[LTW] Cordulas Wahlcommentar zur XX. Landtagswahl in NRW

  • Liebe Zuschauer,


    ich darf Sie alle herzlich begrüßen meinem Wahlkommentar anlässlich der 20. Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

    Mein Name ist Cordula Schreiner-Odenthal und Sie kennen mich vermutlich aus der Welt des Journalismus, diveren Fernsehformaten und dem Team von heute total.

    Gemeinsam wollen wir einen kleinen Rückblick auf die letzte Legislaturperiode und die Wahlprognosen werfen. Außerdem werden wir erörtern, was das Wahlergebnis für die Zukunft bringen kann.

  • Trinkt ein Glas Champagner in einem Zug aus.


    Die Wahllokale haben seit eineinhalb Stunden geschlossen und die Auszählung beginnt bereits. Wir wollen einen Blick auf die erste Prognose werfen.


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    In der Prognose käme die Allianz nur noch auf den dritten Platz mit 19%, die Ministerpräsidentinnenpartei CDSU käme knapp davor auf 21%. Die gemeinsame Liste aus Grünen und Piraten - aktuell zum zweiten Mal Juniorpartner - käme auf 39% und wäre damit unangefochtener Wahlsieger. Ebenfalls-Regierungspartei BürgerUnion käme auf 12 Prozent und die SDP als Schlusslicht auf 8%.

  • Werfen wir einen Blick auf die letzten Beiden Legislaturperioden; seit August regiert in Düsseldorf eine Jamaika-Koalition aus Christdemokraten, Grünen/Piraten und BürgerUnion. Einfach dahin war der Weg für Ministerpräsidentin Samira Ashfahdi nicht. Die frühere Sozialdemokratin hat sich gemeinsam mit dem ehemaligen Kurzzeit-Kanzler Lando Miller schnell in NRW einen Namen gemacht. Nach der Wahl im August standen die Wege offen; der Wahlsieger SDP strebte in Form von Juliane Linke eigentlich die Staatskanzlei an, wurde dann aber vor allem von den Grünen ausgebootet. Die eigentlich stärkere Allianz wurde ebenfalls umschifft und schon fand sich die neue Regierung vereidigt wieder. Dabei war es für die absolut betrachtete Minderheitsregierung sicherlich dienlich, dass sowohl die Allianz als auch die SDP recht passiv waren und ihre Mandate nicht voll besetzen konnten. In der ersten Legislaturperiode bis Oktober konnten vor allem die Grünen viele Projekte umsetzen. Doch auch die Christdemokraten setzten sich durch und auch wenn es im Bund oft fundamentale Unterschiede gab, so präsentierte sich Jamaika in Düsseldorf stets harmonisch. Bei der folgenden Wahl im Oktober war die SDP marginalisiert und die zu dem Zeitpunkt laut kreischende I:L konnte zwar mehrere Mandate erringen, doch beide waren nach ein bis zwei Debatten auch im Landtag nicht mehr zu sehen. Mit dem klaren Wahlsieger Allianz wurde zwar sondiert, doch dem geneigten Beobachter dürfte klar gewesen sein, dass der Wunsch nach der Fortsetzung Jamaikas in stein gemeißelt war. Und dank mal wieder unbesetzter Mandate konnte die bunte Koalition weiter regieren. Auch hier wurden einige Projekte umgesetzt, doch an die über zehn Gesetzentwürfe der ersten gemeinsamen Regierung kam man bei Weitem nicht heran.


    Nun ist die nächste Wahl angebrochen. Man darf davon ausgehen, dass auch heute der Wunsch nah einer Fortsetzung von Jamaika präsent ist und man sich vom Wähler ein entsprechendes Mandat erhofft. Dabei wird wie in der Vergangenheit ein entscheidender Faktor die Mandatsbesetzung sein.

    Wahlkampf gab es nicht. Keine einzige Partei hat ein Wahlprogramm veröffentlicht oder sich den Bürgern präsentiert. Überschattet wird die Landtagswahl obendrein von der anstehenden Bundestagswahl und der heute begonnenen Wahl des Bundespräsidenten.


    Wir dürfen gespannt wein, wie es in Düsseldorf weitergeht.

  • Es folgt eine kurze Werbeeinblendung:



    Eine Studioassistentin muss bereits eine neue Flasche Champagner trinken.



    Im Volksmund nennt man die Landtagswahl in NRW auch "kleine Bundestagswahl". Was können wir also aus NRW und aus dem aktuellen Trend für den Bund sehen?

    Die Allianz hat in der jünsten vergangenheit stets solide Ergebnisse in NRW erreicht, doch für Regierungsarbeit hat es seit der letzten Allianz-Ministerpräsidentin Liebermann nicht mehr gereicht. In NRW ist die Allianz derzeit eher isoliert, das hängt auch mit dem eher mittiger ausgerichtetem Landesverband der CDSU und der schwachen SDP zusammen. Seit dem stetigen Schrumpfen der Sozialdemokraten haben vor allem die Grünen/Piraten und die CDSU diese Lücke gefüllt. Das ist in anderen Bundesländern anders; in Bayern könnte man Allianz und CDSU zeitweise für eine gemeinsame Liste halten so eng ist dort die inhaltliche Verbundenheit. Sollte sich der aktuelle Trend einer "grünen Welle", den wir in den Prognosen sehen, gleichzeitig mit einem stärkeren Auftreten der Piraten fortsetzen, dann könnte das auch im Bund zu einer Verschiebung führen. Zwar gab es in der Vergangenheit schon gemeinsame Koalitionen, die letzte bekannte unter Kanzlerin Kerstin Siegemann, doch das war vor dem damaligen Bruch der Allianz der sie wieder deutlich konservativer und wirtschaftliberaler aufstellen ließ. Eine aktuelle Zusammenarbeit zwischen Allianz und Grünen ist eher schwer vorstellbar. In Bayern gilt dies im Übrigen auch für die CDSU. Doch in NRW scheint dies für alle beteiligten wunderbar zu funktionieren. Dabei scheint es die betroffenen auch wenig zu stören, dass man sich stellenweise doch weit von konservativen Positionen entfernt. Doch eine gewisse moralische Flexibilität war beim Weg zur Macht immer förderlich. Anders sieht es bei der SDP aus; in NRW hatte sie in früheren alten Tagen noch Größe und klare Positionen. Doch ohne NRW ist es nahezu unvorstellbar, dass die SDP sich bundesweit erholt. Die I:L hat sich vom Massenaustritt einiger Mitglieder noch nicht erholt. In NRW trat sie zu dieser Wahl nicht an. Die Prognose für den Bund ist also alles andere als ausgemacht. Doch die Prognose für NRW können wir fortsetzen, denn jetzt kommt gerade die zweite Hochrechnung rein.

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    In der zweiten Hochrechnung sortieren sich nun langsam die Platzierungen ein; das mögliche Endergebnis wird deutlicher. Demnach würden die Grünen/Piraten stärkste Kraft mit 34%, die Allianz wäre zweitstärkste Kraft mit 26%. Die CDSU wäre dritter Platz mit 21%. Mit Abstand folge die SDP mit 12,5% und dahinter die BürgerUnion, die mit 6,5% sicher in den Landtag einziehen würde.


    Folgende Koalitionen wären daraus denkbar:


    Grüne/Piraten + CDSU

    Grüne/Piraten + SDP + BU

    Grüne Piraten + Allianz

    Allianz + CDSU + SDP

    Allianz + CDSU + BU


    Wir können aus dieser Hochrechnung also schon absehen; dass Ashfahdi im Amt als Ministerpräsidentin bleibt, wäre trotz des verbesserten CDSU-Ergebnisses nahezu ausgeschlossen. Einzige Möglichkeit für die CDSU, weiter den Ministerpräsidenten zu stellen wäre eine Konstellation, in der ein Seniorpartner dies toleriert. Nachdem in der letzten Wahl CDSU und Grüne/Piraten gleichauf waren, darf man davon ausgehen, dass in einem solchen Fall die Grünen/Piraten die Staatskanzlei für sich beanspruchen würden. Grundsätzlich scheint die Regierung also in ihrer Arbeit bestätigt zu werden, doch dabei werden die Grünen/Piraten deutlich stärker honoriert als die CDSU. Auf die BürgerUnion könnte ein solches Bündnis in Zukunft sogar theoretisch verzichten. Die Sozialdemokraten kommen wie erwartet vorerst nicht auf die Füße. Die Kanzlerpartei Allianz muss leichte Einbußen hinnehmen und rutscht damit auf den zweiten Platz, bleibt aber eine starke Kraft in Düsseldorf und vor der CDSU.

  • Wir haben nun die Zahlen für das vorläufige Endergebnis:


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    Die Grünen/Piraten kommen auf 33,3% und werden damit stärkste Kraft mit fünf Mandaten. Die Allianz kommt auf 26,7% als zweitstärkste mit vier Mandaten. Die Christdemokraten werden mit drei Mandaten drittstärkste Kraft mit 20%. Als vierstärkste Kraft mit 13,3% und zwei Mandaten kommen die Sozialdemokraten dazu. Die BürgerUnion verbleibt mit einem Mandat und 6,67%.


    Es verbleiben wie erwähnt die oben genannten Koalitionsoptionen, vorausgesetzt alle Mandate werden ordnugsgemäß und vollständig besetzt.