Debatte V/01|Entwurf eines Gesetzes über die Hygienemaßnahmen im ÖPNV und in öffentlichen Einrichtungen

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    es folgt die Debatte über den Entwurf eines Gesetzes über die Hygienemaßnahmen im ÖPNV und in öffentlichen Einrichtungen. Die Debatte dauert 48 h.



  • Herr Präsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    dieser Antrag ist eine absolute Notwendigkeit um weiteren Schaden von der bayerischen Bevölkerung abzuwenden. Der erschreckenden Inzidenzwerte des RKI zeigen, dass wir die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weiter verschärfen müssen. Derzeit haben wir in vielen Landkreisen noch immer einen Inzidenzwert oberhalb der 200-Marke feststellen müssen. Jeder Tote ist ein Toter zu viel. Ich bin in dieser schweren Zeit gedanklich bei den vielen Familienmüttern, die am nächsten Morgen aufwachen und ihren leblosen Gatten im Bett neben sich auffinden und ich denke an die vielen Kinder, die möglicherweise ohne ihren Vater oder Mutter aufwachsen müssen. Es ist unsere gemeinsame Pflicht sich mit einer Kraftanstrengung dieser Pandemie entgegenzustellen und diesen Spuk durch wirkende Hygienevorschriften zu verlangsamen und anschließend mit Massenimpfungen vollständig zu beenden. Ich appelliere daher an das Gewissen aller Mitglieder in diesem Hause. Sehen wir nicht tatenlos zu, sondern handeln wir!


    Ich bedanke mich.

    2 Mal editiert, zuletzt von Carsten Müller ()

  • Sehr geehrter Herr Präsident,

    sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,


    zunächst einmal möchte ich das Forum loben, dass es nicht weiter seine Macht als Alleinregierung ausnutzt um den Landtag zu umgehen, sondern sich der Debatte stellt. Zum Antrag muss gesagt sein: Ihre Intention ist löblich, denn in der Tat bestaht angesichts der aktuellen Infektionszahlen höchster Handlungsbedarf. Der naheliegendste Schluss ist tatsächlich eine FFP2-Maskenpflicht, denn diese Masken schützen nicht nur das Umfeld sondern auch den Träger selbst (unter der Vorraussetzung, dass die Maske richtig getragen wird).


    Das große Problem ist jedoch die Umsetzbarkeit. FFP2-Masken sind nur einmalig verwendbar und kosten zwischen 6 und 9 Euro pro Stück. Für jeden Einkauf und jede Busfahrt 6 Euro obendraufzuzahlen, können und wollen sich die meisten nicht leisten. Wenn wir die Menschen nicht als Freistaat unterstützen, werden die Menschen ihre Masken also länger und öfter tragen, als es medizinisch sinnvoll ist. Doch die FFP2-Maske wird dann nicht mehr richtig schützen und es wird wieder mehr Infektionen geben.


    Eine Kostenübernahme durch den Freistaat kann aber auch keine Lösung sein. Die 350.000€ pro Monat sind als Bezuschussung utopisch angesetzt und viel zu niedrig. Die niedersächsische Grünen-Politikerin Kotting-Uhl hat erst kürzlich vorgerechnet, dass damit ca. 4.000 Masken pro Tag bayernweit zur Verfügung stünden. Tatsächlich wird die Zahl wahrscheinlich noch weiter darunter liegen, in jedem Fall langt das angesetzte Budget hinten und vorne nicht.


    Wie Sie schon festgestellt haben, gibt es in Bayern unzählige Landkreise, deren Inzidenzwert über einer Marke von 200 liegt. Jedoch genauso Land- und Stadtkreise, die seit Monaten eine vergleichsweise niedrigere Inzidenz aufweisen, da dort die beschlossenen Maßnahmen zu funktionieren scheinen. In der Eingangsphase hilft es nicht pauschal drüberzuregieren, sondern feine Unterschiede wahrzunehmen um unsere Systeme dadurch zu entlasten. Deshalb würde ich vorschlagen, die FFP2-Maskenpflicht durch die bisherige Maskenpflicht zu ersetzen, wenn der Inzidenzwert des betreffenden Landkreises 7 Tage in Folge ausnahmslos unter einem Wert 100 liegt und das Landratsamt die Lockerung offiziell beschließt.


    Und zuletzt: Ja, wir haben einen äußerst hohen Handlungsbedarf, jeder Tag, jede Stunde stehen Menschenleben auf dem Spiel. Das ist außer Frage. Führen wir die Maskenpflicht auf einen Schlag ein, führt das zu einem Sturm auf unsere Apotheken mit Schlangen und Menschenansammlungen. Das müssen wir verhindern. Wir müssen geordnet an die Sache herangehen und den Menschen genug Zeit geben, genügend Masken zu besorgen und den Apotheken Zeit, diese bereitzustellen. Alles andere würde uns ins Chaos stürzen. Wenn wir das Gesetz beschließen, dann lassen Sie es uns zumindest erst eine oder anderthalb Wochen später Wirkung entfalten lassen.


    Die Gesundheitsexperten in Deutschland und Bayern sind sich einig. Das Gebot der Stunde lautet nach wie vor: Abstand, Abstand, Abstand. Daher appelliere ich nicht nur als Sie geehrte Mitglieder des Landtags, sondern auch an alle Bayerinnen und Bayern:


    Bitte vermeiden Sie jeglichen Kontakt und halten Sie Abstand.


    Sie retten damit Leben, Ihr eigenes und das Ihrer Familie. Bleiben Sie gesund!

    Vielen Dank!

  • Geht zum Redner Pult und trinkt einen Schluck und fängt an

    Herr Präsident,

    Geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

    Herr Müller,


    ich teile die Ausführungen der Kollegin Hirsch in großen Teilen. FFP2-Masken schützen sowohl einen selbst als auch andere effektiver vor Ansteckungen, als es herkömmliche chirurgische Masken etwa tun. Das ist unbestritten und natürlich kann eine solche Maskenpflicht die Infektionszahlen, wohl auch recht wirkungsvoll, verringern.


    Aber wir müssen auch den Aspekt der Verhältnismäßigkeit betrachten. Ist es beim derzeitigen Infektionsgeschehen vertretbar und verhältnismäßig, eine solche Maskenpflicht einzuführen, wo eine einzige Maske, welche im Normalfall täglich gewechselt werden muss, wie bereits gesagt mehrere Euro kostet? Rechnen wir uns das mal durch: Nehmen wir eine Beispielfamilie – zwei berufstätige Elternteile, zwei Kinder, die in die Schule gehen, sobald diese wieder öffnen. Wenn alle Familienmitglieder die Öffis nutzen – gehen wir einmal großzügig von 20 Tagen pro Monat aus – dann sind dies bei nur 6 € Kosten pro Maske und täglichem Wechseln: 4 mal 20 mal 6 – ich hab das mal vorbereitet: unfassbare 480 € monatlich. Diesen Betrag kann kaum eine Familie einfach mal so aus dem Ärmel schütteln, erst recht nicht jene, die ohnehin schon am unteren Existenzminimum leben.


    Sie schreiben in ihrem Antrag, Sie wollen Masken für Risikopatienten bereitstellen bzw. zumindest fördern. Erstens, ist die Menge an Masken, die Sie mit 350 Tausend Euro pro Monat überhaupt erwerben können lachhaft im Vergleich zu jener Menge, die sie tatsächlich benötigen würden, um alle Risikopatienten mit hinreichend vielen Masken zu versorgen. Zweitens, warum wollen Sie Risikopatienten solche Masken bereitstellen, „normalen“ Bürgen jedoch nicht, wenn die FFP2-Maskenpflicht doch für alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat gilt und nicht nur für Risikopatienten? Damit stellt Ihr Antrag im Übrigen wohl einen beachtlichen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes dar. Drittens, wenn Sie schon Masken bereitstellen wollen, dann müssen Sie dies doch bitte für die sozial schwächeren Menschen tun, für jene, die finanzielle Schwierigkeiten haben. Sie differenzieren hier jedoch nicht, schenken wohlhabenden Risikopatienten staatlich gekaufte Masken und lassen armutsgefährdende Familien ins offene Messer laufen. Das kann man von den sogenannten Liberalen so erwarten, ich bin dennoch enttäuscht über diese Ignoranz. Einen weiteren zu kritisierender Punkt stellt dann noch das Bußgeld dar, welches Sie mit 2500 Euro bemessen. Sie wollen also erstens arme Menschen, die sich FFP2-Masken gar nicht leisten können überhaupt nicht unterstützen und zweitens, ihnen dann auch noch ein saftiges Bußgeld aufdrücken, wohl als Strafe für das arm Sein.


    Übrigens ist allein schon der Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, nämlich der Tag der Verkündung desselben, absolut unpraktikabel. Wie stellen Sie sich das vor? Das Gesetz ist in Kraft und innerhalb von zwei Stunden haben alle Bayerinnen und Bayern einen FFP2-Masken-Vorrat für die nächsten paar Tage. Das ist fernab jeder Praktikabilität.


    Einen letzten Höhepunkt des Antrages setzen Sie dann noch mit dem Satz, dass jene Haushalte, in welchen sich keine Risikopatienten befinden, darum „gebeten“ werden, sich selbst FFP2-Masken zu besorgen. Erstens frage ich mich hier, was eine solche Bitte überhaupt in einem Gesetz verloren hat und zweitens: Sie können armutsgefährdete Menschen und Familien noch so viel darum bitten, wenn das Geld nicht da ist, werden sich diese auch keine solchen Masken leisten können.


    Die absolute Spitze des Populismus lassen Sie schlussendlich in Ihrer Rede folgen: Das Horrorszenario, das Sie hier beschreiben, wo Familienmütter aufwachen und ihren leblosen Ehemann neben sich finden, das ist Panikmache und sonst gar nichts. Verschwenden Sie Ihre Energie nicht mit solchen Parolen, die die Menschen mehr verschreckt als beruhigt. Setzen Sie diese Energie besser dafür ein, Ihren peinlichen Antrag noch einmal zu überdenken.


    Insgesamt offenbart dieser Antrag Vieles: Er offenbart, dass Sie offensichtlich in keiner Weise eine Ahnung von den Themengebiet haben, dass Sie offensichtlich kaum rechnen können, dass Sie offensichtlich das Grundgesetz nicht kennen und dass Ihnen arme Menschen offensichtlich egal sind und Sie absolut keine Rücksicht auf ihre Situation nehmen wollen.



    Damit bin ich am Ende meiner Rede angekommen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    ich begrüße es sehr, dass die Staatsregierung uns hier in unserem hohen Haus über eine Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie debattieren lässt. Es zeigt sehr schön das Bemühen der Staatsregierung den Landtag mehr in die Coronapolitik mit einzubeziehen. Der gute Wille ist klar erkennbar. Aber auch nicht mehr, denn die Debatte über die FFP2-Maskenplicht im öffentlichen Personennahverkehr und in öffentlichen Einrichtungen ist nur eine kleine Maßnahme der Coronapolitik.


    Nun komme ich also zum inhaltlichen Teil meiner Rede. Viele Mediziner und Virologen bestätigen die Wirksamkeit der FFP2-Masken. Diese Masken schützen nicht nur die Anderen, sondern auch einen selbst, was ein großer Unterschied zu den vorher verpflichtenden Alltagsmasken im ÖPNV. Viele Menschen nutzen Tag täglich den ÖPNV und finden sich dann währen der Rushhour dicht gedrängt in der U-Bahn, dem Bus oder der Straßenbahn wieder. Die große Nutzung des ÖPNV ist sehr wichtig für die Verkehrswende, die weiterhin notwendig ist, um CO2 Emissionen einzusparen. Die große Nutzung des ÖPNV ist aber coronatechnisch eine riesige Katastrophe, denn hier besteht auf Grund des engen Raums eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Folglich reduziert eine FFP2-Maske das Risiko einer Infektion deutlich. Deshalb ist der Plan der Staatsregierung eigentlich ganz vernünftig.


    Ich sehe aber ein großes Problem in der Unterstützung des Freistaats von Risikiopatienten. Es ist definitiv richtig, dass die vulnerablen Gruppen der Bevölkerung besonders geschützt werden. Aber was ist mit denen die sich keine FFP2-Maske leisten können. FFP2-Masken sind Einmalprodukte, sie werden ein Mal getragen und dann landen sie im Müll. Jetzt stellen wir uns einmal vor, dass ein Harzvierempfänger mit einem Satz von um die 450€ im Monat leben muss. Ein Harzvierempfänger muss auch einkaufen gehen und will vielleicht auch seine Termine bei der Agentur für Arbeit wahrnehmen. Wenn wir davon ausgehen, dass er in einem Monat ein Mal bei der Agentur erscheint und sieben Mal im Monat einkaufen geht, dann braucht er alleine schon acht Masken, was nach dem veranschlagtem Preis von Frau Hirsch, dann schon bei 46 € wären, die der Harzvierempfänger ausgeben müsste. Er würde also um die 10% seines Satzes schon alleine wegen den Masken ausgeben müsste und das wo der Harzviersatz schon ohne hin sehr eng bemessen ist. Der Schutz vor dem Coronavirus darf nicht zur Frage des Geldes werden. Jeder hat das Recht auf Unversehrtheit nicht nur die Reichen. Die Gesellschaft darf sich nicht noch weiterspalten, denn es sind die geringqualifizierten, die unter den Coronamaßnahmen am meisten leiden, denn die sind es die uns unsere Amazonpakete nach ins Homeoffice liefern und dabei kommen sie mit so vielen Menschen in Kontakt gekommen sind, wie wir seit Monaten nicht mehr. Wir müssen also auch bei der Verteilung von FFP2-Masken an diese Menschen, die sich den Konsum von vielen Masken nicht leisten können denken, damit sie nicht hinten runterfallen.


    Ich halte es für contra Produktiv, dass Gesetz direkt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten zu lassen. Eine Einführung der FFP2-Maskenpflicht von jetzt auf gleich, löst ein Run auf FFP2-Masken aus, ähnlich wie wir ihn im letzten Frühjahr auf Klopapier erlebt haben. Das war kein schönes Erlebnis und ein solches gilt es zu verhindern. FFP2-Masken sind, wenn alle gleichzeitig diese wollen, schneller Ausverkauft als wir FFP2-Maske sagen können ausverkauft. Um solche Szenen zu vermeiden, müssen wir der Bevölkerung, damit sie sich mit ausreichend Masken eindecken kann und den Herstellern der Maske, damit sie die Produktion erhöhen kann, genug Zeit geben.


    Der Gesetzentwurf ist im Kern eine gute Sache. Es muss eine Unterstützung für die Armen bei der Ausstattung mit FFP2-Masken einen Weg in dieses Gesetz finden und es muss der Bevölkerung noch etwas Zeit zur Einstellung auf dieses Gesetz gegeben werden.


    So oder so müssen wir aber unsere Kontakte einschränken und wir müssen weiterhin Abstände einhalten, um uns und unsere Mitmenschen besser schützen zu können.