3 BvT 1/21 - Erfolgloser Eilantrag bezüglich der Regelbeschwerde zur Gründung des Bundes unabhängiger Wähler

  • OBERSTES GERICHT

    – 3 BvT 1/21 –


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    IM NAMEN DES VOLKES



    In dem Verfahren
    über

    den Antrag,




    dem Bund unabhängiger Wähler den Parteistatus vorläufig zu entziehen.


    Antragsteller: Emilia von Lotterleben



    h i e r : Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung



    hat das Oberste Gericht – Dritter Senat –

    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsident Brandstätter,


    Vizepräsidentin Baumgärtner,


    Müller



    am 14. Januar 2021 einstimmig beschlossen:



    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.



    G r ü n d e :



    I.


    1. Die Antragstellerin wendet sich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Anerkennung des Parteienstatus des Bundes unabhängiger Wähler und beantragt eine vorläufige Entziehung desselben.


    2. Sie führt an, der Bund unabhängiger Wähler würde nicht nach den Vorschriften des § 6 Abs. 2 vDGB gegründet worden sein. Durch einen sofortigen Austritt des Gründungsmitgliedes F. Neuheimer, sei dieser nicht als tatsächliches Gründungsmitglied anzusehen.



    II.


    1. Nach § 15 Abs. 1 OGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall auch bereits vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache (vgl. BVerfGE 3, 267 <277>; 11, 339 <342>; 16, 236 <238>; 35, 193 <195>; 71, 350 <352>; 150, 163 <166 Rn. 9>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. September 2019 - 2 BvQ 59/19 -, Rn. 16; Beschluss des Zweiten Senats vom 9. Juni 2020 - 2 BvC 37/19 -, Rn. 30; Beschluss des Zweiten Senats vom 1. September 2020 - 2 BvQ 61/20 -, Rn. 10; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 2020 - 2 BvQ 6/20 -, Rn. 18; stRspr) einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.


    Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 <43 f.>; 64, 67 <69>; 103, 41 <42>; 104, 51 <55>; 118, 111 <122>; 132, 195 <232 Rn. 87>; 134, 135 <137 Rn. 3>; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 81, 53 <54>; 86, 390 <395>; 91, 320 <326>; 104, 51 <55>; 105, 365 <371>; 106, 351 <355>; 108, 238 <246>; 125, 385 <393>; 126, 158 <168>; 129, 284 <298>; 131, 47 <55>; 132, 195 <232 f. Rn. 87>; stRspr).


    Wegen der meist weit tragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsrechtlichen Verfahren auslöst, gilt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab (vgl. BVerfGE 3, 41 <44>; 6, 1 < 3 f.>; 55, 1 <3>; 82, 310 <312>; 94, 166 <216 f.>; 104, 23 <27>; 106, 51 <58>; 132, 195 <232 Rn. 86>). Soll der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden, so erhöht sich diese Hürde noch (vgl. BVerfGE 3, 41 <44>; 6, 1 <4>; 7, 367 <371>; 64, 67 <69>; 81, 53 <54>; 117, 126 <135>).



    2. Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Die vorzunehmende Folgenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.


    (a) Der Ausgang des Regelbeschwerdeverfahrens ist offen. Der Antrag, die Gründung der Partei als regelwidrig zu erklären, ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet.


    (b) Bei der danach gebotenen Abwägung sind die Folgen, die sich ergäben, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, sich später aber die Verfassungswidrigkeit der Parteigründung herausstellte, denen gegenüberzustellen, die sich ergäben, wenn eine einstweilige Anordnung erlassen und die Parteigründung außer Vollzug gesetzt würde, später jedoch die Regelkonformität der Gründung festgestellt würde.


    (aa) Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Parteigründung später aber als regelwidrig, so würde die Zulassung des Bundes unabhängiger Wähler zur 5. Wahl des Deutschen Bundestages nichtig, da der nach § 12 Abs. 4 S. 2 vDGB benötigte Parteienstatus nicht vorhanden wäre. Das könnte dazu führen, dass möglicherweise ein Teil der Stimmen, die für den Bund unabhängiger Wähler abgegeben wurde, seine Gültigkeit verlieren würde. Das stellt mindestens eine Einschränkung des Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 2 GG dar, da durch Ungültigerklärung von Stimmen der Wille des Volkes unter Umständen nicht exakt im Parlament abgebildet würde.


    (bb) Erginge die einstweilige Anordnung und erwiese sich die Parteigründung später als regelkonform, so würde dem Bund unabhängiger Wähler die Zulassung zur 5. Bundestagswahl verwehrt, obwohl die Zulassungsvoraussetzung für die Zulassung der Wahl in Wirklichkeit bereits erreicht wurden. Das würde einen gravierenden Eingriff in das passive Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 2 S. 2 GG darstellen. Auch das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG und die Gleichheit und Freiheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG würde durch die fälschliche Nichtzulassung des Bundes unabhängiger Wähler in drastischer Art und Weise eingegriffen, da einem Teil der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland die Repräsentation im Parlament, also der Vertretung des Volkes, fälschlicherweise verwehrt würde. Außerdem wird aktiv das Recht des Bundes unabhängiger Wähler, zur Wahl anzutreten, und das Recht des Wählers, sich für eine solche Partei zu entscheiden beschnitten. So würden fundamentale demokratische Rechte beschnitten.


    (c) Der Erlass der beantragen einstweiligen Anordnung bringt folglich erhebliche Eingriffe in grundlegende demokratische Rechte mit sich, da das vorläufige Entziehen des Parteienstatus des Bundes unabhängiger Wähler das Recht, bei der Bundestagswahl anzutreten aberkennen würde. Bei einer Versagung der einstweiligen Anordnung könnten Stimmen zur Bundestagswahl ungültig werden und eine nachträgliche Veränderung der Sitzverteilung im Bundestag von Nöten werden.


    Daraus wird ersichtlich, dass die Nachteile, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung erginge, die Regelbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, deutlich überwiegen. Die Folgenabwägung fällt somit zu lasten der Antragstellerin aus, weshalb der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen ist.




    Brandstätter | Baumgärtner | Müller

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