtswidrigen Informationspolitik der Antragsgegner fortlaufend in der öffentlichen Achtung herabgesetzt. Selbst wenn die Mitteilung sofort entfernt würde, sei davon auszugehen, dass der Antragsteller bereits jetzt einen irreparablen Ansehensverlust erlitten hat. Eine weitere Schadensvertiefung beim Antragsteller könne nur im Wege einer einstweiligen Anordnung verhindert werden. Das öffentliche Ansehen einer politischen Partei sei für deren Rolle bei der politischen Meinungsbildung existenziell. Der mit rechtswidrigen Äußerungen des Staates einhergehende Verlust an politischem Partizipationsvermögen sei unstreitig ein wesentlicher Nachteil i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, den es zu verhindern gelte. Dem könne auf Seiten der Antragsgegner schon wegen der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen kein schutzwürdiges Gut entgegengehalten werden.




    B.


    Der Antrag der Antragstellerin ist vor dem Hintergrund der Antragsformulierung und der Antragsbegründung so zu verstehen, dass dem Landesministerium generell untersagt werden soll, dass sie sich dahingehend über die Antragstellerin äußert, dass diese als "Prüffall" bearbeitet werde, § 122 Abs. 1, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).




    I.


    Die so verstanden Anträge sind zulässig.



    1. Zunächst ist das Oberste Gericht zuständig. Zwar fehlt die Zuständigkeit des Obersten Gerichtes in der Auflistung in § 6 des Gesetzes über das Oberste Gericht; jedoch nimmt das Gesetz über das Oberste Gericht in § 7 Abs. 3 OGG die Zuständigkeit für Verfahren der Verwaltungsgerichtbarkeit an, indem es einen Senat am Obersten Gericht für solche Verfahren einrichtet. Vor dem Hintergrund, dass jedem Bürger in Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit des Rechtswegs ermöglicht wird, entstünde bei Nichtgewährung der Möglichkeit eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine unzumutbare Rechtsschutzlücke. Mithin ergibt sich die Zuständigkeit des Obersten Gerichts für verwaltungsgerichtliche Verfahren schon aus § 20 Abs. 1 Satz 1 vDGB.



    2. Streitgegenständlich ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Verwaltungsrechtsweg ist mithin eröffnet. Der Antragsteller ist auch analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Es besteht erkennbar die Möglichkeit, dass die angegriffenen Handlungen der Antragsgegner zu 1. und 2. den Antragsteller in seiner durch Art. 21 Abs. 1 GG gewährleisteten Parteienfreiheit in Form der Betätigungsfreiheit und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzen. Ausweislich des klaren Wortlauts des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss in der Hauptsache zudem noch keine Klage erhoben worden sein. Zweifel an der Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers (§ 61 Nr. 2 VwGO) bestehen ebenfalls nicht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28. November 2018 - 6 C 2/17).




    II.


    Der Antrag ist auch begründet.


    1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).


    Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt allerdings im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht, wenn die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil der Antragsteller sonst Nachteile zu erwarten hätte, die für ihn unzumutbar wären, und das Begehren in der Hauptsache schon aufgrund summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabs erkennbar Erfolg haben muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88; BVerwG, Beschl. v. 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -).




    2. Soweit die von der Antragstellerin begehrte Anordnung auf die zumindest zeitliche Vorwegnahme der Hauptsache hinaus läuft, sind die danach erforderlichen qualifizierten Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs vorliegend erfüllt.


    a) Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch zu. Sie hat das Bestehen eines zu sichernden Rechts insoweit glaubhaft gemacht. Das Begehren der Hauptsache hat auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs erkennbar Erfolg. Grundlage des allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 11. November 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14 -) der Antragstellerin ist insbesondere die Parteienfreiheit (in Form der Gründungsfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, der Betätigungsfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG und der aus einer Zusammenschau der Art. 3, 21 und 38 GG abzuleitenden politischen Chancengleichheit) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.


    Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf das sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch die Antragstellerin als Partei und juristische Person bzw. Personenverband im Rahmen ihres Aufgabenbereichs berufen kann, (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 -, BVerwGE 131, 171-186 - juris Rn. 16; VG München, Urteil vom 17. Oktober 2014 - M 22 K 13.2076 -, juris Rn. 21) umfasst den Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfG, Beschl. der Kammer v. 14. Juli 2004 - 1 BvR 263/03 -, juris). Hierzu zählen auch das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sog. "äußeren Ehre" als des Ansehens in den Augen anderer (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13/07-, BVerwGE 131, 171-186 - juris Rn. 16). Infolge dessen kann der von einer Äußerung Betroffene Unterlassung verlangen, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung (wiederholt) droht oder eine solche bereits eingetreten ist und noch andauert (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 -, BVerwGE 131, 171 = juris, Rn. 13; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 9.September 2013 - 5 B 417/13 - juris, Rn. 13, m. w. N).



    b) Die streitauslösende Äußerung des Landesministeriums, die Antragstellerin werde hinsichtlich möglicher Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als "Prüffall" bearbeitet, greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin ein.


    aa) Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung gemäß § 5 Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1 VSG NRW nicht vor.


    Wie § 5 Abs. 7 VSG NRW bestimmt, darf die Verfassungsschutzbehörde Informationen, insbesondere Verfassungsschutzberichte, veröffentlichen. Aus der Vorschrift folgt zunächst, dass die Verfassungsschutzbehörde bei der Veröffentlichung von Informationen nicht auf ihre Verfassungsschutzberichte beschränkt ist. Informationen können auch in sonstiger schriftlicher Form oder mündlich veröffentlicht werden. Die konkrete Reichweite der Befugnisnorm des § 5 Abs. 7 S. 1 VSG NRW wird bestimmt von der Aufgabenbeschreibung des Verfassungsschutzes in § 3 Abs. 3 S. 1 VSG NRW.


    Nach dieser Bestimmung klärt die Verfassungsschutzbehörde die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Abs. 1 auf. § 3 Abs. 1 VSG NRW nennt als Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (Nr. 1), soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen und Tätigkeiten vorliegen. Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Öffentlichkeit über sog. „Verdachtsfälle“ grundsätzlich unterrichtet werden darf. Untermauert wird dies durch die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 3 VSG NRW, wonach der Verfassungsschutz über die von Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 VSG NRW für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehenden Gefahren informiert.



    bb) Sogenannte „Prüffälle“, die den „Verdachtsfällen“ vorausgehen und sich von diesen durch einen qualitativ und quantitativ geringeren Grad an Indizien unterscheiden, die für das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen sprechen, werden im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Die Rechtsprechung hat für die Veröffentlichung von „Verdachtsfällen“ allerdings Maßstäbe entwickelt, aus denen zu schließen ist, dass eine Veröffentlichung von „Prüffällen“ von der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. mit Abs. 1 VSG NRW nicht gedeckt ist.


    Dem Wortlaut der Norm zufolge setzt eine Veröffentlichung eines „Verdachtsfalles“ allein voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Parteiengrundrechts aus Art. 21 Abs. 1 GG wird eine Verlautbarung des Verfassungsschutzes, eine Partei werde als „Verdachtsfall“ eingestuft, von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung allerdings nur für zulässig gehalten, wenn die tatsächlichen Anhaltspunkte, die für den Verdacht sprechen, hinreichend gewichtig sind. Sonst ist der mit der Veröffentlichung einhergehende Grundrechtseingriff nicht zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Mai 2005 – 1 BvR 1072/01 -; BVerwG, Beschl. v. 21. Januar 2019 – 6 B 152/18 -; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. August 2018 – 5 A 1698/15 -; zitiert nach juris, jeweils zum VSG NRW).


    Rechtfertigen die vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte dagegen nur den Schluss, dass möglicherweise ein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen begründet ist, reichen sie als Grundlage einer Grundrechtsbeeinträchtigung durch Veröffentlichung des möglichen Verdachtes nicht aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Mai 2005 – 1 BvR 1072/01 -, Rz. 68, zitiert nach juris).


    Daraus ist ohne weiteres zu schließen, dass die bloße Einstufung einer Partei als „Prüffall“ durch den Verfassungsschutz nicht veröffentlicht werden darf.



    cc) Das Verfassungsschutzgesetz NRW enthält weder den Begriff des „Prüffalles“ noch eine Umschreibung, was unter einem „Prüffall“ zu verstehen bzw. wann ein solcher gegeben ist. Er ergibt sich aus der Verpflichtung der Verfassungsschutzbehörde, die Voraussetzungen für ihre Aufgabenerfüllung, insbesondere den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (§§ 1 Satz 2, 5 Abs. 3 VSG NRW), überhaupt erst feststellen zu können. Der „Prüffall“ ist somit erst die Vorstufe eines „Verdachtsfalles“ und dient der Klärung der Frage, ob sich aus öffentlich zugänglichem Material ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ergeben (vgl. VG Köln, Beschl. v. 26. Februar 2019 – 13 L 202/19 -, zitiert nach juris).


    Ist diese Frage zu bejahen liegt ein „Verdachtsfall“ vor, der es erlaubt, die betreffende Organisation zukünftig mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten (§ 5 Abs. 3 VSG NRW). Selbst wenn eine Organisation unter diesen Voraussetzungen als „Verdachtsfall“ gilt, darf eine Information darüber (i.S.d. § 5 Abs. 7 VSG NRW) nur erfolgen, wenn die tatsächlichen Anhaltspunkte dafür hinreichend gewichtig sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein „Prüffall“ nicht veröffentlicht werden darf, weil sich in diesem Stadium des Verfahrens die tatsächlichen Anhaltspunkte, die für verfassungsfeindliche Bestrebungen sprechen, noch nicht ausreichend verdichtet haben (vgl. VG Köln, Beschl. v. 26. Februar 2019 – 13 L 202/19 -, zitiert nach juris).



    dd) Einem „Prüffall“ fehlt es schlicht an hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Der Bundesgesetzgeber hat diese Rechtsprechung zum Anlass genommen, § 16 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) dahin gehend zu ändern, dass das Bundesministerium des Innern die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten nur informieren darf, soweit hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen (Gesetz vom 17. November 2015, BGBl I 1938). Begründet wurde die Gesetzesänderung damit, eine Berichterstattung über „Verdachtsfälle“ sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes anderenfalls nicht zulässig, (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Drucksache 18/4654 vom 20. April 2015, Seite 32).


    Die Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes NRW durch das Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 2013 (GV NRW Seite 367) führte zwar dazu, dass die Befugnisse des Verfassungsschutzes zur Öffentlichkeitsarbeit, die zuvor in § 15 VSG NRW a.F. geregelt waren, in die neu gefassten Vorschriften der §§ 5 Abs. 7, 3 Abs. 3 VSG NRW verlagert wurden. Eine auch inhaltliche Neugestaltung der Kompetenzen war damit aber nicht verbunden. Sie war auch nicht beabsichtigt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs.16/2148, S. 54, 57).


    Eine Beschränkung der öffentlichen Berichterstattung auf solche Fälle, in denen die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Aktivitäten hinreichend gewichtig sind, ist anders als im Bundesrecht durch die Landesgesetzgebung nicht erfolgt. Eine solche Beschränkung ist aber in verfassungskonformer Auslegung, nämlich zum Schutz des Grundrechts einer betroffenen Partei aus Art. 21 Abs. 1 GG, in die Vorschrift des § 3 Abs. 3 und 1 VSG NRW hinein zu lesen.



    ee) Die Auffassung, es müsse zwischen der Informationssammlungsseite und der Berichterstattungsseite unterschieden werden, ist grundsätzlich zutreffend. Allerdings sind die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes auf der Berichterstattungsseite höher als auf der Informationssammlungsseite und nicht umgekehrt (vgl. Brandt in: Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, Seite 1735).


    (1) Dies gebietet der grundgesetzliche Schutz der von einer Veröffentlichung betroffenen Partei. Die Befugnis des Verfassungsschutzes, eine Partei in der Sache als „Prüffall“ zu bearbeiten, bedeutet eben nicht, dass diese Einstufung als „Prüffall“ auch veröffentlicht werden darf. Die Konsequenzen der Sammlung von allgemein zugänglichen Informationen über eine Partei ohne den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel durch den Verfassungsschutz sind weniger gravierend als die Veröffentlichung des Umstandes, dass der Verfassungsschutz prüft, ob ein „Verdachtsfall“ vorliegt. Deshalb sind an die Befugnis zur Veröffentlichung eines „Prüffalles“ höhere Anforderungen zu stellen als an die Befugnis zur Prüfung selbst. Das Gewicht des Eingriffs in die freie Betätigung einer Partei ist ein anderes, je nachdem, ob über sie (nur) behördenintern Informationen gesammelt werden sollen oder ob bereits vor dem Ergebnis dieser Arbeit die Öffentlichkeit über eventuelle Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unterrichtet werden soll, die von der Partei ausgehen, (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 – 6 C 22/09 -, Rz. 31; zitiert nach juris).


    (2) Die gefundene Auslegung widerspricht auch nicht dem Schutzzweck des § 3 Abs. 3 VSG NRW. Der Verfassungsschutz dient zwar in einer wehrhaften Demokratie als „Frühwarnsystem“ hinsichtlich Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Öffentlichkeit muss daher frühzeitig über verfassungsfeindliche Bestrebungen informiert werden, um sich damit auseinandersetzen zu können. Jedoch ist dies nur in den gesetzlich umschriebenen Grenzen zulässig. Das Verfassungsschutzgesetz NRW erlaubt in §§ 1 Satz 3, 3 Abs. 3, 5 Abs. 7 eben erst eine Berichterstattung über „Verdachtsfälle“. Auch in den „Verdachtsfällen“ steht schließlich nicht endgültig fest, ob eine Organisation verfassungsfeindlich ist oder nicht. Vielmehr dient insbesondere der Einsatz nachrichtendienstlicher Erkenntnismittel erst der Beantwortung dieser Frage. Gleichwohl ist auch in den „Verdachtsfällen“ eine Berichterstattung erst zulässig, wenn hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen belegen können. Eine Vorverlegung der Informationspflicht, bzw. des Rechts, die Öffentlichkeit zu informieren, in den Bereich der Prüfung, ob überhaupt die Voraussetzungen eines „Verdachtsfalles“ vorliegen, ist nicht zulässig, weil die Grundrechtspositionen des Beobachtungsobjektes dem entgegenstehen. Sie ist auch nicht notwendig, weil im Stadium der Prüfung noch keine ausreichend verdichtete Gefahrenlage für die freiheitliche demokratische Grundordnung besteht.


    (3) Im Übrigen sind Diskussionen über verfassungsfeindliche Bestrebungen in Teilen des BUW, bzw. über eine daraus folgende notwendige Beobachtung durch den Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit auch schon intensiv geführt worden, bevor die fraglichen Äußerungen gefallen sind. Es bedurfte der angegriffenen Äußerungen nicht, um eine angemessene politische Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit dem politischen Wirken des Landesverbandes des BUW zu ermöglichen oder zu fördern.



    ff) Die Information der Öffentlichkeit durch den Innenminister und den Leiter des Verfassungsschutzes wäre mithin nur dann zulässig gewesen, wenn hinreichend gewichtige, tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten der Antragstellerin zum Zeitpunkt der fraglichen Äußerungen vorgelegen hätten.


    Das war jedoch nicht der Fall. Anderenfalls hätte die Antragstellerin nicht als „Prüffall“, sondern als „Verdachtsfall“ bezeichnet werden müssen. Mangels Stellungnahme des Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass dem Landesministerium hinreichend gewichtige, tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten der Antragstellerin vorliegen. Sie wurde daher durch das Landesinnenministerium als „Prüffall“, nicht aber als „Verdachtsfall“ eingestuft. Dies schließt das Vorliegen hinreichend gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen zu jenem Zeitpunkt aus.




    3. Die Antragstellerin hat auch eine hinreichende Wiederholungsgefahr glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. November 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14).


    Dass weitere Eingriffe drohen, kann regelmäßig angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Denn im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von diesen Abstand zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 - juris, Rn. 34; Hessischer VGH, Beschl. v. 11. Juli 2017 - 8 B 1144/17 -, juris, Rn. 34, m. w. N.).




    4. a) Die Antragstellerin hat in Bezug auf den vorstehend bejahten Anordnungsanspruch auch einen Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Es ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu prüfen, ob es der Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.



    b) Gemessen daran ist die einstweilige Anordnung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden. Es liegen auch die strengen Voraussetzungen jedenfalls hinsichtlich einer zeitlichen Vorwegnahme der Hauptsache vor, da die gerichtliche Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes notwendig ist. Ein Verweis auf den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens würde die zu sichernden Rechte der Antragstellerin jedenfalls teilweise irreversibel vereiteln. Denn ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes bestünde die Gefahr, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden bzw. ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstünde, (vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Beschl. v. 17. Oktober 2017 - 4 B 786/17 -, juris Rn. 7).


    aa) Dazu wäre der Verweis der Antragstellerin auf nachträglichen Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen verbunden. Sollte das Landesministerium zukünftig durch unzulässige Äußerungen in die Rechte der Antragstellerin eingreifen, bedingt dies einen Schaden, der durch einen nachträglichen Widerruf nicht kompensiert werden könnte, weil die zugrundeliegende Äußerung andernfalls einer immer größer werdenden Öffentlichkeit bekannt würde.


    bb) Daran ändert auch nichts, dass die streitgegenständlichen Äußerungen bereits jetzt eine große Verbreitung durch zahlreiche Medien gefunden haben. Denn eine weitere Wiederholung der Äußerungen wäre geeignet, für eine weitere Verbreitung zu sorgen und würde den bereits eingetretenen Schaden dadurch vertiefen.


    Es ergibt sich auch nichts anderes aus dem oben genannten Umstand, dass die Antragstellerin selbst die Äußerungen des Landesministeriums verbreitet und kommentiert hat. Wenn es der Antragstellerin nicht verwehrt bleiben darf, sich zur Beeinflussung der politischen Auseinandersetzung zu den Äußerungen des Bundesamts zu äußern, folgt daraus auch, dass sie nicht auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden darf, zumal die bis dahin eingetretenen Schäden dann nicht mehr kompensiert werden könnten.



    c) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


    Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hält angesichts der Bedeutung der Äußerungen für die Antragstellerin einen Streitwert in der Hauptsache von 10.000 Euro für angemessen. Wegen der jedenfalls zeitlichen Vorwegnahme der Hauptsache hat das Gericht nicht - wie sonst in Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes üblich - lediglich die Hälfte des Streitwerts der Hauptsache festgesetzt.



    C.


    Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.



    Müller | Geissler | Thälmann | Siebert

    Vizepräsident des Obersten Gerichts