Bayern wählt | LIVE-ÜBERTRAGUNG DER WAHLBERICHTERSTATTUNG ZUR BAYERISCHEN LANDTAGSWAHL JANUAR 2022 | Berliner TV - Der Nachrichtensender

  • Punkt 17 Uhr beginnt die Sondersendung:


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    Madeleine von Brauchitsch: Guten Abend, meine Damen und Herren, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer. Wir heißen Sie zu unserer Sondersendung anlässlich der vorgezogenen Bayernwahl herzlich willkommen. Diese Landtagswahl wurde vorgezogen, weil sie durch ein Votum des Landtages, sich selbst aufzulösen, nötig geworden ist. Linda Weidner-Schmidt, unser Statistiker Matthias von Hof und ich werden Sie selbstredend durch diesen spannenden Wahlabend führen. Erste Prognosen deuten ein recht enges Rennen zwischen Allianz und Grünen an. Zum ersten Mal seit zwei Legislaturperioden ist das Rennen um die Position der stärksten Kraft, die voraussichtlich den Ministerpräsidenten stellen wird, wirklich knapp und offen. Die Norddeutsche Zeitung hat beispielsweise einen Gleichstand vorhergesagt. Wir werden Sie über alle Hintergründe und Fakten aufklären und durch den Abend führen. Spannende Fragen werden dabei vor allem sein: Wird die Regierungsmehrheit aus Allianz und CDSU erhalten bleiben, bleibt die Allianz stärkste Kraft oder wird sie durch die Grünen überholt werden und - natürlich - welche Regierungskonstellationen möglich sein werden. Wird die von Grünen, Piraten und SDP angestrebte Grün-Rot-Magenta-Koalition eine Mehrheit haben, oder kann das nur mit dem BSV gelingen? Wie stark werden die vorausgesagten Verluste der Allianz sein oder gibt es eine Überraschung? Und: Werden es SDP, FORUM, BSV und die Freien Bayern in den Landtag schaffen? Diese Fragen werden heute beantwortet - es bleibt spannend, bleiben Sie dran!

  • Matthias von Hof schaltet sich dazwischen:


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    Matthias von Hof: An dieser Stelle möchte ich Dich, Madeleine, kurz unterbrechen. Eine erste Meldung durch die entsprechenden Behörden und durch Journalisten an den jeweiligen Wahllokalen, die unter anderem auch die Nachwahlbefragungen durchführen, kann ich bereits verlesen: Und zwar ist die Wahlbeteiligung außerordentlich hoch - sie beträgt zu diesem Zeitpunkt, ersten Schätzungen zufolge, etwa 158 Prozent der Wahlbeteiligung bei der letzten Landtagswahl, womit ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist - damit kratzt man wirklich auch an die Rekordbeteiligung des Mais 2020 an und wie man hier im Bild sehen kann, haben sich vor den Wahllokalen sehr lange Schlangen gebildet - Berichten zufolge warten Bürgerinnen und Bürger teilweise zwei oder drei Stunden lang, um ihre Stimme endlich abgeben zu können.


    Das ist aber auch ein Zeichen dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger gemerkt haben, dass es politisch um etwas geht. Das Bayerische Volk scheint enorm politisiert und normalerweise ist das kein gutes Zeichen für die Allianz - wenn viele Menschen wählen gehen, dann ist das häufig ein Zeichen dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger äußert unzufrieden mit der derzeitigen Regierung sind, während bei eher tiefen Wahlbeteiligungen davon auszugehen ist, dass die Bürgerinnen und Bürger verhältnismäßig im Durchschnitt noch zufrieden sind. Wir können uns irren, aber ein gutes Zeichen für die Allianz ist das nun wahrlich nicht.


    Madeleine von Brauchitsch: Vielen Dank, Matthias. Linda, magst Du uns vielleicht einfach mal die Vorgeschichte im Freistaat schildern?

  • Linda Weidner-Schmidt: Ja, also die Bayerische Staatsregierung, bestehend aus Allianz und CDSU, wurde vielfach für das Betreiben von zu wenig Sacharbeit kritisiert, andererseits aber auch dafür, dass Ministerpräsident Stroma Kater (Allianz) sich viel lieber in Diskussionen mit beispielsweise Mitgliedern der Internationalen Linken einlasse, anstatt die genannte Sacharbeit sicherzustellen. Außerdem wurden teilweise auch fehlendes Gesundheitsministerium und überhaupt geringes Engagement bzgl. des Pandemiemanagements kritisiert. Irina Christ (Grüne) ging ja so weit und warf Kater und der Allianz vor, man habe die Bürgerinnen und Bürger im Stich gelassen, belogen und betrogen. Zwar harsch in der Ausdrucksweise, aber wie ich finde, nicht ungerechtfertigt, weil schon sehr wenig von der Allianz in der letzten Legislaturperiode kam. Letzten Endes haben die Oppositionsparteien SDP, Grüne, Piraten und auch die Bayerische Soziale Vereinigung von Moritz Rehm gemeinsam einen Antrag auf Auflösung des Landtages gestellt, der überraschenderweise durchgekommen ist und sogar von einem Mitglied der Regierungsfraktionen, mindestens, haben die Oppositionsfraktionen zusammen doch nur vier Sitze, wobei fünf Ja-Stimmen abgegeben wurde, mitgetragen wurde. Das ist schon ein harter Autoritätsverlust und auch ein politischer Bankrott für Ministerpräsident Kater und die Allianz, von der ihr Generalsekretär im Bund, Friedrich Augstein, die Auflösung kritisiert hat. Blende mal, Matthias, das Ergebnis der Wahlumfrage der Norddeutschen Zeitung ein:


    Matthias von Hof:


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    Linda Weidner-Schmidt: Ja, man sieht es hier ja auch. Die Grünen würden nach dieser Umfrage leicht zulegen und vor allem die Allianz würde 22 Prozentpunkte kassieren. Ob es überhaupt noch für dreißig Prozentpunkte reicht, scheint angesichts dieser Umfrage sehr fraglich. Spannend wird auch die Frage sein, wer denn als erstes über die Zielgerade kommen wird: Wird das die Allianz sein? Die Allianz kommt von 50,0 Prozent und befindet vor allem im Bund im Umfragetief. Die Partei scheint von außen hin nicht einig zu sein - Paul Fuhrmann (Allianz) hat ja Maximilian von Gröhn, der zum Allianzestablishment gehört, latent kritisiert und auf Twitter widersprochen und hat geäußert, Frédéric Bourgeois sei der ideale Kanzler - wo bleibt Ryan Davis? Vor Spekulationen sei gewarnt, aber wirklich einig scheint man sich nicht zu sein. Erfolg schweißt zusammen, die Umfragen und die letzten Wochen haben das Gegenteil gezeigt und der nationalkonservative Flügel um Fuhrmann trifft dann auch auf liberale Kräfte um William McKenzie, der früher FORUMs- und Grünen-Mitglied war. Und unter diesem Gesichtspunkt wird die Bayernwahl sicherlich auch bundespolitische Auswirkungen haben.


  • Madeleine von Brauchitsch: Klar ist zwar, dass der Landtag selbst eher wenig gearbeitet hat, wobei alle Gesetzesinitiativen aus der Opposition gekommen sind. Was man durchaus beobachten kann, ist, dass es den Grünen viel eher gelungen ist, Neumitglieder zu generieren, als der Allianz. Viele Spitzenpolitiker haben die Allianz verlassen oder sich gänzlich zurückgezogen - etwa Felix Schwalbenbach, Kathrin Hirsch oder Heinzel Knoller und man hat es nicht hinbekommen, attraktiv für Neumitglieder zu werden. Einerseits hat die mangelhafte Regierungsarbeit sicher eine Rolle dabei gespielt, andererseits gab es in der Vergangenheit vermehrt Debatten um einzelne Allianzpersonalien - etwa die Debatte um Frédéric Bourgeois. Diese Debatten haben vor allem Mitglieder des Bayerischen Landesverbandes getroffen. Zudem hat die Allianz mit der CDSU einen ernstzunehmenden Gegner, der im gleichen politischen Milieu fischt. In der jüngeren Vergangenheit ist es der CDSU eher gelungen, Mitglieder zu generieren. Das Generieren von Neumitgliedern ist Lebenselixier einer Partei - Grüne, Forum und SDP scheinen das viel besser umsetzen zu können. Nun muss man sich bei der Allianz, über deren rechtskonservativen Flügel häufig diskutiert wurde, mit dem Ergebnis auseinandersetzen und eine Analyse betreiben - die Grünen werden sich um eine Regierungsmehrheit bemühen müssen.

  • Matthias von Hof: Wir haben eine erste Hochrechnung:


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    Die Hochrechnung sieht die Grünen nun etwas schwächer - nämlich bei 32,1 %. Die Allianz fällt nun unter 19 Prozent - die Verluste werden immer empfindlicher, diese Partei hat, Stand jetzt, 31,1 Prozentpunkte verloren . Freies Bayern nun wie FORUM und SDP etwas stärker, die Piraten liegen hinter der Prognose zurück.


  • Matthias von Hof: An dieser Stelle möchte ich einmal auf regionale Begebenheiten eingehen.

    Das war die Landtagswahl im Oktober:


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    Die Grünen waren vor allem in den städtischen Regionen stark, in denen viele junge Erwachsene leben - die Allianz hatte dort noch erhöhten Stimmanteil und konnte alle ländlichen und teilweise suburbanen Wahlkreise abräumen und so 50,0 Prozent der Stimmen erreichen. Vergleicht man mit der Karte der jetzigen Auszählungen:


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    Bereits jetzt deutet sich an, dass die Grünen der Allianz sehr viele Wahlkreise - auch im eher ländlichen Bereich mit älterer Bevölkerung - abnehmen werden. Die Niederlage der Allianz ist also eine auf ganzer Ebene, die sich quer durch die Gesellschaft zieht.



  • Matthias von Hof: eine neue Hochrechnung:


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    Madeleine von Brauchitsch: 72 Prozent der Stimmen wurden nun, geschätzterweise, ausgezählt. Die Allianz nun eine Nuance besser - bei den Verlusten macht das aber kaum einen Unterschied. Die Grünen vorne - aber unter 30 Prozent mit 29,1 Prozentpunkten. CDSU relativ stabil - das Forum vor Piraten und SDP. Heinzel Knollers Liste "Freies Bayern" und die BSV liegen gleichauf.


    SimOff: Die Uhrzeit falsch eingetippt - man möge es mir nachsehen haha

  • Madeleine von Brauchitsch und Matthias von Hof: Uns ist nun ein vorläufiges Endergebnis bekannt.


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    Die Allianz stürzt auf knapp mehr als 21 Prozent ab und wird von den Grünen, die mehr als 26 Prozent erhalten, überholt. Die CDSU liegt bei 5,3 Prozent und liegt dabei gleichauf mit der Liste "Freies Bayern" und dem BSV. Die Sozialdemokraten kommen, wie die Piraten, auf 10,5 Prozent - das FORUM liegt bei 15,8 Prozent. In Gewinnen und Verlusten äußerst sich dies wie folgt:


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    Die Allianz muss 28,9 Prozentpunkte einbüßen - die CDSU, der bisherige Koalitionspartner, verliert drei Prozentpunke. Schwach können die Grünen (+1,3 - entgegen den gewaltigen Gewinnen in der Prognose) profitieren - selbiges gilt für die Piraten (+2,2). FORUM gewinnen massiv hinzu und sind wieder im Landtag vertreten - wie auch Heinzel Knollers Liste "Freies Bayern" und Moritz Rehms Liste "Bayerische Soziale Vereinigung". Die Sitzverteilung sieht wie folgt aus:


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    Damit haben die Grünen für die Regierungsbildung alle Zügel in der Hand - eine Ampel (mit SDP oder Piraten) oder ein Viererbündnis der linksliberalen Parteien scheint wahrscheinlich. Theoretisch wäre auch eine Zusammenarbeit mit einer der konservativeren Parteien bzw. Listen (Allianz/CDSU/Freies Bayern) möglich - ob das die erste Wahl wäre, wäre fraglich. Grüne und Allianz bräuchten einen weiteren Partner zum Regieren - aber, ob man mit der Allianz zusammen regieren will, scheint zur Stunde eher fraglich. Dass die Allianz einen Ministerpräsidenten erneut stellen wird, scheint zur Stunde unwahrscheinlich, bräuchte es mindestens ein Viererbündnis mit mindestens einer der Parteien, die sich als links identifizieren, hierfür. Von daher ist tatsächlich davon auszugehen, dass Sebastian Fürst Stroma Katers Nachfolger sein wird.