OG B 1/22 - Erfolglose Regelbeschwerde in Sachen Lotterleben ./. FFD, Bundeswahlleitung

  • OBERSTES GERICHT

    – OG B 1/22 –



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    Im Namen des Volkes



    In dem Regelbeschwerdeverfahren

    über die Anträge festzustellen:


    1. Der Beschwerdegegner zu 1. ist keine Partei im Sinne des § 7 des vDeutschen Gesetzbuches.


    2. Der Beschwerdegegner zu 1. hat mit seiner Teilnahme an der 8., 9., 10., 11. und 12. Bundestagswahl gegen § 12 Abs. 4 Satz 3 1. Hs. des vDeutschen Gesetzbuches in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des vDeutschen Gesetzbuches verstoßen.


    Hilfsweise:
    Die Beschwerdegegnerin zu 2. hat durch die Ermöglichung der Teilnahme des „Freiheitlichen Forum Deutschlands“ an der 8., 9., 10., 11. und 12. Bundestagswahl gegen § 12 Abs. 4 Satz 3 1. Hs. des vDeutschen Gesetzbuches in Verbindung mit § 10 Abs. 7 Nr. 3 des vDeutschen Gesetzbuches verstoßen.


    3. Das Ergebnis der 12. Bundestagswahl ist dahingehend zu korrigieren, dass der Beschwerdegegner zu 1. seine Stimmenanteile und damit einhergehend sein Bundestagsmandat verliert.


    Hilfsweise:
    Die Beschwerdegegnerin zu 2. wird verpflichtet, das Ergebnis der 12. Bundestagswahl dahingehend zu korrigieren, dass der Beschwerdegegner zu 1. seine Stimmenanteile und damit einhergehend sein Bundestagsmandat verliert.


    Antragstellerin:

    Frau Dr. Dr. Emilia von Lotterleben,


    - Bevollmächtigter: Herr Prof. Dr. Joachim Holler,

    Fouquestraßße 5, 81241 München;


    Antragsgegner:


    1. Freiheitliches Forum Deutschlands,

    Wilhelmstraße 144d, 10117 Berlin;


    2. Bundeswahlleitung,

    vertreten durch den Bundeswahlleiter Herrn Ryan Davis,

    Gustav-Stresemann-Ring 11, 65189 Wiesbaden;


    hat das Oberste Gericht - zweite Kammer - unter Mitwirkung der Richter


    Christ-Mazur,


    von Hohenecken,


    Kamm,


    Kratzer


    am 04. Februar 2024 beschlossen:


    Die Anträge werden zurückgewiesen.


    Gründe:


    I.


    Die Beschwerdeführerin hat die zweite Kammer des Obersten Gerichtes am 22. Juli 2022 mit einer Regelbeschwerde mit obenstehenden Anträgen angerufen.


    1. Die Beschwerdeführerin rekurriert in ihren Ausführungen auf eine Aussage des ehemaligen Vorsitzenden des Antragsgegners zu 1. im Parteiverbotsverfahren (vgl. FFD-Parteiverbotsverfahren, erste Kammer des Obersten Gerichtes <BvB 1/21>) gegen ihn, das FFD habe zu Zeiten des BUW nicht existiert. Folglich seien jene nicht rechtsidentisch, womit das FFD die Voraussetzungen für eine Parteigründung nach § 6 vDGB nicht erfüllt und damit keine Partei nach § 7 vDGB sei und ihre Parteiliste damit rechtswidrig an der achten bis zwölften Bundestagswahl teilgenommen habe.


    2. Der Antragsgegner zu 1. hat sich auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht eingelassen.


    3. Der Antragsgegner zu 2. hat sich in persona Kanis zu dem Sachverhalt eingelassen und ausgeführt, er hätte in dem ihm möglichen Umfang die Kandidaturen aller Parteien geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, der Antragsgegner zu 1. und das BUW seien rechtsidentisch - eine Auflösung hätte nie stattgefunden. Entsprechend sei man davon ausgegangen, dass es sich bei dem Antragsgegner zu 1. um eine Partei handelt, die Listenkandidatur folglich rechtmäßig ist.


    4. Die Kammer hat bereits im August 2022 die Administration mit Ermittlungen zum Antragsgegner zu 1. beauftragt. Auf die Ergebnisse der Informationsauskunft durch die Administration wird im Zuge der Begründung des Beschlusses eingegangen werden.


    5. Für nähere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.


    II.


    Die Kammer nimmt die zulässige Regelbeschwerde nach § 18 Abs. 3 lit b. ModAdminGG zur Entscheidung an und prüft die Sache auf ihre materielle Begründetheit.


    III.


    Die Regelbeschwerde ist unbegründet und verbleibt somit ohne Erfolg. Das Oberste Gericht hat den Sachverhalt vollumfänglich geprüft. Akzessorische Voraussetzung dafür, dem Antrag zu 3. oder dem Hilfsantrag zu 2. stattzugeben, ist eine rechtswidrige Teilnahme des Antragsgegners zu 1. an der achten bis zwölften Wahl zum deutschen Bundestage. Die Kammer hat hierfür geprüft, ob der Antragsgegner zu 1. die Eigenschaften einer Partei nach §§ 6, 7 vDGB erfüllt und hat dies bejaht. Folglich ist der Regelbeschwerde der Erfolg zu versagen.


    1. Nach § 12 Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 vDGB sind nur Parteien berechtigt, Listen für die Teilnahme an der Bundestagswahl einzureichen. Hielte der Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner zu 1. sei mit dem BUW nicht rechtsidentisch, so wäre der Antragsgegner zu 1. keine Partei im Sinne von §§ 6, 7 vDGB, womit die Voraussetzung des § 12 Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 vDGB für die Teilnahme an den besagten Bundestagswahlen nicht erfüllt wäre.


    a) Der zum Zeitpunkt der Anrufung der zweiten Kammer des Obersten Gerichtes amtierende Bundesvorsitzende des Antragsgegners zu 1., Herr Dr. Christian Reichsgraf Schenk von Wildungen, hat im Zuge der mündlichen Verhandlung im Parteiverbotsverfahren gegen den Antragsgegner zu 1. vor Gericht geäußert, der Antragsgegner zu 1. habe zu Zeiten des BUW nicht existiert. Das BUW sei vor der Gründung des Antragsgegners zu 1. auf Idee von Harald Rache aufgelöst worden. Stimmte dies, so wären BUW und der Antragsgegner zu 1. nicht rechtsidentisch. Da eine den Vorgaben des § 6 vDGB entsprechende Parteigründung des Antragsgegners zu 1. nicht stattgefunden hat, wäre der Antragsgegner zu 1. keine Partei, womit die Voraussetzung des § 12 Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 vDGB nicht erfüllt wäre.


    b) aa) Das Gericht hat von Amts wegen nach § 17 Abs. 5 Satz 2 ModAdminG a. F. beschlossen, die technische Administration zur Aufklärung des Sachverhaltes als sachverständige Dritte hinzuzuziehen. Es hat dementsprechend die Administration beauftragt, geeignete Informationen, die belegen können, ob eine Auflösung des BUW tatsächlich stattgefunden hat, einzuholen. Hierfür hat es um die Übersendung der Satzung des BUW (vgl. OG, Hinweisbeschluss der Zweiten Kammer vom 16. Oktober 2022 <OG B 1/22>) und die Übersendung von Informationen über eine mögliche Auflösungsabstimmung oder anderweitig geartete einvernehmliche Auflösungsvereinbarung (vgl. OG, Hinweisbeschluss der Zweiten Kammer vom 25. Juli 2022 <OG B 1/22>) gebeten.


    bb) Die bei der Administration angefragten Informationen haben dem Obersten Gericht vorgelegen. Das "PARTEISTATUT - Bund Unabhängiger Wähler" legt in § 1 "Bund Unabhängiger Wähler" als offizielle Bezeichnung für das BUW und "BUW" als offizielle Kurzbezeichnung fest. Eine Änderung oder Neufassung des Parteistatuts kann nach § 14 Abs. 2 des selbigen mit Zustimmung von zwei Dritteln aller abstimmenden Mitglieder erfolgen. Die Parteiauflösung ist in jenem Dokument nicht geregelt. Eine solche wurde nach den Informationen der Administration auch nicht offen kommuniziert; jedoch war mithin von einer "Umwandlung" des BUW in das FFD die Rede.


    c) Das Wort "umwandeln" bedeutet, ein bestehendes Objekt "in eine andere Form [zu] bringen" oder in seinem "Wesen grundlegend [zu] ändern" (vgl. DWDS zu "umwandeln"). Jenes Wort impliziert, einen Zustand auf Basis eines vorherigen Zustandes zu erreichen. Der erreichte Zustand steht dabei jedenfalls in Verbindung zum ursprünglichen Zustand - ein Abbruch jener Verbindung findet nicht statt. Die Bedeutung des Wortes "umwandeln", das in der internen Kommunikation des BUW verwendet wurde, spricht gegen eine Auflösung des BUW. Vielmehr spricht dies dafür, dass der Zustand als FFD ausgehend vom BUW erreicht wurde - BUW und der Antragsgegner zu 1., das FFD, sind folglich anhand der internen Kommunikation identisch. Dafür spricht auch die am 04. August 2021 auf einer Pressekonferenz getätigten Aussage des damaligen Vorsitzenden des Antragsgegners zu 1., Herrn Dr. Christian Reichsgraf Schenk von Wildungen, man heiße nicht weiter BUW, sondern FFD. Folglich sind FFD und BUW als rechtsidentisch anzusehen - die Notwendigkeit für ein neuerliches Gründungsverfahren nach § 6 vDGB zur Wiedererlangung des Parteistatus entfällt somit. Der Antragsgegner zu 1. ist nach wie vor eine politische Partei im Sinne von §§ 6, 7 vDGB - die Voraussetzung des § 12 Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 vDGB ist somit erfüllt.


    2. Obiter dictum ist wie folgt anzumerken:


    Ob die Bezeichnung "Freiheitliches Forum Deutschland" die satzungsgemäße Bezeichnung des Antragsgegners zu 1. ist, bleibt offen. Dergleichen vermochte das Gericht mangels Bedeutung für die hier relevante Fragestellung nicht zu klären. Wäre "Freiheitliches Forum Deutschland" allerdings nicht der satzungsgemäße Name des Antragsgegners zu 1., so stünde dies der Gültigkeit der Teilnahme an den besagten Bundestagswahlen nicht entgegen. Behilflich für die Beantwortung jener Fragestellung ist eine systematische Auslegung der Spielregeln. Die Spielregeln differenzieren in § 12 Abs. 4 Satz 3 vDGB klar zwischen "Listen" und "Parteien" und erlauben in § 12 Abs. 4 Satz 3 vDGB ausdrücklich die Teilnahme von Listenvereinigungen mehrerer Parteien an Bundestagswahlen. Der Umstand, dass Listen - und auch Wahlkreiskandidaten jener Listen, § 12 Abs. 6 vDGB - nicht nur einer bestimmten Partei entspringen und im Falle von Wahlkreiskandidaten ausdrücklich auch nicht kongruent mit der einreichenden Partei sein müssen, spricht dafür, dass der Listenname nicht mit dem Parteinamen übereinstimmen müssen. Die Parteien sind nicht die Listen, wie sich aus dem Wortlaut von § 12 Abs. 4 vDGB ergibt, sondern reichen Listen ein. Darüber hinaus spricht für dieses Ergebnis auch der Umstand, dass der Gesetzgeber angesichts derart detaillierter Regelungen in den §§ 10 bis 13a vDGB, die für den Ablauf einer Bundestagswahl von Relevanz sind, auch Regelungen für die Bezeichnungen von Listen hätte ergreifen können. Da er dies jedoch unterlassen hat, kann davon ausgegangen werden, dass er hier bewusst Freiheiten lassen wollte. Für eine Planmäßigkeit dieser Regelungslücke spricht indes § 14 Abs. 3 Satz 4 vDGB, in denen sich der Gesetzgeber bewusst Bezeichnungen von Wahllisten im Kontext von Landtagswahlen aufgreift. Nach alledem ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass - selbst, wenn eine falsche Bezeichnung angegeben wurde - an der Gültigkeit der Teilnahmen des Antragsgegners zu 1. unter diesem Gesichtspunkt nicht zu zweifeln ist.


    IV.


    Auf eine Verhandlung würde nach § 17 Abs. 4 Satz 2 ModAdminGG verzichet. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.


    Christ-Mazur | von Hohenecken | Kamm | Kratzer

    Präsidentin des Obersten Gerichtes