XI 016 Debatte | Gesetzesentwurf "Hamburg testet Grundeinkommen"

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    Drucksache XI/016


    Debatte

    Gesetzesentwurf "Hamburg testet Grundeinkommen"


    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

    Auf Antrag des Senats debattieren wir heute folgenden Antrag:



    Die Debatte dauert zwei Tage und endet somit am Sonntag, 10.02.2024 um 22.30 Uhr.
    Das Wort hat der Erste Bürgermeister.

    Anschließend ist die Redner*innenliste offen

  • *tritt in seiner Position als Erster Bürgermeister ans Redner*innenpult, nimmt einen Schluck Wasser und beginnt dann mit seiner Rede*


    Werte Sitzungsleitung,

    geschätzte Senatsmitglieder,

    werte Kolleginnen und Kollegen,


    ich freue mich, dass wir, als Senat, Ihnen heute mit diesem Antrag etwas vorlegen können, was nicht nur eine Säule der sozialpolitischen Zukunftspläne der Regierungspartei, sondern auch ein besondere Herzensangelegenheit des Senats ist.

    Mit diesem Antrag werden wir nicht nur einen harmloses Forschungsversuch starten, sondern gegebenenfalls etwas schaffen was das Sozialsystem der gesamten Bundesrepublik für Generationen nach uns zum positiven revolutioniert.

    Lassen Sie mich Ihnen zu Beginn meiner Redezeit die Pro-Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen vorzustellen.

    Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Konzept, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat und viele positive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben könnte.


    Erstens ermöglicht ein bedingungsloses Grundeinkommen eine finanzielle Absicherung für alle Bürgerinnen und Bürger. Es würde jedem einzelnen Gesellschaftsmitglied ein festes Einkommen garantieren, unabhängig von ihrer Beschäftigungssituation. Dadurch könnten existenzielle Sorgen und finanzielle Unsicherheiten reduziert werden, was zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.

    Zweitens könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen die soziale Gerechtigkeit fördern. Es würde die Einkommensungleichheit verringern und allen Menschen die gleichen Chancen bieten, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund oder ihrer beruflichen Tätigkeit. Dies könnte zu einer faireren und inklusiveren Gesellschaft führen, in der jede und jeder die Möglichkeit hat, sein volles Potenzial auszuschöpfen.

    Des Weiteren kann ein bedingungsloses Grundeinkommen die Arbeitswelt revolutionieren. Es würde den Menschen die Freiheit geben, sich auf ihre persönliche Entwicklung, Weiterbildung oder ehrenamtliche Tätigkeiten zu konzentrieren, ohne sich ausschließlich auf bezahlte Arbeit und das Ausmaß der Bezahlung konzentrieren zu müssen. Dies könnte zu einer größeren Vielfalt an Berufen und einem höheren Maß an Kreativität und Innovation führen.

    Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass es das soziale Sicherungssystem vereinfachen könnte. Durch die Abschaffung vieler bestehender Sozialleistungen und Bürokratie könnten Verwaltungskosten gesenkt und Ressourcen effizienter genutzt werden. Dies würde zu einer effektiveren Verteilung der finanziellen Mittel führen.

    Abschließend lässt sich sagen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen viele positive Auswirkungen hat. Es könnte finanzielle Sicherheit bieten, soziale Gerechtigkeit fördern, die Arbeitswelt verändern und das soziale Sicherungssystem vereinfachen. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen und Herausforderungen, die bei der Umsetzung berücksichtigt werden müssen. Dennoch ist es wichtig, über innovative Lösungen nachzudenken, um unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln und das Wohl aller Bürgerinnen und Bürger zu fördern.


    Mit diesem Modellversuch wollen wir die direkten Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens auf unsere Bevölkerung erproben.

    Ähnliche Projekte, beispielsweise in Finnland, haben schon sehr positive Resultate hervorgebracht, weswegen der Senat sehr zuversichtlich den Ergebnissen des Versuchs entgegenblickt.


    Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und werbe für die Annahme des Antrags

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    Antrag auf Abweichung von der Geschäftsordnung gemäß § 16 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft in DRS XI 016


    Sehr geehrtes Präsidium,

    auf Grund der fortgeschrittenen Legislaturperiode beantragt die Fraktion der Internationalen Linken Hamburg mit ihren vier Mitgliedern, die sofortige Abstimmung in der Drucksache XI 016 und die damit verbundene Abweichung von der Geschäftsordnung gemäß § 16 GO.

    Wir bitten um Kenntnisnahme und Einleitung der administrativen Schritte.


    Mit hochachtungsvollen und antifaschistischen Grüßen


    Ernesto B. Dutschke, MdHB,

    Ella Löwenstein-Boum, MdHB,

    Enrico Meier, MdHB,

    Prof. Dr. Dr. Finn van der Speed, BBdHB

  • Stimmen Sie dem Antrag auf sofortige Abstimmung und der damit verbundenen Abweichung von der GO gemäß §16 GO zu? 1

    1. Ja (1) 100%
    2. Nein (0) 0%
    3. Enthaltung (0) 0%

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    Der Präsident


    Auf Antrag der vier Mitglieder der Fraktion Internationale Linke Hamburg, wird hiermit gemäß §16 unserer Geschäftsordnung über die sofortige Abstimmung in DRS XI 016 und die damit verbundene Abweichung von der Geschäftsordnung abgestimmt.
    Die Abstimmung dauert gemäß GO 24 Stunden und findet ohne vorhergehende Aussprache statt.
    Somit endet die Abstimmung am 11.02.2024 um 13.10 Uhr.

    Sollte der Antrag auf Abweichung von der Geschäftsführung keine 2/3-Mehrheit erlangen, wird die Debatte, auf Antrag der Berufenen Bürger Kamm und Grauweiler automatisch um 48 Stunden verlängert.

  • Wertes Landtagspräsidium,


    dem Antrag der regierungstragenden Fraktion ist entschieden zu widersprechen. Die Internationale Linke meint, einen komplexen, inhaltlich fehlerhaften Gesetzentwurf binnen eines Tages an der Opposition vorbei durch die Bürgerschaft "peitschen" zu können. Sie offenbart damit ein bemerkenswertes Demokratiemissverständnis. Ich weise das Präsidium in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Geschäftsordnungsantrag nicht imstande ist, Verfassungsrecht zu suspendieren. Ebendas wäre aber faktisch die Konsequenz, würde die parlamentarische Debatte antragsgemäß sofort beendet werden. Die damit verbundene Verhinderung der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs verletzt die Mitglieder der Bürgerschaft in ihrem aus Art. 7 Abs. 1 HmbVerf folgenden Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung. Dieses Recht schützt auch und gerade die parlamentarische Opposition und steht mithin nicht zur Disposition der Parlamentsmehrheit. Der verfahrensgegenständliche Antrag ist aus diesem Grund zurückzuweisen.

  • Wertes Landtagspräsidium,


    dem Antrag der regierungstragenden Fraktion ist entschieden zu widersprechen. Die Internationale Linke meint, einen komplexen, inhaltlich fehlerhaften Gesetzentwurf binnen eines Tages an der Opposition vorbei durch die Bürgerschaft "peitschen" zu können. Sie offenbart damit ein bemerkenswertes Demokratiemissverständnis. Ich weise das Präsidium in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Geschäftsordnungsantrag nicht imstande ist, Verfassungsrecht zu suspendieren. Ebendas wäre aber faktisch die Konsequenz, würde die parlamentarische Debatte antragsgemäß sofort beendet werden. Die damit verbundene Verhinderung der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs verletzt die Mitglieder der Bürgerschaft in ihrem aus Art. 7 Abs. 1 HmbVerf folgenden Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung. Dieses Recht schützt auch und gerade die parlamentarische Opposition und steht mithin nicht zur Disposition der Parlamentsmehrheit. Der verfahrensgegenständliche Antrag ist aus diesem Grund zurückzuweisen.


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    Der Präsident

    Sehr geehrter Herr Kollege Grauweiler,

    das Präsidium weist Sie an dieser Stelle höfflich darauf hin, dass wir im Parlament der Freien und Hansestadt Hamburg ein Bürgerschaftspräsidium und nicht wie von Ihnen angesprochen ein Landtagspräsidium haben. Wir bitten Sie darum, die Ansprache in zukünftigen Redebeiträgen anzupassen, um die Tradition unserer Stadt und unseres Hauses zu ehren.

  • Wertes Landtagspräsidium,


    ich bitte um Stellungnahme zu den von mir erhobenen Einwänden.

  • Wertes Landtagspräsidium,


    ich bitte um Stellungnahme zu den von mir erhobenen Einwänden.


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    Der Präsident

    Sehr geehrter Herr Kollege Grauweiler,

    Ich weise Sie erneut ausdrücklich daraufhin, dass das Präsidium nicht mit der Anrede "Landtagspräsidium" anzusprechen ist.

    Eine weitere derartige Anrede wird als despektierliche Anrede gegenüber dem Präsidium gewertet und kann gemäß § 3 Abs. 4 der GO mit einem Ordnungsruf geahndet werden.


    Zu den von Ihnen erhobenen Einwänden, verweist das Bürgerschaftspräsidium auf § 2 Abs. 2 der GO.

  • Wertes Landtagspräsidium,


    es ist bedauerlich, dass der Sitzungsleiter nicht dazu imstande ist, zu meinen erhobenen Einwänden substantiiert Stellung zu nehmen. Ich weise erwidernd auf § 7 Abs. 3 Satz 2 BürgGO HA hin. Danach sind mit der Verfassung unvereinbare Anträge - darunter fallen auch Anträge zur Geschäftsordnung - abzuweisen. Dem Präsidium kommt dabei kein Ermessen zu. Dass sich der Sitzungsleiter vehement weigert, zu diesen auf der Hand liegenden Bedenken Stellung zu nehmen, begründet erhebliche Zweifel an seiner Unparteilichkeit. Sollte das Präsidium nicht gewillt sein, die verfassungsmäßigen Rechte der Mitglieder der Bürgerschaft zu schützen, werden wir andere Möglichkeiten eruieren, um unsere Rechte durchzusetzen.


    Herzlichen Dank.

  • Wertes Landtagspräsidium,


    es ist bedauerlich, dass der Sitzungsleiter nicht dazu imstande ist, zu meinen erhobenen Einwänden substantiiert Stellung zu nehmen. Ich weise erwidernd auf § 7 Abs. 3 Satz 2 BürgGO HA hin. Danach sind mit der Verfassung unvereinbare Anträge - darunter fallen auch Anträge zur Geschäftsordnung - abzuweisen. Dem Präsidium kommt dabei kein Ermessen zu. Dass sich der Sitzungsleiter vehement weigert, zu diesen auf der Hand liegenden Bedenken Stellung zu nehmen, begründet erhebliche Zweifel an seiner Unparteilichkeit. Sollte das Präsidium nicht gewillt sein, die verfassungsmäßigen Rechte der Mitglieder der Bürgerschaft zu schützen, werden wir andere Möglichkeiten eruieren, um unsere Rechte durchzusetzen.


    Herzlichen Dank.


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    Der Präsident

    Sehr geehrter Herr Kollege Grauweiler,

    auf Grund der Missachtung der Anweisungen des Bürgerschaftspräsidiums rufe ich Sie zur Ordnung.


    Da die Debatte bis zum Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der I:L-Fraktion weder unterbrochen, noch in irgendeiner anderen Form eingeschränkt ist, steht es jedem Mitglied der Bürgerschaft frei sich zur Sache zu äußern.

    Dementsprechend weist das Präsidium Ihre Vorwürfe entschieden zurück und sieht das verfassungsmäßige Recht zur freien Ausübung des Mandats nicht eingeschränkt.

    Des weiteren heißt es in dem von Ihnen angesprochenen Verfassungsartikel ausdrücklich: "Die Abgeordneten sind Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden"

    Dementsprechend steht es jedem Mitglied der Bürgerschaft frei für oder gegen den vorliegenden Antrag zu stimmen.
    Eine Einschränkung der verfassungsmäßigen Rechte ist durch die bloße Abstimmung über den Antrag nicht gegeben.
    Sollte der Antrag die notwendige 2/3-Mehrheit erzielen, so liegt ein rechtmäßiger Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Abweichung von der Geschäftsordnung gemäß § 16 GO vor.

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    Der Präsident


    Ich gebe hiermit bekannt, dass die Regeldebattenzeit nun abgelaufen ist.
    Nach Rücksprache mit den Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaft, wird allerdings der Debattenzeitraum um 48 Stunden verlängert.


    Damit gilt der Antrag zur Abweichung von der GO, der I:L-Fraktion als zurückgez
    ogen.

  • Herr Präsident,

    liebe Landsleute,


    ich begrüße die Entscheidung der Parlamentsmehrheit, den unsäglichen Angriff auf die parlamentarischen Beratungsrechte einzustellen und zurückzukehren zu einem fairen Miteinander. Unser Protest und die große Demonstration für Demokratie hat offenbar Wirkung gezeigt. Die Rückkehr zur Vernunft kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Erste Bürgermeister bis zuletzt in völlig inakzeptabler und nicht zuletzt rechtswidriger Weise versucht hat, auf die außerparlamentarische öffentliche Meinungsbildung Einfluss zu nehmen. Unter Verstoß gegen die durch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung postulierte Neutralitätspflicht der Regierung hat der Bürgermeister in geradezu unverschämter Art die zahlreichen Teilnehmer unserer Demonstration für Demokratie über die amtlichen Kanäle der Regierung durch Falschbehauptungen herabgewürdigt. Wir werden uns gegen diese eklatante Amtspflichtverletzung juristisch zur Wehr setzen. Ich möchte aber auch an dieser Stelle deutlich machen, dass die Behauptung des Bürgermeisters, an der durch die Allianz angemeldeten Demonstration hätte eine Vielzahl von aus Süddeutschland angereisten Bürgern teilgenommen, schlicht falsch ist. An der Versammlung haben aufrechte Bürger unserer geliebten Stadt teilgenommen. Aus verschiedenen politischen Lagern stammend haben wir gemeinsam unsere Stimme für die parlamentarischen Beteiligungsrechte erhoben. Dass der Bürgermeister gegen Kritik mit bewussten Falschbehauptungen vorgeht, zeigt nur, dass er ein gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit hat. Ein großer Politiker würde die Kritik beherzigen oder über ihr stehen, der amtierende Bürgermeister greift demgegenüber zum Mittel der Diffamierung.


    Meine Damen und Herren,

    unser Land, ja, ganz Europa durchlebt schwierige Zeiten. In unserer Nachbarschaft tobt seit nunmehr fast zwei Jahren ein blutiger Angriffskrieg Russlands, unsere Sicherheit, unser freiheitliches Zusammenleben sind gefährdet und auch die heimische Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. In diesen schwierigen Zeiten müssen wir als Volk zusammenstehen und unsere Kräfte bündeln. Nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung werden wir unseren Wohlstand erhalten. Man könnte nur dankbar sein, wenn der Hamburger Senat diese Notwendigkeit erkennen und Vorschläge zur Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung vorgelegt hätte. Stattdessen aber wird diesem Hohen Haus ein unausgegorener und in sich widersprüchlicher Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem Arbeit unattraktiver und Arbeitslosigkeit attraktiver gemacht werden soll. Der Senat versucht - bildlich gesprochen -, einen Wasserschaden zu reparieren, indem er den Wasserhahn immer weiter aufdreht. Das kann nur schiefgehen.


    Die Rede des Bürgermeisters hat sich darin erschöpft, einen Beitrag zu der jahrzehntelang schwelenden Grundsatzdiskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen zu leisten. Das ist nicht verwerflich und doch hätte ich es begrüßt, wenn sich die Rede des Bürgermeisters auch mit dem vorgelegten Gesetzentwurf beschäftigt hätte. Der Senat schlägt im Kern vor, in Hamburg ein Pilotprojekt zur testweise Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens durchzuführen. Eine vierstellige Teilnehmerzahl soll wissenschaftlich begleitet einen bestimmten, im Gesetzentwurf oder der Senatsrede nicht bezifferten Geldbetrag für drei Jahre zur freien Verfügung erhalten - so jedenfalls die mutmaßliche Intention des Senats. Realiter enthält der Gesetzentwurf eine Reihe von Einschränkungen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass die die Auszahlungshöhe des "bedingungslosen" Grundeinkommens an das jeweils erzielte Einkommen geknüpft werden soll. Der aufmerksame Beobachter wird sich wundern. Ja, Sie haben richtig gehört: Der Senat möchte ein bedingungsloses Grundeinkommen erforschen und zu diesem Zweck ein unter Bedingungen stehendes Grundeinkommen einführen. Das klingt nicht nur widersprüchlich, es ist auch widersprüchlich. Der wissenschaftliche Mehrwert eines solchen Projektes dürfte gegen Null tendieren, denn bedingte Sozialleistungen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung.


    Warum aber steht das vermeintlich "bedingungslose" Grundeinkommen unter solch vielen Bedingungen? Meine Damen und Herren, es gibt zwei Erklärungen: Zum einen gesteht der Senat mit dieser Einschränkung ein, dass ein tatsächlich bedingungsloses Grundeinkommen nicht finanzierbar ist. Dazu werde ich später noch etwas sagen. Zum anderen sind diese Einschränkungen aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Arbeitslosenhilfe bundeseinheitlich durch Bundesgesetz geregelt wird. Die derzeitige - unterstützenswerte - Rechtslage hat insbesondere zur Folge, dass etwaige von der Stadt geleistete Grundeinkommenszahlungen an Sozialhilfempfänger auf die bestehende Sozialhilfe angerechnet wird (vgl. § 1a III 1 SGB II). Ein seinen Namen ernstnehmendes Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen führte mithin faktisch dazu, dass die Stadt Hamburg einen Teil der Sozialhilfeleistungen des Bundes übernehmen und den Bundeshaushalt auf Kosten der Hamburger Steuerzahler entlasten würde. Auch das kann nicht der Sinn der Übung sein. Es gibt also zwei Optionen für ein landeseigenes Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen: Entweder testet man ein tatsächlich bedingungsloses Grundeinkommen und entlastet so ohne Mehrwert den Bundeshaushalt auf Kosten der Hamburger, oder man führt - wie hier beabsichtigt - ein bedingtes Grundeinkommen ein und gewinnt keinerlei Erkenntnisse zu einem tatsächlich bedingungslosen Grundeinkommen. Ich halte keine der beiden Optionen für erstrebenswert.


    Angesichts dieses fundamentalen Konstruktionsfehlers können die weiteren Probleme des Gesetzentwurfs beinahe dahinstehen. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Gesetzentwurf an mehreren Stellen auf ein nach dem SGB II geleistetes "Bürgergeld" Bezug nimmt. Ein solches "Bürgergeld" ist unserer Rechtsordnung aber fremd. Ebenfalls ist die in der Antragsbegründung aufgestellte Behauptung, die Durchführung des Grundeinkommensprojekt würde zu Einsparungen im Sozialhaushalt führen, unzutreffend. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf werden bisher gewährte Sozialleistungen auf das bedingte Grundeinkommen angerechnet. Dem Staat entstehen mithin keine Einsparungen; vielmehr ist mit hohen Mehrausgaben zu rechnen.


    Meine Damen und Herren,

    der Bürgermeister hat sich in seiner Rede darauf beschränkt, vermeintliche Vorteile eines bedingungslosen Grundeinkommens hervorzuheben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und zu der grundsätzlichen Frage eines bedingungslosen Grundeinkommens Stellung nehmen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist weder bezahlbar noch - um im sprachlichen Duktus der Linken zu bleiben - sozial gerecht. Nach der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde das Staat finanzielle Leistungen nach dem Gießkannenprinzip auf jeden deutschen Landsmann verteilen. Ein Bürger aus Neubrandenburg bekäme ebenso hohe Leistungen wie ein in München wohnhafter Landsmann. Da das Grundeinkommen aber so bemessen sein muss, dass der in München lebende Bürger seine Miete und Lebenshaltungskosten bezahlen kann, profitierte der Neubrandenburger Landsmann ungleich mehr von einem bedingungslosen - also gleichen - Grundeinkommen für alle. Einzelne Bürger würden mithin durch den Staat überprivilegiert. Was daran "gerecht" sein soll, erschließt sich mir nicht. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte außerdem auch nicht berücksichtigen, dass in Mehrpersonenhaushalte Einspareffekte entstehen, die die insgesamt zum Leben erforderlichen finanziellen Mittel gegenüber einem Alleinstehenden pro Kopf verringern. Einfach gesagt braucht nicht jeder Bewohner eines Mehrpersonenhaushalts eine eigene Waschmaschine und einen eigenen Geschirrspüler. Auch diese Synergieeffekte könnte ein Grundeinkommen nicht angemessen abbilden. Über diese Probleme könnte man womöglich hinwegsehen, wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen die öffentlichen Haushalte tatsächlich entlasten würde - das Gegenteil ist jedoch richtig. Renommierte Wirtschaftswissenschaftler schätzen das Einsparpotenzial eines BGE auf rund 232 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige Summe. Diesem Einsparpotenzial stehen jedoch zur Finanzierung erforderliche Ausgaben von - konservativ gerechnet - etwa einer Billion, also 1.000 Milliarden Euro gegenüber. Um diese gewaltige Summe zu finanzieren, müsste die Steuerquote von etwa 41 % auf wenigstens 67 % steigen und diese Berechnung berücksichtigt noch nicht einmal den wahrscheinlichen, ich würde sogar sagen sicheren, Rückgang an arbeitswilligen Landsleuten. Wir sollten die Bürger nicht anlügen: Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist schlichtweg unfinanzierbar.


    Deutschland würde bei der Umsetzung linker Sozialfantasien zu einem Magneten für (arbeitsunwillige) Wirtschaftsmigranten - auch und v.a. aus kulturfremden Nationen. Auch die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit wird daneben zu einem Zuwandererstrom führen, den Deutschland nicht verkraften würde. Dagegen wird sich die Allianz immer stellen.


    Der Bürgermeister hat in seiner Rede zuletzt das in Finnland durchgeführte Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen als Vorbild benannt. Das verwundert, denn dieses Pilotprojekt wird weithin als gescheitert bewertet. Es kann für Deutschland kein Vorbild sein, dass arbeitslose Grundeinkommensempfänger nach Ende des Pilotprojekts weiterhin arbeitslos waren, wie es in Finnland der Fall war. Wir brauchen eine starke Wirtschaft und fleißige Arbeitnehmer, wie wir sie heute haben - nicht aber ein die Arbeitslosigkeit verwaltendes und verstärkendes Grundeinkommen. Ich verzichte an dieser Stelle, detailliert darauf hinzuweisen, dass die übrigen finnischen Studienergebnisse aufgrund von wissenschaftlichen Mängel kaum zu gebrauchen sind. Finnland ist mit seinem Pilotprojekt für uns kein Vorbild, sondern ein mahnendes Beispiel.


    Meine Damen und Herren,

    linke Parteien spielen sich gerne als die Kraft der sozialen Gerechtigkeit auf. Wer für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt, offenbart jedoch ein skurriles Verständnis von sozialer Gerechtigkeit. Die hart arbeitenden Bürger sollen arbeitsunwilligen Landsleuten das Leben finanzieren. Zumutbare Arbeit auf Kosten der Solidargemeinschaft zu verweigern ist aber nicht sozial, es ist asozial. Ein leistungsfähiges Sozialsystem ist - neben einer restriktiven Zuwanderungspolitik - nur überlebensfähig, wenn es das Bedürftigkeitsprinzip wahrt. Wir sind selbstverständlich bereit, krankheitsbedingt Arbeitsunfähige oder temporär Arbeitssuchende in der Not zu unterstützen. Wir sind aber nicht bereit, arbeitsfähige Menschen "durchzufüttern", damit sie ihr Leben auf Kosten der Solidargemeinschaft gestalten können. Das hat mit Gerechtigkeit in etwa so viel zu tun, wie Sozialismus mit Demokratie - nämlich gar nichts. Wir sind zu Gesprächen bereit, um die Möglichkeiten auszuloten, die Sozialhilfeangebote für Bedürftige unter Achtung der Finanzierbarkeit auszubauen. Ein unfinanzierbares und ungerechtes Grundeinkommen können wir demgegenüber nicht mittragen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist daher abzulehnen.


    Herzlichen Dank!