AKTUELLE STUNDE V/011| Impfstoffmangel, Mutationen und Amtsführung der Bundesgesundheitsministerin

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    AKTUELLE STUNDE DRUCKSACHE V/011

    Die Aktuelle Stunde dauert 3 Tage.



  • Der stellvertretende Ministerpräsident und Gesundheitsminister des Freistaates Thüringen, Elias Jakob Lewerentz, sitzt auf der Bundesratsbank und begibt sich pünktlich zur Aktuellen Stunde zu Beginn zum Rednerpult.


    Sehr geehrter Herr Präsident,

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    es ist unüblich, dass ein Ländervertreter eine aktuelle Stunde beginnt. Ich bin meinen Kollegen im Bundestag, Frank Weber und Emmi Seidel, sehr dankbar, dass sie mir die Chance geben hier und heute als erster zu Ihnen sprechen zu dürfen. Wir haben in den vergangenen Wochen eine nie dagewesene Situation erlebt. Dabei passieren Fehler, es passieren Fehleinschätzungen und manchmal liegt man so daneben, dass man sich öffentlich entschuldigen und korrigieren muss. Ich habe dafür vollstes Verständnis, dass nicht alles so läuft, wie man sich das vorgestellt hat. Ich bin ungerne so deutlich, aber in diesem Fall muss man einfach sagen. Das war kollektives Versagen im Bundesgesundheitsministerium und wenn man dann eine Anfrage stellt und endlich mal Licht ins Dunkel bringen möchte, wird man mit selbstgefälligen Antworten abgespeist. So etwas habe ich jedenfalls noch nicht erlebt. Ich frage mich: Frau Kanis, in welchem Paralleluniversum leben Sie, um solche Beantwortungen von Anfragen vornehmen zu können? Planlos. Ziellos. Überfordert. Ich möchte gemeinsam mit Ihnen die Chronologie des Scheiterns aber noch einmal näher beleuchten.


    Bundesgesundheitsministerin Kanis hat zum letzten Mal am Neujahrstag öffentlich zu den Menschen gesprochen. Da wurde die erste Impfung verabreicht in Halberstadt. Lassen Sie mich direkt eines mal ganz klar sagen: Ich erwarte keine täglichen Updates aus dem Ministerium und ich erwarte auch nicht, dass die Ministerin jede Impfung kommentiert. Das wäre völlig verwegen und vermessen. Das kann sie nicht und das kann auch niemand anderes. Aber wir haben ja überhaupt keine Informationen mehr erhalten? Wie steht es um die Impfstoffe anderer Hersteller? Kein Kommentar zum Zulassungsverfahren bei AstraZeneca. Kein Kommentar zu Impfstoffkürzungen bei AstraZeneca, Moderna und Biontech. Nur auf Nachfrage durch das Parlament und die geschätzten Kollegen Seidel, Weber und Friedländer hat der Bundestag überhaupt etwas zum Impfen erfahren. Keine Pressemitteilungen, keine Kurzinformationen, kein gar nichts. Dann kann einfach auch mal sagen, dass man die Informationsstrategie in den Sand gesetzt hat. Das wäre angemessene Selbstkritik gewesen. Dann hätte hier niemand eine Aktuelle Stunde beantragen müssen. Dass Bundesgesundheitsministerin Kanis aber allen Ernstes glaubt, dass ihre Informationspolitik gut und angemessen gewesen ist, das ist wirklich ein Treppenwitz in dieser Chronologie des Scheiterns. Das kann es nicht sein. Das muss besser werden und wenn Bundesministerin Kanis das nicht versteht und das nicht umsetzen möchte und ihre bisherige Strategie für gut und richtig befindet, dann muss ich ganz ehrlich sagen, Frau Kanis, dann sind Sie auf diesem Posten falsch.


    Wenn das schon alles wäre, könnte man das noch irgendwo abtun. Dann wäre das nur eine katastrophale Informationsstrategie. Aber nein, das war es ja noch nicht. Wenn Sie weiterhin so schlecht informieren, wie bislang, können Sie natürlich damit rechnen, dass hier alle Beteiligten weiter munter Anfragen an Ihr Haus stellen. Wenn Sie natürlich proaktiv informieren, könnte man ja sogar fast meinen, dass Sie dann gar keine Anfragen mehr hätten, weil Sie die Bevölkerung ja informieren. Es ist abgehoben und ein Zeichen einer sehr selektiven, fast schon elitären Amtsführung zu meinen, man können sich die Informationen ja anderswo holen, Sie haben da schließlich keine Zeit für. Wofür haben Sie dann Zeit, Frau Kanis? Für Mutationen haben Sie ja schließlich auch keine Zeit. Die KonP-Fraktion hat Sie gefragt, was Sie von verstärkten Sequenzierungen halten, um zu erfahren, inwieweit die Mutationen in Deutschland verbreitet sind. Da sagen Sie tatsächlich, dass Sie das machen, wenn Sie das für richtig halten. Lassen Sie mich Ihnen helfen: Es ist richtig! Es ist notwendig! Es ist dringend geboten! Wir müssen jetzt endlich mehr Sequenzierungen veranlassen. Haben Sie da auch keine Zeit für? Für was haben Sie eigentlich Zeit?


    Scheinbar haben Sie auch keine Zeit, um sich mit der Gefährlichkeit der Mutationen zu beschäftigen. Frau Kanis, man kann ja auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hören, aber dann kann man doch nicht zu Ihrem Ergebnis kommen? Wie ist das denn möglich? Das ist einfach Humbug, was Sie da erzählen. Darauf hat mein Kollege Wilhelm von Eichendorff und meine Kollegin Kathrin Hirsch schon hingewiesen. Wie können Sie sich dann hier hinstellen und sagen: Ja, die Krankenhäuser könnten natürlich überlaufen werden, aber das ist dann eine Folge aber keine höhere Gefahr? Wie definieren Sie eigentlich Gefahr? Ich sage Ihnen, was das in der Bevölkerung auslösen wird. Wir müssen die Maßnahmen wahrscheinlich noch mal verlängern. Das müssen wir, weil diese Mutation brandgefährlich ist. Dann wirkt es Gift, wenn Sie hier herumschwurbeln. Es wird hängen bleiben, dass die Bundesgesundheitsministerin die Mutation nicht für gefährlicher hält. Wie sollen wir dann weitere Maßnahmen erklären? Ich kann niemandem erklären, dass für den Fall weiter sinkender Inzidenzen ein Lockdown verlängert wird, wenn die Mutation, wegen derer wir uns sorgen machen, doch angeblich nicht gefährlich oder gefährlicher sei? Das ist wirklich eine ganz merkwürdige Logik. Die Mutationen gefährden jeglichen Fortschritt. Es ist nämlich nicht gesagt, dass es bei den drei Varianten aus Südafrika, Großbritannien und Brasilien bleibt. Wir müssen jetzt endlich aktiv werden und uns darum kümmern, dass wir schneller impfen, dass wir die Verbreitung der Varianten verhindern. Dass Sie im Übrigen mit solcher Absolutheit verkünden, dass die Mutation nicht gefährlicher sei, ist auch Quatsch. Wir wissen schon von erhöhten Transmissionsraten, zur Letalität liegen momentan Erkenntnisse, aber keine abschließenden Fakten vor. Nur eine geringfügige Erhöhung der Letalität würde dramatische Folgen haben, das könnte jeden Fortschritt gefährden. Dann hätten wir es wahrlich mit einem Killer-Virus zu tun und dann haben wir alle miteinander ein Problem. Ich will dieses Problem nicht haben und vor allem will ich dieses Problem nicht haben, wenn es hätte verhindert werden können. Wir brauchen mehr Sequenzierungen, besseres Monitoring und vor allem eine Bundesministerin, die die Gefahren und die dringliche und ihre kompromittierte Lage erkennt.


    Stichwort Zero Covid. Ich halte von ZeroCovid nicht viel. No-Covid-Strategien, wie die von Melanie Brinkmann und ihren Kolleginnen und Kollegen, verdienen aber gehört zu werden. Haben Sie eigentlich Zeit sich mit diesen Strategien zu beschäftigen? Wir müssen also lernen mit COVID zu leben, aber wir brauchen die absolute Kontrolle. Okay und wie stehen jetzt zu No-Covid oder Zero-Covid? Da haben Sie nichts zu gesagt. Sie haben scheinbar einfach so getan, als bräuchte man diese Antwort nicht geben. Sie geben keinen Fahrplan, keine Perspektive, keine Marschrichtung. Das ist alles nicht gut. Das ist alles problematisch.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    es ärgert mich, dass ich mich ärgern muss. Ich möchte hier eigentlich gar nicht reden. Ich verstehe vieles. Ich verstehe, dass man vielleicht nur einmal die Woche knappe Updates geben kann. Ich verstehe, dass man nicht alles immer sofort monitoren und schaffen kann. Ich verstehe das. Aber ich verstehe nicht, dass man dann nicht die notwendige Selbstkritik übt. Dann lassen Sie uns ehrlich sein, Frau Kanis. Lassen Sie uns ehrlich einordnen, was alles nicht gelaufen ist. Sich aber hier hin zustellen und zu behaupten, ihre Amtszeit sei gut gewesen, gute Arbeit, gute Informationsstrategie, gute Eindämmung der Pandemie - das ist alles falsch. Lassen Sie uns ehrlich aufräumen. Wir brauchen keine persönlichen Animositäten und keine persönliche Selbstbeweihräucherung. Wir brauchen eine Lösung für Impfstoffmangel, eine Lösung für die Varianten des Virus und eine Lösung für bessere Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.


    So geht es nicht weiter. Auf keinen Fall!

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    Elias Jakob Lewerentz

    Landtagsabgeordneter für den Saale-Holzland-Kreis I

    Landtagspräsident des Thüringer Landtages

    Stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Thüringen

    Landesminister für Gesundheit und Soziales

    Mitglied der Konservativen Partei (KonP)

  • Sehr geehrter Herr Präsident,


    die KonP-Fraktion beantragt eine Debattenverlängerung. Das Schweigen der Regierung zu diesem Thema ist skandalös.


    Vielen Dank.

  • Elke Kanis

    Hat den Titel des Themas von „AKTUELLE STUNDE | Impfstoffmangel, Mutationen und Amtsführung der Bundesgesundheitsministerin“ zu „AKTUELLE STUNDE V/011| Impfstoffmangel, Mutationen und Amtsführung der Bundesgesundheitsministerin“ geändert.