Digitales Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern deutschlandweiter Hospizbewegungen



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    Bundespräsident Charly Roth traf am heutigen Vormittag digital auf Vertreterinnen und Vertreter deutschlandweiter Hospizbewegungen. Hier das Eingangsstatement des Bundespräsidenten:



    Charly Roth

    Immer wieder hören und lesen wir, dass während der Pandemiezeit Menschen alleine in den Krankenhäusern, auf den Intensivstationen sterben. Angehörigen ist es nicht möglich, ihre Sterbenden beim Übergang vom Leben in den Tod zu begleiten. Ganz unerheblich davon, ob diese Sterbenden an Corona erkrankt sind oder nicht. Das sind schmerzliche Erfahrungen. Und mir persönlich tut das in der Seele weh. Niemand wird alleine geboren, deshalb sollte auch niemand alleine sterben. In den Krankenhäusern geben derzeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles, um ein guter Ersatz der Angehörigen zu sein. Es ist kein guter Ersatz, ich weiß. Dennoch ist das Bewusstsein der Humanität einer Gesellschaft spürbar.


    Ich spreche ganz bewusst von der Humanität einer Gesellschaft, denn die Sorge für die Mitmenschen, sie ist ja nicht nur Aufgabe für den Staat, für öffentliche Institutionen, für deren “Profis", sondern sie ist eine Aufgabe für uns alle. Jeder von uns kann zum “Nächsten" werden. Zum "Nächsten", der die Hilfe seiner Mitmenschen braucht. Und jeder von uns ist ein “Nächster", der seinen Mitmenschen Hilfe leisten kann.


    Mitglieder von Hospizbewegungen deutschlandweit tun das in bewundernswerter Weise. Und sie tun das auf einem Feld, um das viele von uns immer noch einen Bogen machen. Dafür, dass die Hospizbewegungen das tun, möchte ich von Herzen danken.


    Das Bewusstsein dafür, dass wir als Mitmenschen in existenzieller Weise aufeinander angewiesen sind, dass der Staat nicht alles allein kann und vielleicht auch nicht alles können sollte, dieses Bewusstsein ist in unserer modernen, arbeitsteiligen und vielfach abgesicherten Welt mitunter verschüttet. Und es ist ja auch gut, dass es Experten und Arbeitsteilungen und staatliche Regelungen und Garantien gibt. Aber es gibt eben auch Situationen, in denen wir ganz unvermittelt erfahren, dass der Mensch den Menschen braucht. Auch wenn man nur noch sagen kann: “Es ist gut, dass Du da bist."


    Zu diesen Situationen gehört der Umgang mit schwerer Krankheit, mit Leid und mit Sterben. Für viele von uns ist das Thema noch immer ein Tabu. Tod und Sterben, das scheint uns, die in der Mitte des Lebens stehen, weit weg zu sein. Wir weichen dem Gedanken daran gern aus: Wer möchte schon an eine Situation denken, in der er schwach und hilflos – und auf die Unterstützung anderer angewiesen ist? Wer möchte schon gern an eine Situation denken, in der er vielleicht nicht mehr Herr seiner Sinne und seines freien Willens ist? Wer möchte schon daran denken, wie es war, als liebe Angehörige gestorben sind, vielleicht sogar unter Qualen?


    Kein Wunder, dass vielen von uns der Gedanke an das eigene Sterben unangenehm ist, dass wir uns, wenn dann das Ende schon unvermeidbar erscheint, einen schnellen und schmerzlosen Tod wünschen. Und dass manche Menschen sich auch vorstellen können, den nahenden Tod zu beschleunigen und dabei auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.


    Sie, meine Damen und Herren der Hospizbewegungen, Sie geben eine andere Antwort. Sie begleiten Sterbende und ihre Angehörigen in Palliativstationen, in Hospizen oder – wo es möglich ist – auch zu Hause, in ihrem vertrauten Umfeld. Sie leisten damit einen der größten Liebesdienste, die ein Mensch einem anderen Menschen tun kann. Darin sind Sie uns allen ein Vorbild.


    Ich bin dankbar, dass die Hospizbewegung auch bei uns in Deutschland immer weitere Verbreitung findet. Ich bin froh, dass sie zunehmend nicht mehr als Gegenmodell zur Intensivmedizin diskutiert wird, sondern als eine sinnvolle Ergänzung.


    Nicht durch die Hand eines anderen Menschen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen.


    Dieser Satz ist mehr als ein moralischer Appell. Er beschreibt auch eine Tatsache: Durch Ihren Dienst, liebe Engagierte, geben Sie Menschen in der letzten Phase ihres Lebens Geborgenheit. Damit nehmen Sie ihnen einen Teil der Angst, aus der sonst in vielen Fällen der Ruf nach Sterbehilfe erwächst. Sie leben eine Alternative vor. Auch deshalb ist es wichtig, dass Ihr Engagement weiter bekannt gemacht wird.


    Hoffen wir gemeinsam darauf, dass diese Pandemie sehr bald wieder den Kontakt zu den Sterbenden zulässt, damit Sie die Hände wieder greifen können, die Ihnen ausgestreckt werden.