[Debatte | Stellungnahme] BR/045 | Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mindestlohngesetzes

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    Geschätzte Kolleginnen und Kollegen,



    ich eröffne hiermit die Debatte über diesen Antrag auf Drs. BR/045, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, zu welchem der Bundesrat Stellung nehmen kann.



    Die Debattendauer beträgt drei Tage.


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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Herr Präsident,

    Geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

    Werter Herr Bundesminister,


    eines muss man Ihnen ja lassen, einen griffigen Untertitel haben Sie ja schon mal gefunden für den Gesetzentwurf, ich fürchte nur, der wird Sie nicht vor sprichwörtlichen Schlägen von Liberalen und Konservativen im Bundestag bewahren.


    Um auf den Entwurf einzugehen: Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war ein Erfolg für Deutschland, das steht außer Frage, es war aber auch ein Kompromiss - ein Kompromiss, wo man sich darauf geeinigt hat, dass eine dazu einzusetzende, möglichst unabhängige Kommission über die Höhe des Mindestlohns befindet und diesen auf einen angemessenen Betrag festsetzt. Die Bundesregierung kann demnach, so der Status quo, aufgrund eines Vorschlages dieser Mindestlohnkommission die Höhe des Mindestlohnes per Rechtsverordnung festlegen.


    Schaut man sich nun die Entwicklung des Mindestlohnes bisher an, stellt man fest, 2015 sind wir bei 8,50 Euro gestartet, nun, rund 6 Jahre später, im Jahr 2021, sind wir bei momentan 9,35 Euro, laut Kommission wären zurzeit 9,50 Euro bzw. ab Juli 9,60 Euro angebracht. Der Empfehlung der Kommission, bereits zum 1. Januar 2021 den Mindestlohn auf 9,50 Euro zu erhöhen, ist die orange-rote Regierung bedauerlicherweise nicht nachgekommen.


    Was sagt nun die Mindestlohnkommission? Die Mindestlohnkommission hatte empfohlen, den Mindestlohn bis 1. Juli 2022 in mehreren Schritten auf 10,45 Euro zu erhöhen. Was schlägt der vorliegende Entwurf vor? 9,50 Euro ab 1. Juli 2021, 10 Euro ab 1. Januar 2022, 11 Euro ab 1. Januar 2023. Ich erkenne da ehrlicherweise, zumindest bis ins Jahr 2023 keine großartige Veränderung, wenn man den Trend der Mindestlohnkommission um das halbe Jahr, bis 2023 fortführt. Danach soll der Mindestlohn jedoch weiter steigen um 1 Euro pro Jahr bis auf 13 Euro. Danach ergeben sich gleich mehrere Fragen, die ich hierbei gerne erörtern würde und den Bundesminister entsprechend bitte, diese zu beantworten:


    1. Warum entscheidet man sich nun für einen Bruch des Kompromisses der Mindestlohnkommission, der für die folgenden rund zwei Jahre keine Veränderung zugunsten der Arbeitnehmer*innen mit sich bringt? Das reale Risiko besteht doch nun, dass sich die Liberalen, bei einer etwaigen künftigen Mehrheit im Bundestag, auf diesen Mindestlohn stürzen werden, war die Kommission doch ein Kompromiss, der mit diesem Gesetzentwurf offenkundig gebrochen würde.


    2. Wie kommt die Bundesregierung zu dem Schluss, 13 Euro Mindestlohn seien angemessen und notwendig? Gewerkschaftliche Forderungen sprechen überwiegend von einer Lohnuntergrenze von 12 Euro. Warum sollen es nun bis 2025 13 Euro werden?


    3. Wie sieht die Bundesregierung die entstehenden Mehrbelastungen für Unternehmen durch die Mindestlohnerhöhung in der Pandemie? Besteht hierbei nicht die Möglichkeit, ohnehin schon krisengebeutelte Unternehmen noch weiter zu belasten, sodass diese endgültig aufgeben müssen?


    4. Mit dem Entwurf übergeht die Bundesregierung offenkundig die Empfehlungen der Mindestlohnkommission. Man macht sie damit schlicht überflüssig. Warum sieht der Entwurf dann nicht konsequenterweise auch eine Abschaffung dieser, nunmehr sinnlosen Kommission vor? Welche Aufgaben soll die Kommission den fortan übernehmen?


    Vielen Dank schon im Voraus für die Beantwortung der Fragen!

    Abschließend möchte ich noch eine Anmerkung tätigen: Der Herr Bundesminister gibt dem Gesetz den griffigen Untertitel "Klatschen-Reicht-Nicht-Gesetz". Und da haben Sie recht: Klatschen reicht nicht. Klatschen reicht aber auch nicht für Beschäftigte im Kurier-, Express- und Paketdienst, welche in der Corona-Pandemie quasi ebenso zu Alltagshelden geworden sind. In diesem Sektor nämlich sind viele Beschäftigte bei Sub-Unternehmen beschäftigt, viele dabei als Solo-Selbstständige, sodass keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Auch in der Fleischindustrie sind weiterhin tausende Mitarbeiter mit Werkverträgen bei Subunternehmen angestellt. Wenn wir schon einen allgemeinen Mindestlohn in Deutschland haben, dann sollte der, wenn wir ihn schon weiter erhöhen wollen, auch möglichst allen zustehen. Entsprechend wäre in diesen Bereichen auch endlich ein Verbot von Werkverträgen angebracht, auch hier sollten wir dringend tätig werden in Deutschland.


    Vielen Dank!



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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Herr Präsident,

    Herr Ministerpräsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,




    1. Diese Entscheidung war eine gemeinsame Entscheidung der Koalitionsparteien, an den Gesprächen waren Sie als Vorsitzender der Grünen beteiligt. Ihre Fragestellung ist zumindest etwas irritierend. Mein Ministerium und das Bundesministerium für Arbeit setzen diesen Punkt aus dem Koalitionsvertrag, den Sie mitverhandelt und unterzeichnet haben, nun gemeinsam um. Die Staffelung ergibt sich ebenfalls auf diesen Vertrag. Persönlich finde ich diesen Stufenplan auch zu langsam und hätte mir schnellere bessere Löhne gewünscht aber es scheiterte glaube ich am Koalitionspartner, wo wir an dieser Stelle wieder beim Kompromiss wären. Lassen Sie mich Ihnen ein anderes Beispiel aufzeigen. Der Kompromiss der Kohlekommission hat ein Ergebnis hervorgebracht, welches Ihre Partei in Frage gestellt hat. Der Kompromiss sollte wieder gebrochen werden und dafür gab es gute Gründe. Für einen höheren Mindestlohn gibt es gleichermaßen gute Gründe und ich kann nur hoffen, diese sind Ihnen noch bekannt.


    2. Berechnungen zu Folge reicht ein Mindestlohn von 12€ nicht aus, um vor Altersarmut zu schützen. Ein solcher Lohn oder alle alle Staffelungen darunter, führen dazu, dass Menschen später auch wieder in der Grundsicherung landen. Meinem Ministerium zufolge liegt der durchschnittliche Bruttobedarf von Empfängern der Grundsicherung im Alter derzeit bei 814 Euro. Um eine Nettorente oberhalb dieses Grundsicherungsniveaus zu erhalten, werden nach Angaben dieser Berechnungen 29,5 Rentenpunkte benötigt. Um dies bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden über 45 Jahre versicherungspflichtiger Beschäftigung hinweg zu erreichen, wäre aktuell rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 Euro erforderlich. Demzufolge, 12€ reichen leider nicht aus.


    3. Die Bundesregierung sieht in dieser Richtung keine Gefahr. Aktuell beträgt der Mindestlohn 9,35€ und wird zum 01.06.2021 um gerade mal 0,15€ erhöht. Die Bundesregierung unternimmt weiterhin alles, um unsere Wirtschaft, flankiert mit sehr vielfältigen und umfassenden Hilfsprogrammen, nicht im Stich zu lassen. Wenn Sie hier gute faire Löhne und Wirtschaftlichkeit gegeneinander ausspielen wollen, dann finde ich das sehr bedauerlich. Die Bundesregierung steht für gute Löhne und für Respekt.


    4. Die Mindestlohnkommission wird weiterhin ihre zentrale Rolle wahrnehmen, welche in der Beratung der Bundesregierung liegt. Sie analysiert die Auswirkungen des Mindestlohns auf die Wirtschaft, spricht Empfehlungen aus. Allein der letzte Bericht an die Bundesregierung hat über 180 Seiten umfasst, auf diese Expertise werden wir selbstverständlich nicht verzichten. Es war nie Aufgabe der Kommission den Mindestlohn zu anzupassen, dies kann nur die Bundesregierung.


    Was die Werkverträge betrifft, darüber müssen Sie mit dem Arbeitsminister sprechen.


    Vielen Dank.

  • Herr Präsident,

    Werte Damen und Herren,

    Herr Bundesminister,


    vielen Dank erstmal für die Beantwortung der Fragen, auf welche ich gerne noch einmal eingehe:


    1. Diese Entscheidung war eine gemeinsame Entscheidung der Koalitionsparteien, an den Gesprächen waren Sie als Vorsitzender der Grünen beteiligt. Ihre Fragestellung ist zumindest etwas irritierend. Mein Ministerium und das Bundesministerium für Arbeit setzen diesen Punkt aus dem Koalitionsvertrag, den Sie mitverhandelt und unterzeichnet haben, nun gemeinsam um. Die Staffelung ergibt sich ebenfalls auf diesen Vertrag. Persönlich finde ich diesen Stufenplan auch zu langsam und hätte mir schnellere bessere Löhne gewünscht aber es scheiterte glaube ich am Koalitionspartner, wo wir an dieser Stelle wieder beim Kompromiss wären. Lassen Sie mich Ihnen ein anderes Beispiel aufzeigen. Der Kompromiss der Kohlekommission hat ein Ergebnis hervorgebracht, welches Ihre Partei in Frage gestellt hat. Der Kompromiss sollte wieder gebrochen werden und dafür gab es gute Gründe. Für einen höheren Mindestlohn gibt es gleichermaßen gute Gründe und ich kann nur hoffen, diese sind Ihnen noch bekannt.

    Vielen Dank, ich wollte diesbezüglich nur Ihre Einschätzung zu dem Risiko, dass bei künftigen nicht Mitte-links-Mehrheiten der Mindestlohn dann unter dem Vorwand des Bruches des Kompromisses komplett über Bord geworfen werden könnte, Sie sehen das offensichtlich nicht. Dieses Risiko habe ich auch schon während der Verhandlungen angesprochen, aber das können Sie ja nicht wissen, von da her sehe ich Ihnen das nach.


    4. Die Mindestlohnkommission wird weiterhin ihre zentrale Rolle wahrnehmen, welche in der Beratung der Bundesregierung liegt. Sie analysiert die Auswirkungen des Mindestlohns auf die Wirtschaft, spricht Empfehlungen aus. Allein der letzte Bericht an die Bundesregierung hat über 180 Seiten umfasst, auf diese Expertise werden wir selbstverständlich nicht verzichten. Es war nie Aufgabe der Kommission den Mindestlohn zu anzupassen, dies kann nur die Bundesregierung.

    Sie verkennen mit dieser Aussage die Wichtigkeit der Mindestlohnkommission aber vollkommen. Die Anpassung des Mindestlohns ist zwar als Ausführungsakt Sache der Bundesregierung, die Mindestlohnkommission kann insoweit nicht für die Öffentlichkeit rechtswirksam die Höhe des Mindestlohns beschließen. Dennoch kommt ihr bei der Festlegung eine Bedeutung von essentiellem Gewicht zu, kann die Bundesregierung die Anpassung der Höhe des Mindestlohns nur "auf Vorschlag" der Mindestlohnkommission vornehmen. Sprich, ohne Vorschlag der Kommission keine Änderung des Mindestlohns. Es erstaunt mich ein wenig, dass die Mindestlohnkommission schon jetzt zu einem reinem Beratungsgremium degradiert wird, war dies doch nicht der originäre Sinn derselben bei ihrer Einführung.


    Gleichzeitig erschließt sich mir dennoch nicht, warum diese Kommission nun erhalten bleiben soll. Sie wollen also, dass die Mindestlohnkommission weiter fröhlich über die Anpassung des Mindestlohnes beschließt, aber gleichzeitig dieser Empfehlung keine Beachtung schenken, weil der Mindestlohn ohnehin schon gesetzlich festgeschrieben ist. Wenn man schon an der Kommission festhalten möchte, dann sollte man die auch konsequenterweise zu einem solchen reinen Beratungsgremium umfunktionieren.


    Was die Werkverträge betrifft, darüber müssen Sie mit dem Arbeitsminister sprechen.

    Sehr gerne. Ohnehin habe ich nicht ganz verstanden, warum der Wirtschaftsminister sich plötzlich auch mit dem Mindestlohn beschäftigt. Das Thema verlagere ich aber aus praktischen Gründen auf eine andere Debatte.

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    Anfragen können hier eingereicht werden.



  • Der Freistaat Bayern hat die Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf beantragt. Die Abstimmung hierüber wird im Anschluss an diese Debatte eingeleitet.



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    Anfragen können hier eingereicht werden.


  • Die Debatte ist beendet, die Abstimmung über die Abgabe der Stellungnahme wird eingeleitet.



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    Anfragen können hier eingereicht werden.