Exkurs – Medizin- und Gesundheitspolitikpodcast: "Homöopathika auf dem Prüfstand - Wie sicher ist die Zulassung?"


Nicole Brauer: Einen wunderschönen 1. Mai wünsche ich Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Und damit herzlich Willkommen zur zweiten Ausgabe von „Exkurs“. Unser Thema ist heute die sagenumwobene Homöopathie und wieder ist mir zugeschaltet, aus Hannover, Professor Dr. Paul Großenberg, Direktor der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie an der vMedizinischen Hochschule Hannover. Hallo Herr Professor Großenberg!


Paul Großenberg: Hallo Frau Brauer!


Brauer: Herr Professor Großenberg, Homöopathie, das Wort hat eigentlich jeder schon gehört. Uns allen kommen sicher direkt Heilkräuter, Naturheilverfahren und natürlich Globuli in den Sinn. Doch was ist überhaupt dran, an dieser spirituellen Heilkraft? Und gibt es auch Schattenseiten?


Großenberg: Nun, zunächst müssen wir hier differenzieren zwischen Homoöpathie und Naturheilkunde. Das ist sehr wichtig, denn naturheilkundliche Methoden, zu denen z.B. die Ernährungsmedizin gehört, basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und haben in der Regel auch einen belegbaren Effekt. Homöopathie hingegen zählt zu den pseudowissenschaftlichen, alternativmedizinischen Behandlungsverfahren und wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus.


Brauer: Okay, das ist ein deutlicher Unterschied. Aber es gibt doch zahlreiche homöopathische Arzneimittel – muss man, um diese auf den Markt zu bringen nicht die Wirkung nachweisen?


Großenberg: Nun, da sind wir schon beim Kern des Problems. Für Homöopathika gelten im Arzneimittelrecht Sonderregeln. Es gibt zwei Arten, für ein solches „Medikament“ eine Zulassung zu erhalten. Erstens: Man gibt für das Produkt kein Anwendungsgebiet an, verdünnt es mindestens im Verhätnis 1 zu 10.000 und beschränkt die Applikationsart auf oral und äußerlich, also z.B. als Salbe. Dann benötigt es gar keine Zulassung, sondern muss lediglich registriert werden. Ein Wirkungsnachweis ist nicht nötig.


Brauer: Interessant, welches ist denn die zweite Methode?


Großenberg: Es gibt auch Homöopathika mit Anwendungsgebieten. Diese müssen auch tatsächlich zugelassen und nicht nur registriert werden. Aber auch hier gelten Ausnahmeregeln. Schauen wir uns zunächst kurz das Zulassungsverfahren eines herkömmlichen Medikaments an: Wenn ich für mein Medikament XY gegen Heuschnupfen eine Zulassung beantragen wollen würde, müsste ich sowohl die Wirksamkeit biochemisch und durch klinische Studien belegen, als auch die gute Verträglichkeit nachweisen. Das alles natürlich nach wissenschaftlichen Standards, wie der Doppelblindmethode.

Für Firma AB, die ein Homöopathikum gegen Heuschnupfen auf den Markt bringen will, reicht es aus, wenn diese eine Anwendungsbeobachtung oder homöopathische Literatur vorlegt. Diese Literatur muss keine wissenschaftlichen Standards erfüllen. Es würde also, etwas überspitzt formuliert, ausreichen, wenn Sie zum Beispiel aus dem Bauch heraus ein Buch über Heuschnupfen und Sonnenblumenkerne, die pulverisiert und im Verhältnis 1 zu 10.000 verdünnt wurden, schreiben würden. Diesen „Nachweis“ müsste Firma AB dann bei einer speziellen Kommission, die das Bundesamt für Arzneimittel berät, einreichen. Spannenderweise besteht diese Kommission zu einem großen Teil aus homöopathisch-tätigen Ärzten oder Heilpraktikern, welche dann über die Zulassung entscheidet.


Brauer: Das heißt, es werden Medikamente verkauft, die angeben, gegen bestimmte Beschwerden zu helfen, dies wurde aber nie nachgewiesen?


Großenberg: Genau so ist es. Und das ist ein Problem. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte niemanden davon abhalten, Globuli zu nehmen. Allerdings sollte dem Patienten schon bewusst sein, dass er damit kein wirksames Medikament zu sich nimmt, sondern ausschließlich einen Placebo-Effekt erwarten könnte. Solche trügerischen Produkte kosten nicht nur viel Geld, sie verhindern auch in manchen Fällen eine richtige medizinische Behandlung.


Brauer: Vor ein paar Tagen hat die Konservative Partei einen Gesetzentwurf zur Änderung der Kennzeichnung von homöopathischen Arneimitteln in den Bundestag gebracht. Wie bewerten Sie diesen Entwurf?


Großenberg: Es ist auf jeden Fall ein Fortschritt. Ich habe es ja eben schon kurz angesprochen: Menschen sehen derartige Homöopathika und kaufen diese in der Hoffnung, dass sie dadurch wieder gesund werden. Das ist schon schwer hinnehmbar und der Gesetzentwurf würde das Arzneimittelgesetz dahingehend ändern, dass die Hersteller zukünftig die deutschen Bezeichnungen der Inhaltsstoffe aufdrucken müssten sowie einen Hinweis, dass die Wirkung des Mittels nicht wissenschaftlich belegt wurde. Das halte ich für einen wichtigen Schritt. Weiterhin würde ich aber ebenfalls das Zulassungs- bzw. Registrierungsverfahren angehen und anpassen. Homöopathika sollten nicht als Arzneimittel zugelassen werden dürfen, da sie nun mal, abgesehen vom Placebo-Effekt, keine Wirkung haben. Und wenn doch, dann sollten sie sie, wie alle anderen Medikamente, in wissenschaftlichen Studien beweisen können.


Brauer: Wieso gelten diese Regeln denn nicht eigentlich für alle gleich?


Großenberg: Nun, das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Einen wissenschaftlichen Grund hat es allerdings nicht.


Brauer: Das ist ein hervorragender Schlusssatz zu diesem Thema. Wir behalten die Debatte im Bundestag auf jeden Fall gespannt im Auge. Professor Großenberg, ich danke Ihnen für das Gespräch!


Großenberg: Es war mir eine Freude.


Brauer: Ganz meinerseits. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörerinnen, auch Ihnen danke ich für das Zuhören und wünsche Ihnen noch einen schönen Samstag! Genießen Sie noch etwas die Sonne und schalten Sie auch bei der nächsten Folge „Exkurs“ wieder ein. Bis bald!

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