[PM] Altbundespräsident Stief zu den Vorfällen des Tages

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    Büro Bundespräsident a.D. Leo Stief

    Deutscher Bundestag

    Platz der Republik 1

    11011 Berlin



    Das Büro von Altbundespräsident Leo Stief veröffentlicht die nachstehende Stellungnahme des ehemaligen Bundespräsidenten:


    „Die Ereignisse des heutigen Tages beenden zwangsläufig eine Zeit des Schweigens, in der ich es seit dem Ende meiner Amtszeit vor sieben Wochen der Tradition folgend für angemessen hielt, die Amtsführung meiner Nachfolgerin nicht durch Kritik aus dem Abseits zu beeinträchtigen. Ich habe Frau Yersin aufrichtig viel Erfolg gewünscht und ihr wie viele andere Menschen in unserem Land die Chance gegeben, eine gute Bundespräsidentin zu werden.


    Die Entscheidung der Bundespräsidentin, dem Deutschen Bundestag im Februar die Wahl eines aussichtslosen Kandidaten zum Bundeskanzler vorzuschlagen und somit ihr einziges Instrument zur Begleitung und Förderung der Regierungsbildung leichtfertig zu verwirken, verstärkte in mir einen Zweifel, der erstmals aufgekommen war, als die Bundespräsidentin noch vor dem ersten Kanzlerwahlgang öffentlich die Option einer Neuwahl des Deutschen Bundestages ins Spiel gebracht und den eindeutigen Leitgedanken der grundgesetzlichen Bestimmungen, die vorzeitige Neuwahlen nicht ohne Grund erheblich erschweren, damit erstmals klar verlassen hatte.


    Die heutige, allein mit eigenen, nicht näher ausgeführten Erkenntnissen begründete Weigerung der Bundespräsidentin, ihrer Pflicht gemäß den vom Deutschen Bundestag gewählten Kanzler zu ernennen, sowie der darauf beruhende Versuch einer Parlamentsauflösung verkörpern einen Akt höchster Missachtung gegenüber dem einzigen vom deutschen Volk direkt gewählten Verfassungsorgan. Es handelt sich um die größte Gefahr für die Prinzipien des Grundgesetzes und die Stabilität unserer Demokratie, die jemals von einem Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen ist.


    Ohne der zweifellos bevorstehenden juristischen Klärung der Sachverhalte im Einzelnen vorzugreifen, verurteile ich die langanhaltenden und gefährlichen Versuche der Bundespräsidentin, die Bildung einer von der Mehrheit der gewählten Abgeordneten getragenen Bundesregierung zu behindern, auf das Schärfste.“