4 BvT 2/21 – Unzulässiger Antrag auf Unterlassung - BUW ./. W. McKenzie, andere politische Akteure

  • OBERSTES GERICHT

    – 4 BvT 2/21 –


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    IM NAMEN DES VOLKES



    In dem Rechtsstreit



    des Bundes Unabhängiger Wähler


    - Prozessbevollmächtigter: Herr Dr. Christian von Wildungen



    g e g e n



    1. Herrn William McKenzie
    2. alle anderen politischen Akteure



    über den Antrag,


    es den Beklagten zu 1. und 2. unter Androhung eines Bußgeldes zu untersagen, den Bund Unabhängiger Wähler rechtsradikal zu nennen,



    hat das Oberste Gericht – Vierter Senat –

    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsident Brandstätter,


    Müller,


    Thälmann



    am 10. Mai 2021 einstimmig beschlossen:



    Der Antrag wird abgewiesen.



    G r ü n d e :



    I.


    1. Kläger ist die Partei "Bund Unabhängiger Wähler", vertreten durch ihren Parteivorsitzenden Dr. Christian von Wildungen.



    2. Beklagter zu 1. ist Herr William McKenzie, Ministerpräsident von Thüringen und Mitglied der Partei "Liberales Forum". Der Beklagte zu 1. äußerte sich im Zuge einer Pressekonferenz am 21. April 2021 wie folgt über den Kläger:


    "[...] eine Auflösung der Koalition sollte erstmal keine Option sein, vor allem auf Grund der politischen Unsicherheit in Thüringen durch den rechtsextremen Bund Unabhängiger Wähler. [...] Ohne Gespräche einen solchen Entschluss zu ziehen und uns auf eine Ebene mit der rechtsextremen Partei BUW zu stellen, halten wir für ein äußerst fragliches Vorgehen. [...]"


    Beklagter zu 2. sind gemäß Wortlaut des Antrages "alle anderen politischen Akteure".



    3. Der Kläger beantragt, es den Beklagten zu 1. und 2. unter Androhung eines Bußgeldes zu untersagen, ihn "rechtsradikal" zu nennen.



    4. Die Beklagten verzichten, soweit die Klage zustellbar war (vgl. Abschnitt III. 3. c), auf Stellungnahme.



    5. Mit Schreiben vom 28. April 2021 hat das Oberste Gericht den Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass seine Klage möglicherweise den Begründungsanforderungen nicht genügt. Dieser verzichtete auf die Nachreichung einer eingehenderen Begründung.



    6. Auf Anfrage des Gerichts vom 4. Mai 2021 verzichtet der Kläger auf mündliche Verhandlung. Selbiges geilt für die Beklagten, soweit die Klage zustellbar war.




    II.


    Die Entscheidung ergeht aufgrund des Verzichts der Parteien auf mündliche Verhandlung gem. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung.




    III.


    Die Anträge sind unzulässig.



    1. Das Oberste Gericht ist gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 vDGB, § 6 Abs. 2 OGG für den Antrag zuständig.



    2. Der Zivilrechtsweg ist eröffnet. Kläger und Beklagter zu 1. sind auch partei- und prozessfähig. Die Prüfung der Partei- und Prozessfähigkeit der Beklagten zu 2. scheidet schon deshalb aus, da deren Identität nicht festgestellt werden kann (vgl. Abschnitt 3. a).



    3. Unzulässig ist die Klage schon, soweit der Kläger darauf abzielt, es den Beklagten zu 2., also "allen anderen politischen Akteuren" unter Bußgeldandrohung zu untersagen, ihn "rechtsradikal" zu nennen, da es sich bei den Beklagten zu 2. um keine taugliche Partei im Zivilprozess handelt.


    a) aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die Bezeichnung der Parteien enthalten. Dies erfordert zwar in der Regel seine namentliche Bezeichnung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1977 - VII ZR 167/76, NJW 1977, 1686). Ausnahmen sind aber denkbar. Wird eine Partei ohne Angabe ihres Namens nämlich so klar bezeichnet, dass keine Zweifel an ihrer Identität und Stellung aufkommen können und sie sich aus der Parteibezeichnung für jeden Dritten ermitteln lässt, so reicht dies aus (BGH ebenda; ferner BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 334; Kleffmann, Unbekannt als Parteibezeichnung, 1983, Seite 37; Mantz, NJW 2016, 2845, 2846).


    bb) Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. "Andere politische Akteure" können schließlich alle denkbaren in- und ausländischen Bürger sein, welche sich in irgendeiner Weise politisch betätigen. Es besteht auch kein durchgreifender Grund, die Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im vorliegenden Fall zu lockern. Es ist dem Kläger schließlich zuzumuten, jene Personen namentlich zu benennen, denen gegenüber er einen Unterlassungsanspruch geltend machen möchte. Die Begrifflichkeit "alle anderen politischen Akteure" ist zu abstrakt gefasst und schon einer Vollstreckung nicht zugänglich. Im konkreten Fall könnte nicht rechtssicher überprüft werden, ob tatsächlich ein Verstoß vorliegt. Genau diese Problematik führt zur Unzulässigkeit eines solchen Antrages (Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 09. Februar 2012 - 3 Ca 1203/11, Rn. 30).


    b) Die Zulassung eines Titels gegen ein unbestimmtes Kollektiv ist indes nicht mit der geltenden Rechtslage zu vereinbaren und scheidet schon ex ante aus, da für das Infragekommen eines Unterlassungsanspruches regelmäßig Wiederholungsgefahr bestehen muss; ergo muss eine Rechtsverletzung bereits eingetreten sein. Unstatthaft ist ein Antrag auf Unterlassung, dem kein konkreter Vorfall zugrunde liegt, der die Rechte des Kläger (möglicherweise) verletzt oder zumindest dazu geeignet erscheint diese zu verletzten. Soweit sich der Antrag gegen "andere politische Akteure" richtet, ist schon nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Unterlassungsanspruch überhaupt beruhen soll. Eine bereits eingetretene Rechtsverletzung erscheint hinsichtlich des Beklagten zu 1. zwar noch grundsätzlich möglich, scheidet jedoch jedenfalls aus, soweit der Antrag auf die Beklagten zu 2. zielt. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich und erfordert ein besonders qualifiziertes Rechtsschutzinteresse. Dies ist üblicherweise nur dann gegeben, wenn es dem Kläger nicht zuzumuten ist, den Eintritt des abzuwehrenden Ereignisses abzuwarten. Dass dies vorliegend der Fall sein soll, legt der Kläger jedoch nicht dar, mithin erscheint das Vorhandensein eines solchen besonderen Rechtsschutzinteresses vorliegend ohnehin ausgeschlossen. Der Kläger hätte daher zumindest konkret darlegen müssen, gegen welche Personen er die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruches erwirken möchte und dies im Einzelnen auf diese Personen, die er auch hätte namentlich benennen müssen, bezogen begründen.


    c) Ist die Partei, gegen die sich die Klage richten soll, in der Klageschrift nicht hinreichend bezeichnet, so scheidet mangels Identifizierbarkeit auch schon eine Zustellung der Klage an sie aus (vgl. Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 253 Rn. 191; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 253 Rn. 23). Dies war hinsichtlich der Beklagten zu 2. der Fall.



    4. Die Klage genügt, auch hinsichtlich des Beklagten zu 1., insgesamt offensichtlich nicht den Begründungsanforderungen.


    a) Wird eine Klage rechtshängig, die nicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht, also über keine oder eine unzureichende Begründung verfügt (siehe dazu Zöller/Greger, a.a.O., § 253 Rdnr. 10) und bessert der Kläger trotz eines Hinweises nicht nach, wird die Klage als unzulässig abgewiesen (OLG München, Endurteil v. 22.05.2019 – 15 U 148/19 Rae, Zöller/Greger, a.a.O., § 253 Rdnr. 23; Musilak/Voit/Foerste, ZPO, 16. Aufl., 2019, § 253 Rdnr. 26, 28; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 253 Rdnr. 20).


    b) Dies ist vorliegend der Fall. Der Klage fehlt es schon gänzlich an einer Begründung des begehrten Unterlassungsanspruches. Weder träger der Kläger vor, warum ein Stattgeben des Unterlassungsantrages geboten sein soll, noch auf welche Rechtsnormen sich dieser stützen könnte. Notwendig ist hierzu zwar keine umfassende Begründung, sondern lediglich ein Mindestmaß an Konkretisierung, welcher es dem Antrag jedoch bereits ermangelt. Der Kläger trägt insoweit nicht vor, inwieweit seine Rechte durch die Bezeichnung als "rechtsradikal" berührt sein könnten und welche Nachteile ihm dadurch entstehen würden. Er begründet auch nicht, warum seine politische Ausrichtung nicht als "rechtsradikal" sondern lediglich als rechts bzw. konservativ betitelt werden dürfe. Auf den Hinweis des Gerichtes, dass sein Antrag den Begründungsanforderungen möglicherweise nicht genüge, reagierte der Kläger nicht. Viel mehr verzichtet er auf Nachfrage des Gerichts auch auf eine mündliche Verhandlung, sodass er deutlich erkennen lässt, dass er an einer weiteren Begründung seines Antrages nicht interessiert ist. Die Klage ist demgemäß insgesamt als unzulässig abzuweisen.


    Das Urteil ist unanfechtbar.



    Brandstätter | Müller | Thälmann

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