Beiträge von Prof. Dr. Robert Geissler

    OBERSTES GERICHT

    – 6 BvT 1/22 –


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    IM NAMEN DES VOLKES



    In dem Verfahren
    über

    den Widerspruch,



    des Herrn Harald Friedrich Rache


    - Prozessbevollmächtigter: Felix Neuheimer -



    gegen den Beschluss der Moderation vom 10. Januar 2022



    hat das Oberste Gericht - Sechster Senat - durch die Richterinnen und Richter


    Präsident Geissler,


    Vizepräsident von Gierke,


    Neuheimer,


    Möller


    am 17. Februar 2022 gemäß § 14 Abs. 4 OGG einstimmig beschlossen:



    Der Widerspruch wird als unzulässig verworfen.



    G r ü n d e :


    1. Der Widerspruchskläger wendet sich gegen die Entscheidung der Moderation vom 10. Januar 2022.


    a) Die angegriffene Entscheidung richtet sich gegen einen Beitrag der Mitspielerin Dr. Irina Christ, in dem sie einen privaten Discord-Chatverlauf mit dem Widerspruchsführer für jedermann ersichtlich öffentlich im Forum gepostet hat. Die Moderation hat einen Verstoß gegen das Trennungsgebot (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 ModAdminG) in ihrer Entscheidung hierüber verneint, da es sich ersichtlicherweise um einen im Sim-Off-Kontext geposteten Beitrag gehandelt hätte.


    b) Der Widerspruchsführer führt aus, dass die Moderation den gemeldeten Beitrag nur unzureichend geprüft hätte und eine Prüfung eines Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 ModAdminG (Trolling) sowie eines Verstoßes gegen reale Gesetze (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. GG) schuldhaft unterlassen worden sei.


    c) Die Widerspruchsbeklagte erwidert hierauf mit Schriftsatz vom 17. Januar 2022, dass eingegangene Meldungen schon zu Beginn der Bearbeitung und unabhängig von der konkreten Begründung der Meldung auf mögliche Verstöße gegen die Spielregeln geprüft würden. Bei Bekanntgabe einer Moderationsentscheidung würde in der Begründung nur auf die Verstöße eingegangen, die nach Prüfung des Sachverhalts überhaupt in Betracht kommen würden. Die Nichterwähnung in der Begründung bedeute keinesfalls die Nichtprüfung eines bestimmten Verstoßes. Dazu könnten Verstöße gegen reale Gesetze gar nicht Gegenstand einer Moderationsentscheidung sein.




    2. Der Widerspruch ist offensichtlich unzulässig.


    Zulässig ist der Widerspruch vor dem Obersten Gericht nur gegen Moderationsentscheidungen, die durch Mehrheitsbeschluss ergangen sind (§ 18 Abs. 3 ModAdminG). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die angegriffene Entscheidungen - im Einklang mit § 3 Abs. 4 Satz 2 ModAdminG - lediglich im Namen der Moderatorinnen Klinkert und Hirsch ergangen ist.


    Von einer weiteren Begründung wird nach § 14 Abs. 4 Satz 2 OGG abgesehen.



    Die Entscheidung ist unanfechtbar.



    Geissler | von Gierke | Neuheimer | Möller

    Betritt mit Vizepräsident von Gierke und den Richtern Neuheimer und Möller den Verhandlungssaal.


    Guten Morgen, geschätzte Damen und Herren!


    Ich eröffne hiermit die Verhandlungen

    in dem Verfahren 4 BvT 1/22


    in dem Rechtsstreit


    der Partei "Internationale Linke",
    vertreten durch Herrn Ernesto B. Dutschke

    - Klägerin -


    g e g e n

    Herrn Friedrich Augstein

    - Beklagter -


    w e g e n


    Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen.



    Sehr geehrte Damen und Herren,

    geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der klagenden und beklagten Partei,


    der durchzuführenden mündlichen Verhandlung liegt eine Klage der Internationalen Linken zugrunde, die zwei Aussagen des Beklagten, Herrn Friedrich Augstein, beanstandet hat und entsprechenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch geltend machen möchte. Konkret geht es um die Aussage, dass die Klägerin polizeiliche Ermittlungen politisch beeinflussen möchte, sowie die Aussage, dass die Klägerin nicht auf dem Boden der Verfassung stehe. Die Klägerin sieht hierin einen Verstoß gegen §§ 186, 187 StGB. Zivilrechtliche Grundlage zur Durchsetzung der Rechte der Klägerin durch einen Anspruch auf Unterlassung beeinträchtigender Äußerungen sind hier entsprechend § 1004 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 186 f. StGB.


    Das Oberste Gericht hat einem entsprechenden Eilantrag der Klägerin nicht stattgegeben und eine überschlagsmäßige Prüfung des Sachverhaltes auch schon vorgenommen, wie dem entsprechenden Beschluss zu entnehmen ist. Diese Ausführungen weiter zu vertiefen und die Ansichten der beiden Parteien hierzu einzuholen wird Gegenstand dieser Verhandlung sein.


    Ich darf nun zunächst die Klägerin um das Eingangsplädoyer bitten.



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    Das Oberste Gericht gibt bekannt:




    Die mündliche Verhandlung,

    in dem Rechtsstreit



    der Partei "Internationale Linke",

    vertreten durch Herrn Ernesto B. Dutschke

    - Klägerin -


    g e g e n


    Herrn Friedrich Augstein

    - Beklagter -



    w e g e n


    Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen




    beginnt am Freitag, 4. Februar 2022 um 11:25 Uhr.




    Geissler | von Gierke | Neuheimer | Möller




    OBERSTES GERICHT

    – 4 BvT 1/22 –


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    IM NAMEN DES VOLKES



    In dem einstweiligen Verfügungsverfahren



    der Internationalen Linken,
    vertreten durch den Parteivorsitzenden Ernesto B. Dutschke


    - Prozessbevollmächtigte: Dr. Viktoria Christ-Mazur und Dr. Nadine Schlupp



    g e g e n



    Herrn Friedrich Augstein



    1. es dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, es bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen,

    - zu behaupten, die Verfügungsklägerin verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen,

    - zu behaupten, die Verfügungsklägerin wolle Ermittlungen durch Löschung von Beweismitteln politisch beeinflussen;


    2. es dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, alle öffentlichen Beiträgen des Verfügungsklägers in denen behauptet wird,

    - die Verfügungsklägerin verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen,

    - die Verfügungsklägerin wolle Ermittlungen durch Löschung von Beweismitteln politisch beeinflussen

    entsprechend zu löschen;


    3. dem Verfügungsbeklagten bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 Euro anzudrohen;


    4. dem Verfügungsbeklagten die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aufzuerlegen;



    hat das Oberste Gericht – Vierter Senat –

    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsident Geissler,


    Vizepräsident von Gierke,


    Neuheimer



    am 21. Januar 2021 einstimmig beschlossen:



    1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.


    2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.




    G r ü n d e :



    I.


    1. Die Verfügungsklägerin nimmt den Verfügungsbeklagten auf Unterlassung und Beseitigung diverser Äußerungen in Anspruch. Anlässlich einer auf eine Pressekonferenz des damaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Fürst äußerte sich der Verfügungsbeklagte wie folgt über die Verfügungsklägerin:

    "Eine Partei, die Unternehmen einer Ideologie willen enteignen will und damit das Eigentumsgrundrecht fundamental infrage stellt oder Ermittlungen politisch beeinflussen will, indem er Beweismittel löschen lässt, steht nicht auf dem Boden der Verfassung, in jedem Fall aber am linken Rand des politischen Spektrums."


    2. Am 16. Januar 2021 erhob die Verfügungsklägerin Klage und beantragte, den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, vorgenannte Äußerungen zu unterlassen und bereits getätigte Äußerungen zu beseitigen. Sie macht geltend, vorgenannte Äußerungen seien unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen und sieht in einer Persönlichkeitsrechtsverletzung den Verfügungsanspruch. Besondere Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit sei gegeben, da davon auszugehen sei, dass der Verfügungsbeklagte die beanstandeten Äußerungen wiederholen werde. Weiter sei der Verfügungsklägerin mutmaßlich schon ein Schaden entstanden. Die Aussagen seien geeignet, dem Ansehen Verfügungsklägerin zu schaden, insbesondere da die Aussage durch einen bundesweit bekannten Spitzenpolitiker getätigt worden sei. Es sei ihr aufgrund des mutmaßlich bereits entstandenen Schadens nicht zuzumuten, auf das Urteil in der Hauptsache zu warten. Die Unterzeichnung einer strafbewährten Unterlassungserklärung sei durch den Verfügungsbeklagten im Vorfeld der Klageerhebung abgelehnt worden. Insgesamt sei daher der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu bejahren.


    3. Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2021 ist der Verfügungsbeklagte diesem Vortrag entgegengetreten. Er behauptet, bei den streitbefangenen Äußerungen handele es sich um Werturteile, die keinen Unterlassungsanspruch begründen. Seine Aussagen hinsichtlich der behaupteten Verfassungswidrigkeit könnten durch ein gerichtliches Beweisverfahren nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Gleiches gelte für den Vorwurf der "politischen Einflussnahme", welche sich nicht objektiv feststellen lasse. Es fehle dem Antrag daher an einem Verfügungsanspruch.




    II.


    Der zulässige Antrag ist unbegründet.


    Gem. §§ 935, 940 ZPO kann das Gericht einen Zustand vorläufig durch einstweilige Verfügung regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, insbesondere der Vereitelung des in der Hauptsache geltend zu machenden Rechts, geboten erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Verfügungsklägerin hat weder Verfügungsgrund, noch Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.



    1. Soweit die Verfügungsklägerin im Antrag zu 2. die Beseitigung der streitgegenständlichen Äußerungen begehrt, würde eine hierauf gerichtete Beseitigungsverfügung die Hauptsache vorwegnehmen. Sinn und Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist jedoch alleine die einstweilige Sicherung eines Anspruches. Daher ist ein Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren, der die Hauptsache vorwegnehmen würde, regelmäßig unzulässig und ein Verfügungsgrund in diesem Falle nur ausnahmsweise, beispielsweise in Not- oder Zwangslagen, bei drohender Existenzgefährdung oder beim Drohen eines sonstigen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens, anzunehmen. Dies wurde von der Verfügungsklägerin nicht dargetan.




    2. Soweit die Verfügungsklägerin im Antrag zu 1. die einstweilige Verpflichtung zur Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen begehrt, ist dieses Begehren als Sicherungsverfügung einzuordnen (a). Jedoch legt die Verfügungsklägerin weder die besondere Eilbedürftigkeit (b) hinreichend dar, noch zeigt sie schlüssig auf, dass ihr erheblicher Schaden entstanden ist oder entstehen würde, wenn ihr einstweiliger Rechtsschutz versagt werden würde (c).


    a) Die Hauptsache wird durch den Antrag zu 2. nicht vorweggenommen. Bei unterstelltem Bestehen des Unterlassungsanspruchs wäre der Verfügungsbeklagte verpflichtet, die streitgegenständliche Äußerung zu unterlassen. Dieser zukunftsbezogener Anspruch trägt den Charakter einer absoluten Fixschuld, weil ein Unterlassen per se nicht nachgeholt werden kann. Somit droht bei der Wiederholung der beanstandeten Äußerungen der Anspruch zeitanteilig unmöglich im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB zu werden. Damit geht es vorliegend um die Sicherung eines Anspruchs und nicht dessen vorläufige Erfüllung.



    b) aa) Gleichwohl kann die Begehungsgefahr, die Voraussetzung jedes Unterlassungsanspruchs ist, nicht mit dem Verfügungsgrund gleichgesetzt werden. Andernfalls wäre jeder Unterlassungsanspruch im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzbar. Wie sich aus § 12 Abs. 1 UWG folgern lässt, müssen an den Verfügungsgrund höhere Anforderungen gestellt werden, als an die Wiederholungsgefahr, die freilich auch bei erstmaliger Begehung indiziert wird. Andernfalls hätte § 12 Abs. 1 UWG keinerlei Funktion.


    bb) Eine besondere Eilbedürftigkeit ist daher nicht schon deshalb gegeben, weil die Gefahr besteht, dass die zu unterlassen beantragte Handlung wiederholt werden könnte. Ein Verfügungsgrund ist nur dann festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und es ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Es kann weiter an einem Verfügungsgrund fehlen, wenn die Verfügungsklägerin ihre Rechte einstweilen selbst gewahrt hat oder hätte wahren können. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ihr eine Gegenäußerung möglich ist oder war und sie somit ihr schutzwürdiges Interesse durch eine Gegenäußerung geltend machen kann oder hätte machen können.


    cc) Nach diesen Maßgaben legt die Verfügungsbeklagte die für die Stattgabe des Antrages zu 2. notwendige besondere Dringlichkeit nicht hinreichend dar. Sie zeigt nicht schlüssig auf, warum diese Eilbedürftigkeit - abseits der Tatsache der womöglich bestehenden Wiederholungsgefahr - gegeben sein soll. Dazu war es ihr durch eine Gegenäußerung grundsätzlich möglich und zumutbar, ihre Rechte in hinreichendem Umfang vorerst selbst zu wahren.



    c) Soweit die Verfügungsbeklagte ausführt, dass ihr dadurch erheblicher Schaden entstehe, dass die steitgegenständlichen Äußerungen durch einen bekannten Politiker getätigt worden seien, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Gerade im politischen Geschäft sind überspitzte Formulierungen bezüglich anderer Parteien gängig und ein im Regelfall zulässiges Mittel zum Werben für die eigene Partei. Politische Tätigkeiten und Aussagen zeichnen sich gerade durch das Tätigen von Meinungsäußerungen - auch über Inhalte und Vorhaben anderer Parteien - aus.


    Vor diesem Hintergrund ist es der Verfügungsbeklagten vorliegend grundsätzlich möglich und zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Mithin hat die Verfügungsbeklagte nicht hinreichend dargelegt, warum ihr dies nicht zuzumuten sei.




    3. Dazu fehlt es dem Antrag zu 1. auch an dem Verfügungsanspruch. Nach vorläufiger Prüfung der Sachlage steht der Verfügungsklägerin kein Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, §§ 186 f. StGB zu.


    a) Die Behauptungen, dass eine Partei nicht auf dem Boden der Verfassung stehe oder Ermittlungen politisch beeinflussen wolle, sind objektiv nur schwer überprüfbar. Ausgangspunkt für eine behauptete Verfassungswidrigkeit ist regelmäßig das eigene Verständnis über den konkreten Aussagegehalt grundgesetzlicher Normen, welche in vieler Hinsicht uneindeutig sind. Soweit sich die Verfügungsklägerin auf das Grundgesetz als Beweisinstanz beruft, ist festzuhalten, dass auch die Normen des Grundgesetzes einer subjektiven Interpretation bedürfen und daher als objektive Prüfung zum Feststellen des Wahrheitsgehaltes einer Aussage, zumindest im hier ersichtlichen Kontext, untauglich sind.


    b) Auch die abstrakte Bezeichnung der "politischen Einflussnahme" lässt sich anhand objektiver Parameter nur schwer messen. Wo die Grenzen der politischen Einflussnahme sind, lässt sich nicht allgemeingültig feststellen. Die Verfügungsklägerin führt in ihrem Antrag zwar aus, dass sie in ihrem Programm nur fordere, personenbezogene Daten zu löschen, die ganz ausdrücklich nicht für ein Strafverfahren relevant sind oder waren. Sie verhält sich jedoch nicht dazu, warum diese Forderung nicht auch schon als politische Einflussnahme gewertet werden könnte. Vielmehr zeigt dies, dass der Äußerung des Verfügungsbeklagten ein (zutreffender) Tatsachenkern zugrunde lag. Alleine die aus Sicht der Verfügungsklägerin unzutreffende Bewertung und das Ziehen unerwünschter Schlussfolgerungen, begründet keinen Unterlassungsanspruch.


    c) Das Gericht hat in die vorläufige Bewertung der Sachlage auch eingestellt, dass mehrdeutige, also interpretationsfähige Äußerungen im Zweifel so zu deuten sind, dass der Meinungsfreiheit bestmögliche Geltung verschafft wird. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Meinung oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt, zumal sich beide Äußerungsformen vielfach überschneiden und nicht sinnvoll voneinander getrennt werden können. Der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Geltung dieses Zweifelssatzes von der jeweiligen Prozesssituation abhängig ist (vgl. für Schadensersatz, Widerruf, Berichtigung BVerfG NJW 2006, 3769, 3773; 2008, 1654, 1655 nicht hingegen für Unterlassung und Beseitigung) folgt das Gericht nicht. Die Anwendung des Zweifelssatzes trägt der schlechterdings unverzichtbaren Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung. Die Bedeutung von Rede und Gegenrede für das demokratische Prinzip hängt nicht davon ab, welches Anspruchsziel erreicht werden soll. Ebenso wenig differenzieren die von den Gerichten gem. Art. 1 Abs. 3 GG wahrzunehmenden Schutzpflichten, die alleine die Anwendung des Privatrechts im Lichte der Grundrechte zu rechtfertigen vermag, wohingegen es eine auch nur mittelbare Drittwirkung nicht gibt, nach den in Details geringfügig differierenden Anspruchszielen. Die Meinungsfreiheit ist in allen Konstellationen relevant. Ein Prinzip, das dessen elementare Bedeutung schützen soll, beansprucht folglich ebenso in allen Fallgestaltungen Geltung, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist.


    d) Insgesamt handelt es sich - soweit im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens überprüfbar - bei den streitgegenständlichen Aussagen um Meinungsäußerungen. Jedenfalls aber legt die Verfügungsklägerin nicht schlüssig dar, inwieweit ihr schon ein Schaden entstanden ist oder ihr weiterer Schaden bei Versagen der einstweiligen Verfügung entstehen würde.


    Nach alledem waren die Anträge allesamt zurückzuweisen.


    4. Die Kostenentscheidung (Antrag zu 4.) beruht auf § 91 ZPO.


    5. Auf Antrag des Antragstellers und aufgrund der besonderen Dringlichkeit wird gem. § 937 Abs. 2 ZPO auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.




    Geissler | von Gierke | Neuheimer

    Ich möchte an dieser Stelle mit der Erörterung des Sachverhaltes und der rechtlichen Bewertung hierzu zum Schluss kommen. Ich denke die Parteien haben ihren Standpunkt nun zur genüge untermauert, wenn auch in Teilen etwas inkohärent.


    Ich möchte noch einmal auf die prozessuale Komponente und die Hinweise zurückkommen, die Herr Prof. von Gierke zuvor ausgeführt hat. Die Beklagte zeigt sich, soweit ersichtlich, mit einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz im Falle einer Klage gegen die Berliner Allgemeine SE insgesamt einverstanden.


    Der Kläger hat dennoch noch nicht Stellung dazu genommen, ob er nun eine strafrechtliche Klage gegen einzelne Mitglieder des Vortandes der Berliner Allgemeinen anstrebt und er demnach die vorliegende Klage zurücknehmen möchte, oder ob er sich grundsätzlich offen gegenüber einem ordnungsrechtlichem Verfahren gegen die Berliner Allgemeine zeigt. Ich würde hierzu noch um eine abschließende Wortmeldung des Herrn Harald F. Rache bitten, sofern er möchte.

    Herr Rache,
    Frau Christ-Mazur,


    wir sollten diese Verhandlung jetzt nicht zu einer Verhandlung über die Verfassungsmäßigkeit des FFDs machen, sondern uns auf den Vorwurf fokussieren, dass sich die Berliner Allgemeine der Beleidigung schuldig gemacht hat. Weiter soll die Verhandlung auch zu keinem Verhör zwischen Beklagter und Kläger werden, daher bitte ich darum, sich mit Anschuldigungen zurückzuhalten.


    Frau Christ-Mazur, Sie verwirren mich nun etwas, muss ich zugeben. Sie behaupten nun, man könnte die streitgegenständliche Grafik unter Umständen als Tatsachenbehauptung ansehen, wenn es nämlich keinerlei Anhaltspunkte für die Verfassungsfeindlichkeit des FFDs gäbe. Das überrascht mich jetzt, weil eine Veröffentlichung eigentlich immer entweder als Tatsachenbehauptung oder aber als Meinungsäußerung klassifiziert werden kann und dies im Regelfall nicht von etwaigen Begleitumständen abhängt. Wenn Sie nun also behaupten, die Grafik könne auch als Tatsachenbehauptung angesehen werden, muss ich Sie an dieser Stelle noch einmal Fragen, zu welchem Zwecke die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Grafik nun wirklich diente, zur Information unter Darstellung einer Tatsache oder zur Äußerung der eigenen Meinung? So vehement wie Sie nun darauf beharren, dass das FFD eine verfassungsfeindliche Partei sei, bekomme ich mehr und mehr den Eindruck, dass die Veröffentlichung vielleicht doch überwiegend das Ziel hatte, über die behauptete Verfassungsfeindlichkeit des FFD zu informieren, anstatt diese Behauptung schlicht übertrieben in den Raum zu stellen.

    Herr Rache, wenn Sie die Verurteilung des Vorstandes der Berliner Allgemeine SE begehren, weshalb klagen Sie dann Vorliegend die Berliner Allgemeine SE als juristischer Person an?


    Weiter besteht der Vorstand einer SE üblicherweise aus mehreren Personen, mir erschließt sich nicht, welches Vorstandsmitglied hierbei nun belangt werden soll - nebenbei erfolgt eine Bezeichnung des zu verurteilenden Vorstandsmitglied im Antrag nicht. Können Sie hierzu Stellung beziehen?


    Schließlich ist nach den allgemein zugrunde liegenden strafrechtlichen Prinzipien immer der Täter einer Straftat für seine Tat zu belangen. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorstand bzw. ein Mitglied desselben vorliegend auch der Täter, also der Autor der streitgegenständlichen Grafik, ist. Können Sie erläutern, auf welcher Grundlage eine Verurteilung des Vorstandes hier erfolgen soll?

    Betritt mit Vizepräsident von Gierke den Verhandlungssaal.



    Ich eröffne hiermit die Verhandlungen

    in dem Verfahren 4 BvT 4/21


    in dem Rechtsstreit


    des Freiheitlichen Forum Deutschlands,

    vertreten durch Herrn Harald Friedrich Rache

    - Klägerin -


    g e g e n

    Berliner Allgemeine SE,

    vertreten durch Madeleine von Brauchitsch

    - Beklagte -


    w e g e n


    Verstoß gegen § 185 StGB.



    Sehr geehrte Damen und Herren,

    geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der klagenden und beklagten Partei,


    der durchzuführenden mündlichen Verhandlung liegt eine Klage des Freiheitlichen Forum Deutschlands zugrunde, welche in einer Veröffentlichung eines Bildes durch die Berliner Allgemeine SE, in welchem zwei Vertreter der Klägerin in Verbindung mit Adolf Hitler gebracht werden, einen Verstoß gegen § 185 StGB sieht. Es geht in diesem Verfahren also grundsätzlich um die Frage, ob durch die Veröffentlichung die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten wurde und diese Veröffentlichung somit als Beleidigung zu werden ist. Die Abwägung zwischen Allgemeinem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf freie Meinungsäußerung ist immer eine sehr schwierige, komplexe Angelegenheit, da die Beurteilung immer für den konkreten Einzelfall zu erfolgen hat.



    Ich darf nun die Klägerin um das Eingangsplädoyer bitten.



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    Das Oberste Gericht gibt bekannt:




    Die mündliche Verhandlung,

    in dem Rechtsstreit



    des Freiheitlichen Forum Deutschlands,

    vertreten durch Herrn Harald Friedrich Rache

    - Klägerin -


    g e g e n


    Berliner Allgemeine SE,

    vertreten durch Madeleine von Brauchitsch

    - Beklagte -



    w e g e n


    Verstoß gegen § 185 StGB




    beginnt am Donnerstag, 7. Januar 2022 um 11:00 Uhr.




    Geissler | von Gierke



    OBERSTES GERICHT

    – 4 BvT 3/21 –


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    In dem Rechtsstreit



    des Freiheitlichen Forums Deutschlands,

    vertreten durch Herrn Harald Friedrich Rache

    - Klägerin -


    g e g e n


    Berliner Allgemeine SE,

    vertreten durch Madeleine von Brauchitsch

    - Beklagte -


    - Prozessbevollmächtigte:
    Dr. Viktoria Christ-Mazur
    Dr. Nadine Schlupp



    w e g e n


    Äußerungsrecht


    hat das Oberste Gericht - Vierter Senat - unter Mitwirkung der Richter



    Präsident Geissler,


    Vizepräsident von Gierke,



    am 27. Dezember 2021 einstimmig beschlossen:



    1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.


    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.



    G r ü n d e :


    I.


    Die Klägerin sucht das Oberste Gericht um Rechtsschutz wegen der Verbreitung einer Grafik durch die Beklagte. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 erhob die Klägerin einen als "Klage" bezeichneten Anspruch gegen die Beklagte und machte geltend, die streitgegenständliche Grafik stelle eine unzulässige Schmähkritik dar. Eine Konkretisierung des Klagebegehrens erfolgte, trotz eines diesbezüglichen Hinweises des erkennenden Gerichts vom 21. Dezember 2021 (OG, Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2021 zum Verfahren 4 BvT 3/21, I.), nicht.



    II.


    Die Klage war als unzulässig abzuweisen, weil der einleitende Schriftsatz nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO obliegt es dem Kläger den Gegenstand der Klage, den Grund des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag zu bezeichnen. In dem Klageantrag konkretisiert sich der Streitgegenstand, dessen Bestimmung nach dem Dispositionsgrundsatz alleine dem Kläger obliegt. Zwar wurde der maßgebliche Sachverhalt, entgegen der Auffassung der Beklagten, nachvollziehbar und hinreichend dargestellt und begründet, doch ist neben dem Sachverhalt die Geltendmachung eines bestimmten Anspruchs erforderlich, ohne dass es auf die rechtliche Qualifizierung des Anspruchs ankommt (vgl. zum Ganzen Zöller/Vollkommer, vor § 1 ZPO Rn. 82 ff. m. w. N.). Erforderlich ist, dass das Rechtsschutzbegehren aus dem Schriftsatz hervorgeht. Dem genügt die an das Gericht gerichtete Aufforderung sich der Sache anzunehmen erkennbar nicht.



    1. Die Klägerin hat im einleitenden Schriftsatz nicht erklärt, zu welchem Verhalten die Beklagte verpflichtet werden soll und es ergibt sich auch keinesfalls aus der Natur des Äußerungsrechts, dass stets ausschließlich Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden. Denkbar wären ebenso Schadensersatz- und/oder Gewinnabschöpfungsansprüche. Die Klägerin hat nicht zum Ausdruck gebracht, welche Rechtsfolge sie begehrt.


    2. Diese kann auch nicht im Wege der Auslegung der Klageschrift ermittelt werden. Zwar ist es naheliegend, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend machen will. Doch muss dieses Begehren in der Klageschrift, zumal diese der Form unterliegt (vgl. § 496 ZPO), zumindest angedeutet sein. Andernfalls würde sich das Gericht eine Kompetenz anmaßen, welche es im vom Dispositionsgrundsatz getragenen Zivilprozess nicht hat und zudem die klaren Voraussetzungen der §§ 253, 496 ZPO umgehen. Das Gericht darf und muss im Rahmen der materiellen Prozessleitungspflicht ggf. darauf hinwirken, dass der Streitgegenstand so genau benannt wird, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, Entscheidungsreife herzustellen. Es hat aber weder das Recht noch die Pflicht, seine Auffassung eines sinnvollen Antrags an die Stelle des Klägers zu setzen. Die Grenzen der materiellen Prozessleitung zur unzulässigen Prozessberatung werden vielmehr überschritten, wenn eine Prozesspartei auf etwaige Unzulänglichkeiten hingewiesen wird und es, soweit keine Abhilfe durch die betroffene Prozesspartei erfolgt, diese Abhilfe ersatzweise selbst vornimmt. Dies entspräche aber einer Auslegung der Klageschrift in der vorgenannten Weise. Das Gericht hat der Klägerin mit Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2021 (OG, Hinweisbeschluss vom 21. Dezember 2021 zum Verfahren 4 BvT 3/21) Gelegenheit zur Konkretisierung des Streitgegenstands gegeben, ohne dass eine solche erfolgt wäre.


    3. Bei der durch Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 erhobenen Klage handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine eigenständige Zivilklage und nicht um eine Privatklage. Auch auf diese Bedenken wurde die Klägerin hingewiesen. Dass die Klägerin diesen Hinweis zur Kenntnis genommen und verstanden hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass sie mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 eine weitere "Klage" erhoben hat (Az. 4 BvT 4/21), in der sie ausdrücklich die Verurteilung gem. § 185 StGB begehrt. Dieser Schriftsatz ist von der äußeren Form und dem Inhalt als neuer Schriftsatz gestaltet, welcher auf den vorigen Hinweisbeschluss des Gerichts keinen Bezug nimmt, sodass davon auszugehen ist, dass in dem hier zu entscheidenden Verfahren eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Die simulationsbedingt schwierige Abgrenzung kann, da es mangels Staatsanwaltschaft kein Anklagemonopol gibt und dem Obersten Gericht gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. 35 Abs. 1 Satz 3 OGG gleichwohl die Strafgerichtsbarkeit hinsichtlich der Privatklage übertragen wurde, nur anhand des im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB entsprechend) ermittelten Willen des Klägers erfolgen.



    III.


    Gemäß § 14 Abs. 4 OGG konnte das Gericht auch ohne Zustimmung der Klägerin durch Beschluss entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


    Das Gericht weist abschließend daraufhin, dass über die Rechtmäßigkeit der Verbreitung der Grafik im materiellen Sinne, sowie über die durch Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 erhobene Klage (Az. 4 BvT 4/21) vorliegend nicht entschieden wurde.



    Die Entscheidung ist unanfechtbar.




    Geissler | von Gierke

    OBERSTES GERICHT

    – 3 BvF 1/21 –


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    IM NAMEN DES VOLKES



    In dem Verfahren
    zur verfassungsrechtlichen Prüfung,

    über den Antrag festzustellen,



    dass der Antrag zum Entwurf eines Gesetzes über die Einführung eines Familienpasses im Landtag Nordrhein-Westfalen mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar ist


    Antragsteller:

    Harald Friedrich Rache, Mitglied des Deutschen Bundestages



    hat das Oberste Gericht – Dritter Senat –

    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsident Geissler,


    Vizepräsident von Gierke,



    am 21. Dezember 2021 einstimmig beschlossen:



    Der Antrag wird verworfen.



    G r ü n d e :


    I.


    1. Der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle bezieht sich auf einen im Landtag Nordrhein-Westfalen eingebrachten Gesetzentwurf, der die Einführung eines Familienpasses vorsieht (LT-Drs. VII/020).


    2. Der Antragsteller, Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Deutschen Bundestages, sieht durch den Antrag eine drohende Herabwürdigung von einkommensschwachen Familien, welche durch das Vorzeigen des Ausweises herabwürdigt würden. Er sieht hierin einen Eingriff des Staates in die Menschenwürde nach Art. 1 GG.



    II.


    Der Antrag ist offensichtlich unzulässig.


    Ein noch nicht beschlossener und ausgefertigter Gesetzentwurf ist im abstrakten Normenkontrollverfahren kein tauglicher Antragsgegenstand. Der Ausschluss der vorbeugenden Normenkontrolle erfordert für die Zulässigkeit des Antrages im Allgemeinen ein abgeschlossenes ordentliches Gesetzgebungsverfahren sowie die Ausfertigung des Gesetzes und seine Verkündung im Gesetzblatt. Besondere Umstände für eine Abkehr hiervon liegen nicht vor und wurden durch den Antragsteller auch nicht dargetan.



    Die Entscheidung ist unanfechtbar.



    Geissler | von Gierke

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    BEKANNTMACHUNG



    Nach vollständiger Neuwahl des Obersten Gerichts erging folgender einstimmiger Beschluss des Plenums:


    1. Prof. Dr. Robert Geissler wird zum Präsidenten des Obersten Gerichts bestimmt.

    2. Prof. Dr. Roland von Gierke wird zum Vizepräsidenten des Obersten Gerichts bestimmt.


    Geissler | Gierke | Müller | Schlupp