Beiträge von Dr. Joachim Holler

    Frau Vorsitzende,


    nein, soweit ersichtlich kam es zu keiner direkt gegen staatliche Einrichtungen gerichtete Handlungen, es blieb lediglich bei der glaubhaften Androhung solcher. Ziel des Umsturzversuches war es, eine zweite - nicht gewählte - Regierung mit Unterstützung von Teilen der Polizei und der Bundeswehr zu etablieren und die demokratisch gewählte Regierung abzusetzen bzw. zu ersetzen. Zu einem gewaltsamen Umsturz kam es schließlich nicht.


    Auch die zweite Frage ist - grundsätzlich - zu verneinen. Vielleicht könnte das Gericht spezifizieren, was es als "Handlungen gegen staatliche Einrichtungen" versteht?

    Entweder ist es SimOn, dann muss es beachtet werden oder es ist ein Verstoß gegen die Spielregeln, der dann dazu führt, dass dieser Beitrag so zu behandeln ist, als gäbe es ihn nicht.

    Genau. Ein Spielregelverstoß durch den Putschversuch wurde nicht festgestellt, also ist die Situation sim-on und es muss beachtet werden.


    Und nochmal: Wenn ich jetzt simuliere, mit einem Flugzeug in den Reichstag zu fliegen, muss man dann damit rechnen, dass diese Handlung von der "Spielerschaft aufgenommen" wird, also gültig ist?

    So wie die Regeln derzeit sind und wenn die Spielerschaft das so machen würde. Mit welcher Absicht würde man eine solche Situation konstruieren wollen, wenn nicht mir der, von der Spielerschaft angenommen zu werden? Eine Meldung und die Beurteilung durch die Moderation als von der Spielerschaft gewähltes Gremium wäre ohne Weiteres möglich. Ein dann festgestellter Spielregelverstoß würde - wie beschrieben - dazu führen, dass es ihn sim-on nicht gibt. Das ist insoweit schlüssig und praktikabel.

    Das ist so nicht korrekt. Wenn der Spielerschaft eine Handlung aufgezwängt werden würde, stünde dieser der Rechtsweg (Moderation) offen. Aber man muss doch damit rechnen, dass eine konstruierte Handlung von der Spielerschaft angenommen wird und dann auch mit den Konsequenzen leben. Niemand wird gezwungen solche Situationen zu erschaffen/simulieren. Was es mit Gerechtigkeit zu tun haben soll, wenn man ungezwungen, mit Absicht und ernsthaft einen Putschversuch simuliert und dies dann simulationsintern nicht aufgegriffen werden dürfen soll, ist nicht wirklich nachvollziehbar.

    Frau Vorsitzende,


    es ist mir ehrlich gesagt nicht nachvollziehbar, warum der Putschversuch keine simulationsinterne Wirkung entfalten können sollte. Der Antragsgegner hat den entsprechenden Putschversuch getätigt und es wurde von mehreren Seiten sim-on auf diesen Putschversuch reagiert. Es stand mithin nie in Zweifel, dass diese simulierte Simulation keine Wirkung entfalten solle. Der Antragsgegner hat auch nie gefordert, dass dieser Putschversuch sim-on nicht behandelt werden solle. Dass der Antragsgegner nun plötzlich behauptet, der Putschversuch könne keine Wirkung entfalten, weil ihm dies in diesem Verfahren gerade genehm wäre, ist zwar nachvollziehbar - dennoch kann diesem Wunsch konsequenterweise nicht entsprochen werden. Dieser Putschversuch stellt mithin keine absolut unrealistische Situation dar. Der Antragsgegner hat sich bewusst dazu entschlossen, den Putschversuch zu simulieren. Dass er dann auch mit simulationsinternen Konsequenzen zu rechnen haben muss, sollte außer Frage stehen. Nun im Nachhinein damit anzukommen, dass dies doch gar keine Wirkung entfalten könne, ist inkonsequent. Der Antragsgegner hat Recht damit, dass es sich hier um keinen Grenzfall handelt. Der simulierte Putschversuch ist offensichtlich im simulationsinternen Rahmen passiert und es wurde sim-on entsprechend darauf reagiert, sodass er Teil der simulierten Geschichte der vBundesrepublik ist.

    Frau Vorsitzende,


    gerne darf ich auf den Bevollmächtigten des Antragsgegners im Einzelnen replizieren:

    Allgemein wird das Gericht darauf hingewiesen, dass für die konkreten Behauptungen des Antragstellers ausnahmslos konkrete Handlungen und Äußerungen von Mitgliedern des Antragsgegners vorgelegt werden können. Eine Vielzahl an Beweisen ist in der Antragsschrift gelistet. Das Gericht möge dennoch darauf hinweisen, wenn es - zusätzlich zu den hier vorgebrachten Zitaten - zu einzelnen Behauptungen eine Vorbringung weiterer Beweise in der mündlichen Verhandlung wünscht. Würden alle Beweise zu jeder Behauptung angeführt, würde dies den Rahmen der mündlichen Verhandlung bei weitem sprengen. Kenntnis über die in der Antragsschrift vorgebrachten Vorwürfe und Beweise kann bei den Verhandlungsteilnehmern aus Sicht des Antragstellers jedenfalls vorausgesetzt werden.

    Frau Vorsitzende,


    bezüglich des Prüfungsmaßstabes darf ich an dieser Stelle an die Ausführungen des Antragstellers in der Antragsschrift verweisen.


    Kurz zusammengefasst: Die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. Art. 21 GG umfasst gem. des NPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts drei Wesensmerkmale, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlicht unentbehrlich sind, namentlich die Menschenwürde (1.), das Demokratieprinzip (2.) und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (3.).


    1.

    Diverse Ziele des Antragsgegners sind mit dem Prinzip der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinen.


    - Der Antragsgegner strebt die Etablierung einer Zweiklassengesellschaft auf Grundlage der finanziellen Stärke eines jeden an. Er zielt auf die Auslöschung des Solidaritätsprinzips - nicht nur im Rahmen der Bundesrepublik Deutschland - sondern insgesamt. Der Antragsgegner spricht den Menschen aufgrund ihrer finanziellen Stärke verschiedene Wertigkeiten zu. Der finanziell stärkeren Klasse sollen dabei diverse Privilegien eingeräumt werden. Die Politik des Antragstellers ist durchsetzt von einem Gesellschaftsbild, das davon ausgeht, dass die finanziell schwächeren den finanziell stärkeren Menschen unbedingt zu "gehorchen" hätten. Wer arm geboren wird, würde für immer arm bleiben und habe zu "dienen" und "fleißiger Untertan" zu sein. Diese Klassifizierung der Menschen und der Gedanke, dass gewisse Menschen grundsätzlich unfrei und einer übergeordneten Instanz unterworfen seien, widerspricht in eklatanter Weise dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, der einen die Menschenwürde konkretisierenden Charakter hat. Ein rechtlich aufgewerteter Status (aufgrund der finanziellen Stärke) ist schon prinzipiell ohnehin nicht mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu vereinen.


    - Der Antragsgegner zielt weiter auf die Etablierung einer Zweiklassengesellschaft "Deutsche-Nichtdeutsche". Deutsche seien "Bürger erster Klasse". Die politischen Aktivitäten des Antragsgegners zeigen einen regelrechten Kampf gegen Bürgerinnen und Bürger ausländischer Herkunft. Nur Deutsche - nach dem Verständnis des Antragstellers Ur-Deutsche, also Menschen deutscher Herkunft, "deutsche Blutes" und mit deutschen Ahnen - seien vollwertige Staatsbürger. Auch hier zeigt sich der Wunsch nach einer rechtlichen Ungleichstellung von Staatsbürgern "deutschen Blutes" und Staatsbürgern ausländischer Herkunft. Hierdurch zeigt sich wiederum der Verstoß gegen die Menschenwürde.


    - Die Menschenwürde ist gem. Urteil des Bundesverfassungsgericht schon dann verletzt, wenn die Wahrung persönlicher Individualität, Identität und Integrität angetastet wird. Dies ist hinsichtlich des Antragsgegners durch zahllose öffentlich verbreitete Vorurteile gegen Ausländer gegeben. Asylsuchende werden pauschal als arbeitsunwillig bezeichnet, sie lägen dem Staat nur auf der Tasche. Dazu seien sie kriminelle Brandstifter. Die Existenz von aufgrund Krieges oder politischer Verfolgung flüchtenden Menschen wird - abgesehen von den Flüchtlingen aus der Ukraine - prinzipiell geleugnet. Dazu fordert der Antragsteller nicht nur eine Abschiebung aller "sogenannten Flüchtlinge", sondern impliziert in seinen Aussagen in Teilen auch, dass eine gewaltsame Vertreibung jener nicht auszuschließen sei.


    - In der Ideologie des Antragsgegner ist Homophobie tief verwurzelt. Neben der Tätigung pauschaler und falscher Tatsachenbehauptungen ("verseuchtes Blut") zielt der Antragsgegner auch auf eine rechtliche Ungleichstellung und staatliche Diskriminierung von Homosexuellen. Das öffentliche Zeigen seiner Homosexualität solle unter Strafe gestellt werden. Auch diese homophobe Haltung und die Zielsetzungen des Antragsgegners sind nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz als Ausprägung der Garantie der Menschenwürde vereinbar.


    - Dazu fordert der Antragsteller die - gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßende - Wiedereinführung der Todesstrafe.



    2.
    Der Antragsgegner verfolgt auch Ziele, die mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar sind.


    - Der Antragsgegner fordert, das Deutschland ausschließlich von Deutschen (Menschen deutschen Blutes) regiert wird. Er zielt somit auf den Ausschluss von Personen nicht deutscher Abstammung - zumindest vom passiven - Wahlrecht. Diese Missachtung des Grundsatzes der allgemeinen und gleichen Wahl stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Demokratieprinzip dar.


    - Die im März 2021 erfolgte Selbsternennung zum Regierungschef in Thüringen durch den Parteivorsitzenden des Antragsgegners sowie der Putschversuch bzw. der Versuch zum Erschaffen einer "Parallelregierung" offenbart ein dem Grundgesetz eklatant zuwiderlaufendes Verständnis des Demokratieprinzips.


    - An Wahlen im Allgemeinen hat der Antragsgegner nur geringes Interesse. Viel mehr fordert der Antragsgegner immer wieder ein "bestimmen durch die Oberschicht". Auch parteiintern fanden - nach Aussagen eines ausgetretenen Mitglieds - wenn überhaupt nur sporadisch Wahlen statt. Parteifunktionäre wurden teils ernannt statt demokratisch gewählt. Entsprechend zeugen auch parteiinterne Vorgänge von einem tiefen Missverständnis des Demokratieprinzips.



    3.

    Schließlich verstößt der Antragsgegner durch sein politisches Agieren auch gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip.


    - Zur Rechtsstaatlichkeit im engeren Sinne zählen die Achtung der Grundrechte, der Gewaltenteilung, der Gleichbehandlung durch das Gesetz, der Vorbehalt des Gesetzes und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Eine grundsätzliche Missachtung diverser Grundrechte durch den Antragsgegner sollten außer Frage stehen. Als Beispiel sei der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gesetzliche Diskriminierungsverbot, die Religionsfreiheit, die Pressefreiheit und das Recht auf politisches Asyl zu nennen. Genaueres ist der Antragsschrift zu entnehmen.


    - Auch das Gewaltmonopol des Staates erkennt der Antragsgegner nicht an. Dies ist durch den Aufruf zu "zivilem Ungehorsam" und die Beauftragung privater Sicherheitsfirmen zur "Unterstützung der Polizei" zu belegen.



    Die Beseitigung oder Beeinträchtigung ergibt sich durch diverse politische Initiativen des Antragsgegners, wie etwa durch Anträge zum vollständigen Aufnahmestopp für Flüchtlinge, zur Wiedereinführung der Todesstrafe, zur Einführung der Strafbarkeit von Homosexualität. Durch entsprechende Initiativen zeigt sich der Wille zur systematischen teilweisen Abschaffung zentraler, die Menschenwürde ausprägender, Elemente des Grundgesetzes. Dies ist zweifelsohne als Wille zur Beseitigung oder zumindest Beeinträchtigung der Menschenwürde zu werten.


    Gleiches gilt für die Versuche zur Beeinträchtigung des Demokratieprinzips, etwa durch die Selbsternennung zum Regierungschef und durch den Putschversuch in Thüringen.


    Auch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gefährdet der Antragsgegner mit hinreichender Intensität. Dies zeigt sich schon durch das Ziel, diverse Grundrechte systematisch zu untergraben. Weiter stellt auch der öffentliche Aufruf zur Leistung von "zivilem Ungehorsam" einen Versuch zur Beseitigung oder zumindest Beeinträchtigung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips dar.

    Frau Vorsitzende,


    ich darf ein letztes Mal betonen, dass die Ansicht des Antragsgegners, ein Parteiverbot, das zur Ausschaltung einer kompletten politischen Richtung führe, verstoße gegen das demokratische Prinzip der Volkssouveränität, fehl geht (vgl. BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 517). Demokratie und Volkssouveränität lassen sich nur in einem freiheitlichen, demokratischen Rahmen entfalten. Zielt eine Partei darauf, diese freiheitliche Ordnung zu beseitigen, dann dient ein Parteiverbot nicht einer Einschränkung, sondern gerade der Gewährleistung von Demokratie und Volkssouveränität (vgl. ebenda). Die freiheitliche demokratische Grundordnung stellt ihre grundlegenden Werte nicht - aus nicht dem Volk als Souverän - zur Disposition, da dies mit einer Einschränkung ebendieser unbedingt zu garantierenden Volkssouveränität einhergehen würde. Die Möglichkeit zum Verbot von Parteien, die auf die Abschaffung von dieser garantierten Volkssouveränität zielen, ist Ausdruck einer vom Demokratieprinzip vorgegebenen Selbstbeschränkung, indem sie eine dauerhafte Demokratie, eine dauerhafte Souveränität des Volkes gewährleisten soll. Die Demokratie eröffnet nicht die Freiheit zur Abschaffung der Demokratie.


    Ich weise auch darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Fragestellung, die der Antragsteller aufwirft, bereits entschieden hat.


    Die durch Art. 146 GG eröffnete Möglichkeit einer originären Verfassungsneuschöpfung steht einer Anwendbarkeit von Art. 21 Abs. 2 GG demnach nicht entgegen. Unabhängig von der Frage, ob Art. 146 GG lediglich in Fällen einer Verfassungsnovation unter Beachtung der Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG oder auch bei einer Totalrevision des Grundgesetzes anwendbar ist (vgl. zum Streitstand: Roellecke, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, 2010, § 13 Rn. 48 ff.; v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 146 Rn. 7 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 146 Rn. 39 ff. <November 2012>; Michael, in: Bonner Kommentar, Bd. 19, Art. 146 Rn. 637 ff. <November 2013>; Dreier, Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates, 2014, S. 433 ff. <452 f.>), bleibt das Grundgesetz bis zum Inkrafttreten einer in freier Entscheidung des deutschen Volkes beschlossenen neuen Verfassung in vollem Umfang in Kraft (vgl. BVerfGE 5, 85 <128>). Auch wenn Art. 146 GG dem Verfassungsgeber die Möglichkeit einer völligen Neuschöpfung der Verfassung eröffnen sollte, wird dadurch für die Dauer der Geltung des Grundgesetzes ein auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes aktives Handeln einer politischen Partei nicht legitimiert. Diese kann sich auf die Parteienfreiheit des Art. 21 Abs. 1 GG nur berufen, soweit ihr Handeln nicht gegen den unantastbaren Kernbestand einer freiheitlichen Demokratie gerichtet ist (vgl. zum gesamten Absatz: BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 518).

    Frau Vorsitzende,


    der Antragsteller sieht keine Notwendigkeit eines erneuten Aufgreifens der Frage, ob ein erneuter Beschluss des Bundesrates vonnöten gewesen wäre. Das Gericht hat über diese Frage in diesem Verfahren bereits entschieden. Alle Ansichten des Antragstellers diesbezüglich wurden im Schriftverkehr bereits dargelegt.



    Gerne gehe ich noch etwas weiter zur Zulässigkeit eines Parteiverbotes ein:


    Das Grundgesetz hat den Parteien in Art. 21 GG - im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung - erstmals eine besondere, von Vereinigungen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 GG abgehobene verfassungsrechtliche Stellung zugewiesen. Teil dieser Konstitutionalisierung der Parteien war die Schaffung der Möglichkeit eines Parteiverbotes. So ein Verbot sah bereits der Herrenchiemsee-Entwurf vor. Auch im Parlamentarischen Rat stand die verfassungsrechtliche Verankerung des Parteiverbots dem Grunde nach außer Streit, so dass lediglich Einzelfragen der Ausgestaltung des entsprechenden Tatbestands erörtert wurden (vgl. BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 513; v. Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR n.F., Bd. 1, 1951, S. 208 ff.; Meier, Parteiverbote und demokratische Republik, 1993, S. 151 ff.).


    Die Möglichkeit des Parteiverbotes steht auch gerade nicht im Widerspruch zum Demokratieprinzip. Um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen sieht das Grundgesetz gerade nicht die Freiheit vor, auf die Beseitigung dieser Ordnung zu zielen und diese zu verwirklichen. Zweck des Parteiverbotes sollte es auch sein, eine Wiederholung der Katastrophe des Nationalsozialismus zu verhindern. Eine unbedingte Freiheit der Parteien zur Beseitigung der Freiheit sieht das Grundgesetz nicht vor.


    Das Grundgesetz zielt auf die absolute Garantie der Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Selbst wenn ein beträchtlicher Teil - oder gar der mehrheitliche Teil - des Volkes eine Partei wählt, die auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Ordnung ausgeht, ist ein Verbot dieser Partei im Sinne des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geboten und zulässig. Eine freiheitliche Demokratie muss gerade auch den Schutz einer Minderheit vor Unterdrückung durch die Mehrheit garantieren. Dieser Schutz und dieser Gedanke der Demokratie steht nicht zur Disposition. Erkennt das Gericht entsprechend, dass eine politische Partei in Zukunft realistisch gesehen möglicherweise eine Durchsetzung von Zielen erreichen kann, die auf die Gefährdung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, ist ein Parteiverbot zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach dem Grundgesetz angezeigt. Die grundgesetzlich festgeschriebenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates sind unantastbar. Das Grundgesetz gewährt - selbst wenn es der Wille des Volkes wäre - in seiner derzeitigen Form keine Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Es wäre geradezu absurd, wenn das Grundgesetz die Abschaffung seiner eigenen Grundprinzipien zulassen würde.


    Vielen Dank.



    Frau Präsidentin,
    Sehr geehrte Richterinnen und Richter,


    der Antragsteller erachtet es als nicht notwendig, ausführlich zu erörtern inwieweit Art. 21 Abs. 2 GG als normative Grundlage für ein Parteiverbot gelten kann. Das Bundesverfassungsgericht hat sich im NPD-Verbotsverfahren bereits ausgiebig mit dieser Thematik beschäftigt und ist im Ergebnis zu dem eindeutigen Schluss gekommen, dass die Auflösung der Partei zwingend vorgegeben ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG vorliegen (vgl. BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 527). Es entspräche nicht dem Regelungskonzept des Art. 21 GG, würde eine Partei, die den Tatbestand des Art. 21 Abs. 2 GG erfüllt nur als verfassungswidrig erklärt, nicht aber aufgelöst bzw. verboten werden.


    Der Antragsteller verzichtet auf nähere Ausführungen zu der aufgeworfenen Frage und vermag keinen Grund zu erkennen, warum das Oberste Gericht vorliegend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes abweichen sollte. Entsprechend wird auf das Urteil zum NPD-Verbotsverfahren (Rn. 510 bis 527) verwiesen, in dem diese Frage ausführlich behandelt wurde.


    An der Zulässigkeit des Verbotsantrages können daher - in dieser Hinsicht - keine ernsthaften Zweifel bestehen.

    Hohes Gericht,

    Werte Damen und Herren,


    überhaupt erst zwei Mal hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Geschichte ein Parteiverbot ausgesprochen: Im Jahre 1952 gegen die Sozialistische Reichspartei, eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, und im Jahre 1956 gegen die Kommunistische Partei Deutschlands. In der jüngeren Geschichte des Bundesverfassungsgerichtes sind lediglich die zwei früher oder später gescheiterten NPD-Verbotsverfahren nennenswert. 2003 wurde ein NPD-Verbotsverfahren wegen Verfahrensmängeln eingestellt. Anfang März 2016 fand vor dem Bundesverfassungsgericht letztmalig eine Verhandlung über ein Parteiverbotsverfahren statt - beim zweiten Versucht, die NPD verbieten zu lassen. In diesem Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht in der Sache neue und überarbeitete Maßstäbe für das Verbotsverfahren gesetzt. Unter dem damaligen Präsidenten Andreas Voßkuhle hat das Bundesverfassungsgericht eine Leitentscheidung gefällt, die als Grundlage für nachfolgende Verbotsverfahren dienen sollte - dies hat das Bundesverfassungsgericht schon bei der damaligen Urteilsverkündung betont. Und der erste Leitsatz dieses Urteiles vom 17. Januar 2017 trifft es meines Erachtens sehr präzise: "Das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen."


    Gerade die Materie des Parteiverbotes ist eine so sensible wie keine andere in unserem demokratischen Staatsgebilde. Einerseits ist die Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG eine absolut zentrale Säule des demokratischen Rechtsstaates. Eine Demokratie, in der die Gründung der Parteien, die Betätigung der Parteien nicht frei ist, ist keine Demokratie. Eine Demokratie, in der die Parteien durch staatliche Maßnahmen in ihren politischen Zielsetzungen und Idealen beschränkt werden, ist keine Demokratie. Die Demokratie lebt von Kritik, lebt davon, dass die Parteien den Staat, im Sinne von der Bundesregierung, der staatlichen Organisation und dessen Wirkung auf die Gesellschaft, kritisieren und Veränderungen anstreben. Doch die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben dieser Parteienfreiheit - auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte - zwei klare Grenzen gesetzt. Die eine Grenze ist die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die andere ist die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland.


    Ich möchte auf letztere Grenze im Folgenden nicht zu sprechen kommen, da diese für das vorliegende Verfahren nicht maßgebend ist, sondern mich auf den Tatbestand der Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung konzentrieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil aus dem Jahre 2017 diesen Tatbestand konkretisiert und ihn so ausgelegt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG nur jene zentralen Grundprinzipien umfasst, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlicht unentbehrlich sind. Diese Prinzipien sind gem. des Urteils die Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG. Hinreichend für die Erfüllung des Tatbestandes aus Art. 21 Abs. 2 GG ist dabei, dass die Partei - und dies muss sich aus den Zielen der Partei und/oder dem Verhalten ihrer Mitglieder oder Anhänger ergeben - auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung nur eines dieser Wesensmerkmale zielt.


    Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil dann eine entscheidende Auslegung vorgenommen und den Begriff "Ausgehen" wie folgt definiert: Es müsse ein planvolles Vorgehen zur Erreichung der Beseitigung oder Beeinträchtigung gegeben sein und es müssten "konkrete Anhaltspunkte von Gewicht" vorliegen, die einen Erfolg der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung zumindest möglich erscheinen lassen.



    Hohes Gericht,


    es wird Teil dieser Verhandlung sein, die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG genauer zu beleuchten und die Aktivitäten des Antragsgegners vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Januar 2017 zu bewerten. Lassen Sie mich noch Folgendes vorneweg schicken: In Abstimmung mit dem Antragsteller haben wir uns eingehend mit dem Antragsgegner beschäftigt. Wir haben die uns zur Verfügung stehenden Beweise zusammengetragen, interpretiert und bewertet - weite Teile dieser Bewertung sind auch in der Antragsschrift enthalten. Wir haben nach dieser Bewertung eine Entscheidung treffen müssen, ob ein Verbotsverfahren gegen den Bund Unabhängiger Wähler, nun das Freiheitliche Forum Deutschlands, angestrengt werden soll. Die Bewertung der Beweislage im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hat uns zu dem Schluss gebracht, dass die Einleitung eines solches Verfahrens nicht nur Aussicht auf Erfolgt hat, sondern zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geboten und erforderlich ist. Dieser Verbotsantrag ist kein politischer Seitenhieb, sondern ein Mittel zum Schutz unsers freien demokratischen Rechtsstaates vor seinen organisierten Feinden.


    Der Antragsgegner hat mehr als nur einmal bewiesen, dass sie grundlegende Verfassungswerte nicht nur missachtet, sondern diese systematisch niederzuringen begehrt. Sie hat mehrfach bewiesen, dass sie sich über den Rechtsstaat hinwegzusetzen versucht und allen voran, dass sie sowohl nach innen als auch nach außen demokratische Grundsätze und -Prinzipien verachtet und abzuschaffen versucht. Hinzu kommt erschwerend - und als ganz entscheidende Abgrenzung zum NPD-Verbotsverfahren - dass der Antragsgegner seit geraumer Zeit nicht nur stetig in Landesparlamenten und im Deutschen Bundestag vertreten ist, sondern die Schwankungen ihrer Wahlergebnisse teils so extrem sind, dass eine Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung zwar noch nicht wahrscheinlich, jedenfalls aber möglich erscheint.


    Vor diesem Hintergrund - und sich der Auswirkung eines solchen Verbotes bewusst - hält der Antragsteller den Tatbestand aus Art. 21 Abs. 2 GG für erfüllt und ein Verbot des Freiheitlichen Forum Deutschlands für geboten und erforderlich.


    Vielen Dank!