Ist aber schön, wie der 2. Absatz den ersten Widerlegt... man sieht doch zum Beispiel, dass es zum Teil wesentlich größere Gemeinsamkeiten zwischen benachbarten Regionen gibt, die mutmaßlich aus einer anderen Kulturfamilie stammen, als zwischen zwei entfernten Regionen aus der selben Kulturfamilie. Wir Saarländer haben mit den Franzosen in Lothringen oder dem Luxembourger auf jeder ebene mehr gemein, als mit dem Bayer oder dem Hamburger
Diese "Kulturfamilien" sind willkürlich und die angeblichen harten Grenzen sind nur so hart, wenn man die "Kulturfamilien" als unveränderbare Einheiten betrachtet, was durch jede noch so kleine Differenz sowohl örtlich als auch zeitlich der selben Kulturfamilie widerlegen lässt
Wo widerlegt der 2. Absatz den ersten? Das war eine Ausführung in der deutschen Kulturfamilie die sich vor allem historisch erwiesen hat. Zum Anderen sollte man sich die Frage stellen, warum trotz der hohen Gemeinsamkeiten zwischen den Saarländern zu den Franzosen oder Luxemburgern dennoch nicht die französisch-luxemburgisch-saarländische Einigung kam, sondern die deutsche Einigung. Hier sollte man sich die Frage stellen warum es gerade so und nicht anders gekommen ist.
Hier würde ich auf einen Begriff der Ethnogenese zurückkommen:
Ein Begriff der in Geschichtsbereichen häufig zur Beschreibung der Bildung von Kollektiven verwendet wird, insbesondere bezogen auf die Migrationsperiode um 400 n. Chr. herum. Eine Ethnogenese bezieht sich auf die Bildung ethnischer Identitäten. Wenn wir also an einem geschichtlichen Vortrag über die Epochen vor 1871 teilnehmen, werden wir hören müssen, wie es überhaupt gar keine deutsche Identität gab, sondern eben nu die „sächsische“, „bayerisch“, „hessische“ Indentität usw. usf. Ich würde immer sagen, dass die Bildung der deutschen Identität etwas gewesen ist, das nicht passieren musste und das auch kein genetisch-theologisches Schicksal aufweist. AAAAAABER, was hierbei gern einmal vergessen wird, ist, warum es nicht bei diesen bloßen geteilten Identitäten blieb und sich ein größeres Kollektiv gebildet hat.
Ja, die Deutschen waren zersplittert, ebenso wie die Engländer, die Italiener und alle anderen Völker der Welt. Jedes Volk war an einem Punkt aufgeteilt und technisch sind sie es immer noch. Es ist nicht so, dass der Nationalismus ein Endziel für die Ewigkeit hätte. Aber die fließenden Grenzen der Ethnogenese beweist den rationalen Sinn hinter dem nationalistischen Gedanken:
Denn diese Identitäten wurden aus materieller Notwendigkeit heraus konstruiert, die durch die Negation einer anderen oder mehrerer Außengruppen entstanden ist. Warum haben sich die Deutschen um Heinrich I. von Ostfranken zusammengetan? Weil die Ungaren versucht haben deutsche Gebiete einzunehmen und zu expandieren.
Die Tatsache, dass Nationen zueinander fließende kulturelle Grenzen aufweisen ist kein Argument gegen den Nationalismus und einer Festellung von Kulturfamilien, sondern wohl eher ein Argument für den Nationalismus und Kulturfamilienkonzepte. Der Boden Deutschlands war kein heiliger Boden, der den Deutschen bestimmt war. Aber die Germanen wanderten nach Süden und unterwarfen die Kelten.
Die Tatsache allein das Deutschland im frühen Mittelalter nicht „Deutschland“ hieß und auch nicht „Deutschland“ war, ist kein episches Gegenargument gegen den Nationalismus oder gegen die deutsche Identität als solches, sondern ein Argument für den Nationalismus und nationalen Identität beruhend auf kultureller und historischer Verbundenheit.
Man muss sich nun einmal die Frage stellen, warum sich eher eine deutsche und keine saarländisch-französische Einigung gebildet hat und das ist vor allem dem historischen Negationsprozess zu verdanken. Das widerlegt meinen Punkt nicht, er bestätigt ihn nur.
Historisch gab es diesen strengen und starken Multikulturalismus in Deutschland nie - denn es gab historisch nie wirklich eine nicht-Assimilation. Um dies einmal an einem realen Beispiel zu veranschaulichen, sollten wir auf den Nordosten Deutschlands zu Zeiten Otto des Großen blicken: im frühen Mittelalter war dieses Gebiet nicht deutsch, sondern slawisch besiedelt. Während der antislawischen Politik Ottos des Großen christianisierte er die Slawen, zwang Ihnen die deutsche Sprach auf, eine schriftlich festgehaltene Geschichte hatten die Slawen meines Wissens nach sowieso nicht, und schwuppdiwupp, drei Generationen später war dieses Gebiet und die dort lebenden Völker deutsch. Ob nun hier das Wort "Deutsch" das richtige ist, sei mal dahingestellt, aber an diesem Beispiel können wir auch beobachten, wie Otto der Große über eine Innengruppe gegen eine Außengruppe agiert hat und diese Außengruppe in seine Innengruppe assimilieren ließ.