Sehr geehrte Damen und Herren,
das alsbald endende Jahr hat uns deutlich vor Augen geführt, wie leicht verwundbar unsere Gesellschaft ist. Ein Virus, wenige Nanometer groß im Durchschnitt, beherrscht die politische Debatte. Es zerstört Existenzen, geliebte Gewohnheiten und zerrt an unserer Lebensordnung.
Querdenker, nichts andere als Egozentriker, Menschen, den jedwede Verantwortung fernliegt, gerieren sich als Propheten. Dem gegenüber steht eine Politik, die konsequent inkonsequent ist. Die gewohnte Wirklichkeiten kehren sich um; die Sicherheitskräfte mahnen die Verhältnismäßigkeit deutlich an, linksliberale Strömungen fordern hingegen ein hartes Durchgreifen. Ein solches Durchgreifen befürworte auch ich, aber nicht weil es politisch opportun erscheint. Die politischen Verfehlungen in der Corona-Pandemie zeigen doch deutlich, welchen elementaren Stellenwert eine funktionierende Verwaltung in unseren Gemeinwesen einnimmt. Jahrelang wurde ein schlanker Staat gepredigt; fiskalpolitsche Erwägungen nahmen stets den vordersten Stellenwert ein, denen sich alle andere staatlichen Interessen unterzuordnen hatten. Mit einer funktionierenden und soliden Verwaltung hätte die Pandemie meiner Meinung nach nicht jenen Verlauf genommen, mit den wir uns heute konfrontiert sehen.
Grundrechtlich verbriefte Freiheiten stellen den Quell der Schaffenskraft unserer Gesellschaft dar, sie finden aber ihre natürlich Grenzen in einem Verhalten, dass in Grundrechte Dritter eingreift. Hier endet der eigene Anspruch auf freie Entfaltung der Grundrechte! Und wer sich dem widersetzt, muss konsequent zur Ordnung gerufen werden. Das schließt staatliche Gewalt ausdrücklich ein, denn das Gewaltmonopol ist ausdrücklich zur Durchsetzung des Rechts da. Das Recht hat sich unter keinen Umständen nach dem Unrecht zu beugen. Wer sich nach wie vor unbeirrt und selbstsüchtig auf seine Grundrechte beruft, hat nicht begriffen, dass das eigene Handeln Einschränkungen unterworfen ist; er hat mitnichten den Kern des Grundgesetzes verstanden. Ein sittliches Miteinander erfordert eben genau Empathie, Rücksicht und Vernunft. Wer dazu nicht bereit ist, muss zur Ordnung und Rechenschaft gezogen werden. Nichts anderes sieht das Grundgesetz vor.
Der Art. 2 Abs. II S.1 GG gewährt das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Das staatliche Handeln hat sich daran zu orientieren. Es ist ein Wunschkonzert, sondern der grundrechtlich verbriefter Wille des Souveräns. Der Staat und insbesondere seine Ordnungskräfte haben sich also schützend vor dieses Grundrecht zustellen. Hierfür gebührt der Polizei meinen aller höchster Respekt und meine Solidarität. Die jüngsten Debatten über Rassismus in der Polizei sind berechtigt und auch notwendig. Ja, aber Sie bieten keinesfalls Anlass dafür, aufgrund von Verfehlungen weniger auf die Mehrheit zu schließen. Mein Vertrauen in die deutsche Polizei ist unerschüttert hoch.
Die restriktiven Maßnahmen des Staates müssen also in die Rechtssphäre Dritter eingreifen. Das ist nicht neu, sondern zeichnet staatliches Handeln gerade aus. Es gilt hinsichtlich der Kollision Grundrecht Dritter abzuwägen. Die geltenden Corona-Einschränkungen beschränken die Menschen in vielerlei Hinsicht. Aber die tangierten Grundrechte ordnen sich dem zitierten Grundrecht, nämlich das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit - unter. Das Grundrecht der Bundesrepublik ist vor dem Hintergrund der Weimarer Republik und dem mörderischen Nationalsozialismus entstanden. Es ist kein Zufall, dass das Grundgesetz mit der Grundrechtspräambel und dort mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde beginnt. Das gesamte staatliche Handeln ist im Licht der Menschenwürde auszulegen. Die Grundrechte sind demnach eindeutig einer Wertigkeit unterworfen, ansonsten ließe sich nicht erklären, warum die Menschenwürde an allererster Stelle unseres Grundrechtes steht. An zweiter Stelle steht u.a. die körperliche Unversehrtheit. Jene Grundrechte, die sich dem Eigentum oder Vermögen widmen, folgen beachtlich später. Die Güterrechtsabwägung fällt mir daher sehr leicht. Leben geht vor Arbeit, Beruf, Vermögen und erst Recht vor Vergnügen!
In dieser Stunde gilt es ernstbedrohtes Leben zu schützen, nämlich insbesondere das Leben der Alten und Schwachen. Zu einer Zeit, als wir, die heute als jung oder mittleren Alter gelten, als sehr jung galten, stellten sich unsere Eltern schützend vor uns. Und als Eltern haben sie ganz sicher den Rat bei ihren Eltern - unseren Großeltern - gesucht. Wir sind nun in der Verantwortung jene zu schützen, die uns einst schützten und ein behütetes Zuhause boten! Wer das Gebot der Stunde missachtet, muss die vollste Härte des Rechtsstaates spüren.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.