[DNN] Thüringen - Wie die Implosion der I:L ein Land ins Chaos stürzt

  • Thüringen - Wie die Implosion der I:L ein Land ins Chaos stürzt

    von Sibylle Bergfried, Redaktion Erfurt



    Es war eine ereignisreiche Woche für Thüringen und für ganz Deutschland. Nachdem ein einzelner Parteiaustritt nach der Wahl in NRW bereits Fragen zur Internationalen Linken aufwarf, ging diese Woche ein Beben durch die Partei, welches den gesamten Freistaat Thüringen ins Chaos reißt. Manch einer nennt es gar eine Verfassungskrise. Doch was genau war eigentlich passiert? Wir wollen an dieser Stelle die Ereignisse der vergangen Woche nochmal strukturiert Revue passieren lassen.


    Doch springen wir erstmal zum Anfang zurück; eigentlich läuft es für die Internationale Linke sehr gut. In Hamburg ist sie solide zweistellig, in Thüringen am regieren und in der letzen Bundesregierung war sie auch tatkräftig vertreten. Im Vorfeld der Landtagswahl NRW lieferte die einzige aktive Politikerin dort, Janett Wissler einen soliden Wahlkampf und kann ein Mandat erringen. Doch bereits vor dem Schließen der Wahllokale kündigt Wissler bereits eine Pressekonferenz für den Abend an. Was zu einem Wahlabend nicht ungewöhnlich erscheint, bekommt kurz nach Verkündung des vorläufigen Wahlergebnisses einen bitteren Beigeschmack, als der Landeswahlleiter von Wahlfälschungen spricht, durch welche die I:L kein Mandat erringt. In der dann anschließenden Pressekonferenz gibt Wissler den Austritt aus der I:L bekannt. Auf Nachfragen zu den Beweggründen geht sie nicht ein, lässt sich nur zu Äußerungen hinreißen, dass sie die I.L "beschmutzen" müsste, um die Wahrheit zu sagen. Die Kollegen aus der Parteienlandschaft zeigen sich größtenteils verwundert, während man von Vertretern der Linken zunächst nichts hört.


    In den folgenden zwei Tagen beruhigte sich die Situation und nur noch vereinzelt waren Kommentare zu hören, die Wissler als Einzelgängerin bezeichneten. Ein ganzheitliches Problem innerhalb der I:L wurde verneint. Doch es kam anders.


    Am Dienstag verkündete der Ministerpräsident von Thüringen, Oscar Pilarow in einer Pressemitteilung seinen Rücktritt als Ministerpräsident und seinen Austritt aus der Internationalen Linken. Er begründete dies unter Anderem mit der engen Verflechtung des Amtes mit dem Landesverband der I:L in Thüringen. Er bestätigte dies nochmals am nächsten Tag in einer Aktuellen Stunde zur Regierungsarbeit. Doch die wahre Überraschung kam mit der Ankündigung Pilarows, mit sofortiger Wirkung nach Hamburg umzuziehen und somit nicht weiter geschäftsführend im Amt zu sein. Der Abgeordnete von Schöneberg (Allianz) nannte es gar eine "Schande" und warf Pilarow weiterhin Missachtung der Landesverfassung vor. Für noch größeres Aufsehen sorgte Pilarow dann, als er bereits kurz danach die Gründung der "Future - die Zukunftsdemokraten" anstrebte und dabei sofort Unterstützung von Wissler, Emilia von Lotterleben und Emir Mohamed Ali erhielt. Letztere hatte still und leise zuvor ebenfalls die I:L verlassen. Dabei wies das vorgetragene Gründungsprogramm nur geringfügige Unterschiede zu bisher etablierten Parteien auf. Die zeitliche Koordination ließ jedenfalls keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass eine solche Aktion bereits länger in Planung war.


    Diesen Eindruck bestätigte die Abgeordnete von Lotterleben später in einer Presseerklärung. So seien einige unzufriedene Mitglieder des I:L wegen "unüberbrückbarer Differenzen" an sie herangetreten und hätten die neue Parteigründung geplant. Doch auch hier wird die Öffentlichkeit im Dunkeln darüber gelassen, welche innerparteilichen Streitigkeiten vorlagen. Fest steht, dass es offenbar schon länger innerhalb der I:L brodelte. Von Lotterleben hat ihre Unterstützung mittlerweile wieder zurückgezogen, was die "Futuristen", wie man sie scherzhaft Gerüchten zufolge im Preuß nannte, als reine Gründungsinitative zurück ließ. Apropos Zurücklassen; am Freitagabend erklärte die bisherige Fraktionsvorsitzende der grün-linken Fraktion im Thüringer Landtag, Celine Schwesig, ebenfalls ihren Austritt aus der I:L und gleichzeitig ihren Rückzug aus der aktiven Politik. Im Gegenzug erklärte Maria Lang, ehemals Mitglied der Grünen zunächst ihre Unterstützung für die "Zukunftsdemokraten", bevor sie ebenfalls zur Gründung einer eigenen Liste.


    Was nach dieser aufregenden Woche bleibt sind vor allem Fragen. Welche innerparteilichen Fragen haben die Internationale Linke so gespalten? Werden sich die "Zukunftsdemokraten" als neue Kraft etablieren? Und allem voran; wie geht es in Thüringen weiter?


    Die stellvertretende Ministerpräsidentin und Parteivorsitzende der Internationalen Linken, Ella Löwenstein-Boum hat sich bisher trotz Anmeldung nicht geäußert. Als letzte Amtshandlung, hatte Schwesig zwar die Debatte über die Auflösung überspringen wollen, dies wurde jedoch von Landtagspräsident Haft zurückgewiesen, das der Antrag auf Auflösung von einem Drittel der Abgeordneten gestellt werden müsse. Fest steht jedenfalls, dass Thüringen momentan über keine funktionierende Regierung verfügt. Laut von Schöneberg sei mit dem Wegzug des ehemaligen Ministerpräsident sogar die gesamte Landesregierung nicht mehr im Amt. Thüringen steckt also in einer handfesten Krise. Die Auflösung des Landtages und damit erfolgende Neuwahlen wären der logische Schritt. Die Linke würde dabei höchstwahrscheinlich Mandate einbüßen und für die Wählerinnen und Wähler als Opferlamm hinhalten, wenngleich die Verantwortlichen sich längst in andere Gefilde geflüchtet haben. Dies könnte noch viel schwerere Auswirkungen auf die I:L im Bund haben. Nach dem Einknicken der SDP im Bund mit der Entscheidung zur Opposition, steht die politische Linke in Deutschland dieser Tage geschwächt da. Ein weiteres Aufsplittern der Parteienlandschaft dürfte dabei wohl kaum hilfreich sein.




    Was ist Ihre Meinung dazu? Hinterlassen Sie gerne einen Kommentar oder schreiben Sie uns einen Leserbrief! Wir freuen uns über Feedback, Kritik und Anregungen.