AUSSPRACHE I zur Großen Anfrage an die Bundesregierung

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    AUSSPRACHE ZUR GROSSEN ANFRAGE AN DIE BUNDESREGIERUNG DRUCKSACHE V/005


    Sie dauert gemäß GO drei Tage.

  • tritt ans Pult, nippt wie immer am Glas Wasser, und beginnt:


    Herr Präsident,

    liebe Kolleginnen und Kollegen,


    dass die Bundesregierung keinerlei Anstalten versucht, den Atomausstieg konsequent zu vollziehen, das ist nach unserer Anfrage zu den europäischen Laufzeitverlängerungen keine Schlagzeile mehr wert. Auch zum 10-jährigen Bundestagsbeschluss zum Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel ist nix passiert. Von Urananreicherung und Uranexporten mal ganz zu schweigen - Stichwort Urenco. Zu Polens neuen Kraftwerken schweigt die Bundesregierung - hier musste Österreich handeln, und auch die Endlagersuche gestaltet sich konsequent intransparent. Und mit der nuklearen Teilhabe fangen wir besser gar nicht an, oder? Sie sehen, zum Atomausstieg ist es noch ein weiter weg, der Atomwaffenverbotsvertrag wäre dabei ein großer Schritt in die richtige Richtung.


    Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Nichtatomstaaten nach etlichen frustrierenden und gescheiterten Überprüfungskonferenzen eine Nachschärfung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen bzw. des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NPT/NVV) fordern ist absolut nachvollziehbar und verständlich. Diese Forderung resultiert aus der Tatsache, dass Atommächte ihrer Pflicht gemäß Artikel 6 des NPT Vertrages partout nicht nachkommen.

    "Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur

    nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstungunter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle." - das ist der genannte Artikel. Atomstaaten kommen jedoch seit Jahren eben dieser Pflicht nicht nach und investieren in die Instandhaltung und Modernisierung ihrer Bestände. Der NPT-Vertrag wird dabei völlig außer Acht gelassen.

    Eine Ergänzung zum NPT-Vertrag durch den Atomwaffenverbotsvertrag würde, bezugnehmend auf den NPT-Vertrag, dafür sorgen, dass insbesondere der Artikel 6, die Verpflichtung zur Abrüstung, gefestigt und unterstrichen wird. Wir Grüne halten das nicht nur für sinnvoll, sondern auch für notwendig, wenn wir uns für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen, und die Global Zero Bewegung unterstützen wollen.


    Nun haben wir aber ein Problem, denn: wer an der Präsenz von Atomwaffen auf seinem Territorium festhält, der darf dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beitreten. Wie eingangs angeschnitten, gibt es bis heute einen nicht umgesetzten Bundestagsbeschluss von 2010, der den Abzug amerikanischer Atomwaffen aus Büchel fordert. Unterstützt wurde der damals von Linke, SPD, Grüne, CDU und FDP. Würde sich die Bundesregierung also mit zeitlicher Perspektive und vor allem politischen Willen dieser Angelegenheit widmen, wäre ein Beitritt möglich. Doch wenn die Regierung hier mit dem selben Elan rangeht, wie beim europäischen Atomausstieg, frei nach dem Motto: "sollte mal was auf dem Tisch landen, stimmen wir zu", dann wird das wohl noch einige Zeit dauern.


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, nukleare Abschreckung funktioniert nicht. Das ist ein Märchen. Der Aufruf zum gegenseitigen Suizid ist keine effektive Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie. Dieses Szenario ist unglaubwürdig, oder wie soll das aussehen? Durch Atomwaffen vernichten wir Lebensräume und verseuchen die Umwelt über Jahre hinweg. Also: in welchem Szenario legen wir uns selbst die Axt an und fangen an, uns gegenseitig zu vernichten? Das hat nie funktioniert, das wird nie funktionieren. Jede einzelne der 3000 nuklearen Sprengkörper hat die 13.000 fache Sprengkraft wie die Hiroshima-Bombe. Ican schätzt die Anzahl der durch Atomwaffentests gestorbenen Menschen auf 2,4 Millionen, die Zahl an Krebs erkrankter, aber nicht gestorbener Menschen, hat sich ebenfalls erhöht und sind auf diese sinnlosen Tests zurückzuführen. Die Strahlenbelastung hat sich weltweit erhöht. Die Marshallinseln sind weiterhin verseucht. Wo also ist das realistische Einsatzszenario von Atomwaffen, wenn alleine die Tests schon für solche Zahlen sorgen?


    Das Risiko einer nuklearen Katastrophe ist hoch. Höher als zuvor. Doch Fakt ist: unsere Sicherheit hängt nicht von Atomwaffen ab. Im Gegenteil, der Einsatz dieser Vernichtungswaffe, das riskieren eines, bei 13.000 Atomwaffen, tausendfachen Overkills, das ist die reale Bedrohung der wir ausgesetzt sind. Dabei haben wir schon festgestellt, wie unfassbar sinnlos dieses Szenario doch wäre.


    Zum Schluss noch eine Zahl: 46. 46 Mal sind wir der nuklearen Katastrophe im Kalten Krieg entgangen, so beschreibt es der ehemalige Oberbefehlshaber des US-Atomwaffenarsenals. Er beschreibt es als: „eine Mischung aus Glück, menschlichen Verstand und göttliche Fügung“. Der Schutz vor einer nuklearen Katastrophe darf aber keinesfalls und nie von göttlicher Fügung abhängen.


    Unsere Position ist klar: Ja zum Atomwaffenverbotsvertrag, Nein zur nuklearen Teilhabe und eine zügige Umsetzung des Bundestagsbeschlusses von 2010. Dass sich die Bundesregierung dem verschließt, ist unverständlich. Zu erklären, man verzichte auf ein eigenes Atomwaffenprogramm, und leiste damit einen Beitrag zur Abrüstung, während die Atommächte fleißig und vorbildlich ihrer Verpflichtung im NPT-Vertrag nicht nachgehen, das ist unfassbar traurig und lächerlich zugleich. „Nur“ 122 Staaten würden den Vertrag unterstützen, deswegen könne Deutschland nicht unterzeichnen. Diese Ausrede eines SDP-Ministers stimmt mich fassungslos.


    Deutschland beteiligte sich weder an den Verhandlungen zum Atomwaffenverbotsvertrag, und das obwohl knapp 80% der Bürgerinnen und Bürger sich dafür ausgesprochen haben, noch nahmen wir als Gast teil. Das ist ein Armutszeugnis. Damit gibt es nicht nur das Signal: „wir schauen erstmal, was passiert“, mit der Entscheidung nicht einmal als Gast aufzutauchen und als Beitrag für nukleare Abrüstung dann angeben, es gebe kein eigenes Atomwaffenprogramm ist erstens eine aktive Entscheidung gegen den Atomwaffenverbotsvertrag und zweitens ein Schlag ins Gesicht der Global Zero Bewegung, die den Atomwaffen tagtäglich wirklich den Kampf ansagen.


    Meine Damen und Herren, der Atomwaffenverbotsvertrag muss kommen. Besser gestern als morgen. Göttliche Fügung wird uns nicht ewig vor einer Katastrophe schützen.


    Danke.


  • ruft ins Plenum: Viel Zeit für eine Gegenrede bleibt nicht mehr! Darf ich das als Zustimmung werten? Dann reiche ich morgen den Entwurf zum Beitritt ein!