Herr Präsident, werte
Anwesende,
es ist gut, dass die
Allianz-Fraktion dieses wichtige Thema zur Sprache gebracht hat und
dass dieses hohe Haus über dieses Thema leidenschaftlich debattiert.
Ein gutes Zeichen dafür, dass es in Zukunft weitere lebhafte
Aussprachen geben wird, und ein gutes Signal für unsere gelebte
parlamentarische Demokratie. Nun, lassen Sie mich sagen: wir haben
dieses Thema in den Regierungsfraktionen ausgiebig erörtert und sind
zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine Laufzeitverlängerung
nicht angezeigt ist, möglicherweise sogar schädlich wäre. Es gibt
Einiges, das ich aufarbeiten möchte, hierzu gleich im Einzelnen.
Doch zunächst eine Vorbemerkung:
Ihr Argumente sind total ideologisch verblendet.
Herr Willenburg, ich finde es ja
wirklich interessant, wie oft Konservative progressiven Kräften
vorwerfen, ideologisch getrieben zu agieren und zu argumentieren. Was
soll das sein? Richtig, der Vorwurf ideologischer Verblendung ist
nichts weiter als ein billiger Lieblingskampfbegriff der politisch
Konservativen und vor allem Ihrer Partei, mit dem versucht wird, die
gegnerische Ansicht zu delegitimieren, wenn bemerkt wird, dass die
eigene Argumentation wie ein Kartenhaus jämmerlichst zusammenbricht.
Wenn das die sachorientierte Realpolitik ist, die Sie und Ihre Partei
betreiben wollen, dann danke für nichts.
Und wenn wir schon bei ideologiefreier
und sachorientierter Debatte sind, dann wäre es doch mal Zeit, alle,
und zwar wirklich alle (!) Fakten auf den Tisch zu knallen. Und das,
denke ich, sollten wir mal machen. Denn, Herr Willenburg, Sie preisen
Ihren Atomstrom als gäbe es kein Morgen, doch vergessen dabei die
nackten Zahlen. Diese auf dem Tisch habend, käme man zu dem Schluss,
dass sie eine Laufzeitverlängerung gegenwärtig nicht lohnt. Denn
die Kostenersparnis würde für das Jahr 2023 gerade einmal vier (!)
Prozent bei voller Auslastung betragen, wie das
Ifo-Wirtschaftsinstitut errechnet hat. Für 2024 wären es sogar nur
noch 1,3 Prozent Preisersparnis. Überdies - hier muss ich Sie
korrigieren, Herr Leybrock – wird auch durch Kernkraftwerke
Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre emittiert – zwar weniger als
bei Kohlekraftwerken, aber Emissionen finden immer noch statt. Das
könnte man durch erneuerbare Energien deutlich klimaneutraler
erreichen.
Der, wie aufgezeigt, geringe Nutzen
einer Laufzeitverlängerung steht in keinem, in keinem Verhältnis zu
dem Aufwand, den man leisten müsste, um die Atomkraftwerke in
Betrieb zu halten: denn unsere Reaktoren sind nicht so gut in Schuss,
wie das hier von Allianz und FORUM – Womöglich ideologisch
verblendet? Man weiß es nicht. - dargestellt wird: Erst an diesem
Montag ist bekanntgeworden, dass ein Leck auf Grund eines
verschlissenen Druckventils im Kühlkreislauf (!), der eine
Kernschmelze verhindern soll, des AKW Isar 2 reparaturbedürftig ist.
Das müsste im Falle eines Weiterbetriebes – Preußen Elektra zu
Folge – noch im Oktober repariert werden. Oder das Kraftwerk
Emsland, nicht besser. 2015 musste es – wieder auf Grund einer
Leckage - abgeschaltet werden. 2017 wieder eine Leckage, 2019 gab es
Risse in Rohrleitungen. Und dann noch Neckarwestheim: Seit Längerem
(!) sind Risse in den Dampferzeugern bekannt, die zu keinem Zeitpunkt
behoben wurden. Sollte eines der Rohre abreißen, brechen oder
bersten, käme es zu einem Kühlmittelverlust, der dazu geeignet ist,
eine Kernschmelze (!) herbeizuführen. Sagen Sie mal, wen wollen Sie
hier eigentlich verarschen? Die Atomkraftwerke sind vieles, aber
sicher nicht gut gewartet und auf dem besten Stand.
Und dann wären da noch sommerliche
Dürren. Atomkraftwerke beziehen ihr Kühlwasser in der Regel über
Flüsse. Schon im jetzt zurückliegenden Sommer war der Pegelstand
zahlreicher Flüsse äußerst niedrig. Wie soll im Sommer 2023 und im
Sommer 2024, Herr Willenburg, die Kühlwasserversorgung auf
klimaschonende Weise sichergestellt werden? Hoffen, dass es nicht so
heiß wird? Fahren, was dann wiederum mit Blick auf
Kohlenstoffdioxid-Emissionen in die Atmosphäre problematisch wäre?
Klären Sie uns doch mal bitte auf.
Dazu kommen noch enorme
finanziell-wirtschaftliche wie rechtliche Probleme. Verträge müssten
geändert werden; überdies wollen die Betreiber im Falle eines
Weiterbetriebes nicht mehr die Erfüllung der
Genehmigungsvoraussetzungen, die für das Erteilen der
Betriebsgenehmigung – die wiederum erneut zu verlängern wäre –
notwendig wäre, sicherstellen, sondern die Verantwortung an den Bund
abgeben. Das würde wiederum erfordern, dass der Bund die
Haftpflichtversicherung sicherstellen müsste. Ein Super-GAU würde
430 Milliarden Euro – also etwa einen Bundeshaushalt (!) - kosten.
Ja, Strom kommt originär nicht aus der Steckdose – aber genauso
wenig kommt Geld originär aus dem Portemonnaie. Scheinbar ist das
noch nicht bei allen angekommen.
Summa summarum: Eine Laufzeitverlängerung und das Betreiben einer Hochrisikotechnologie lohnt sich nicht, wäre risikobehaftet und wäre überdies mit zahlreichen finanziellen Belastungen verbunden. Das müsste eigentlich jede Person, die sich - genauso wie die Atomexpertin Manuela Kotting-Uhl - mit dem Thema auseinandergesetzt hat, erkennen. Deswegen ist der Antrag nicht einlassungsfähig und sollte abgeschmettert werden. Besten Dank.