Bayern | Matthias Linner bei Friedenskundgebung am Münchner Königsplatz

  • Bayerns Innenminister Matthias Linner war bei der heutigen Friedensdemonstration mit mehreren zehntausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern in München zu Gast und hielt am Königsplatz am heutigen Mittwoch eine Rede:




    Geschätzte Damen und Herren,

    Liebe Freundinnen und Freunde,


    die Bilder aus der Ukraine erschüttern uns alle seit Tagen. macht eine kurze Pause Diese Bilder stimmen uns betroffen, machen uns traurig, wütend, ratlos, verzweifelt. Krieg ist immer etwas Unbegreifliches, etwas Grausames, etwas Brutales. Wer Krieg noch nie erlebt hat, kann sich - wie auch ich selbst - wohl nicht ansatzweise vorstellen, wie das ist, wenn man jede Sekunde Angst um sein Leben haben muss, wenn man jede Sekunde Angst darum hat, dass Familie oder Freunde verletzt oder gar getötet werden könnten, wenn man jede Sekunde fürchten muss, dass die eigene Stadt, das eigene Zuhause, bombardiert und attackiert wird. Wohl nur wenige von uns können sich ausmalen, wie unvorstellbar grausam diese ständige Angst sein muss. Noch schlimmer wird es dann, wenn die Befürchtungen eintreten, wenn unschuldige Zivilisten im Krieg sterben oder verletzt werden und wenn Städte dem Erdboden gleich gemacht werden. Es sind dramatische Bilder die uns jeden Tag aus der Ukraine erreichen und bei mir immer wieder Gänsehaut auslösen. Wie kann jemand nur so herzlos und so brutal sein, einen solchen Krieg vorsätzlich anzuzetteln?



    München: 45 000 Menschen bei Ukraine-Demo auf dem Königsplatz - München -  SZ.de

    Foto: Süddeutsche Zeitung


    Dieser Krieg, liebe Freundinnen und Freunde, ist eine Tragödie. Eine Tragödie für den Frieden in Europa, eine Tragödie für die Wirtschaft, aber vor allem eine unfassbare Tragödie für die Menschen, die in der Ukraine leben oder gelebt haben. Tausende Menschen müssen von ihrem Zuhause fliehen, weil sie Angst um ihr Leben haben. Tausende Menschen suchen in benachbarten Staaten Schutz und Versorgung. Es ist die Aufgabe Europas, diesen Menschen Schutz zu gewähren, sie aufzunehmen, sie zu verpflegen. Es ist nichts Geringeres als die blanke Angst oder die pure Verzweiflung, die Menschen dazu veranlasst, ihr Zuhause aufzugeben und in ein fremdes Land zu ziehen, ohne Gewissheit, wo man denn am Ende landen wird. Wir müssen dafür sorgen, dass die Geflüchteten an einem sicheren Ort landen. Dieses Ziel verfolgen nicht nur wir in Deutschland, in Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Dieses Ziel verfolgt die Europäische Union als Ganze. Die EU will und muss sich gemeinsam organisieren und die Flüchtlingsfrage koordinieren, um den Geflüchteten bestmögliche Versorgung gewähren zu können. Wir in Deutschland müssen bereit sein, unseren Teil dazu zu leisten. Wir in Bayern sind jedenfalls bereit, schutzsuchende Menschen aufzunehmen, die vor dem Krieg, dem Elend, der Angst, dem Tod in der Ukraine geflohen sind. Alle Hebel dafür sind bereits in Bewegung gesetzt. Bayern ist bereit.



    Friedensdemo auf dem Königplatz.

    Foto: BR/Moritz Steinbacher



    Es gehört ja mittlerweile fast schon zur Tagesordnung, aber auch ich komme hier und heute nicht drum herum, den russischen Präsidenten Putin erneut dazu aufzufordern, die russische Aggression gegenüber der Ukraine sofort zu beenden und einen ausschließlich diplomatischen Weg aus dieser Krise und diesem Konflikt zu suchen und zu finden. Dieser Wahnsinn muss sofort gestoppt werden! Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands ist absolut inakzeptabel und stellt die Friedensordnung in Europa, die so lange soliden Bestand hatte, in Frage. Es ist schon an Dreistigkeit kaum zu überbieten, dass sich jemand dieses Infragestellen überhaupt anmaßt. Es ist aber noch viel dreister, wenn man dies unter Berufung auf faktisch unwahre Tatsachen, auf Lügen, stützt. Dieser Krieg soll niemanden befreien und schon gar nicht das Land "entnazifizieren". Dieser Krieg ist ein persönlicher Feldzug Putins gegen den Westen, den er für den Zusammenbruch der Sowjetunion verantwortlich macht. Diesen persönlichen Dissens auf dem Rücken hunderttausender Ukrainerinnen und Ukrainer, aber auch russischer Soldaten auszutragen, verstößt gegen die Menschenwürde, gegen die Menschenrechte und gegen die Menschlichkeit.


    Und doch erreicht Putin mit diesem Krieg gerade das, was er eigentlich nie haben oder erreichen wollte: ein geeintes Europa, einen geeinten Westen, der sich zumeist geschlossen gegen Russland stellt. Trotz aller Diskrepanzen in den letzten Jahren, zeigt sich die Europäische Union und die Weltgemeinschaft in Tagen wie diesen so geeint wie selten zuvor. Wir müssen und wir werden weiter klare Kante gegen Kriegsverbrecher und Mörder zeigen. Wir müssen Russland und Putin seine Grenzen aufzeigen. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir humanitäre Hilfe leisten, dass wir Waffenlieferungen an die Ukraine tätigen, sodass diese sich verteidigen kann und dass wir harte wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland erlassen. Es ist aber auch wichtig, dass wir bei der unübersichtlichen Lage einen kühlen Kopf bewahren und keine überstürzten Entscheidungen treffen. Es darf nicht passieren, dass die NATO direkte Konfliktpartei dieses Krieges wird, denn dann steht uns ein dritter Weltkrieg und womöglich das Ende der menschlichen Zivilisation bevor. Und das will nun wirklich niemand.


    Gerade in diesen Tagen wird uns die Fragilität unserer Friedensordnung und unserer Welt wieder vor Augen geführt. Ein Atomwaffenangriff Russlands und die ganze Welt könnte in Schutt und Asche aufgehen. Das Szenario ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Und man könnte meinen, die Leute hätten in Zeiten wie diesen noch Dinge zu erledigen, die sie schon immer mal machen wollten und dann doch auf die lange Bank geschoben haben - denn wer weiß, wie lange sich die Möglichkeiten noch bieten werden. Trotzdem aber gehen jeden Tag weltweit und auch hier in Deutschland tausende Menschen auf die Straßen und demonstrieren für Frieden und Freiheit. Ihr alle seid heute hier, in dem Wissen, dass ihr keine Möglichkeit habt, Einfluss darauf zu nehmen, was in der Ukraine gerade passiert oder was Putin als nächstes machen wird. Ihr alle wisst, dass diese Demonstration am Ende wohl nur eine unter vielen sein wird, an der akuten Lage aber nichts ändern werden kann. Und doch seid ihr heute hier - und das ist bemerkenswert. Und ich sage euch, es ist gut und es ist wichtig, dass ihr heute hier seid. Es ist wichtig, dass wir alle zeigen: Wir wollen keinen Krieg, wir wollen Frieden! Und es ist wichtig, dass wir uns mit der Ukraine solidarisieren. Die Ukraine braucht unsere Unterstützung in diesem Konflikt. Gerade Demonstrationen wie diese geben den Ukrainerinnen und Ukrainern Aufschwung, denn sie zeigen, Deutschland, Europa und die Welt steht hinter der Ukraine und unterstützt die Ukraine. Und selbst wenn es nur das Wissen um die Solidarität und die Unterstützung ist, was wir den Ukrainerinnen und Ukrainern mitgeben können, dann ist das schon ein Beitrag, den ihr und wir leisten können, um weiter gegen Russland zu bestehen.



    Blick auf die Menge der Demonstranten.

    Foto: News5



    Lasst uns deshalb weiter demonstrieren. Lasst uns weiter für den Frieden in Europa kämpfen. Dieser grausame Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden, bevor noch mehr unschuldige Kinder, Eltern, Großeltern, Familien, Menschen zu Schaden kommen. Wir wollen Frieden in Europa, wir wollen Frieden auf dieser Welt! Konflikte sind da, um mit Worten, um mit Diplomatie gelöst zu werden. Denn Krieg ist am Ende nichts anderes, als die Austragung eines politischen oder religiösen Konfliktes auf dem Rücken hunderter, tausender, zehntausender, hunderttausender unschuldiger Menschen. Das ist eine der größten Ungerechtigkeiten, die auf dieser Welt passieren. Lasst uns deshalb weiter für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen. Unser Zusammenhalt ist dem Hass und der Rachsucht Putins überlegen. Unsere Demokratie ist der Diktatur überlegen. Der Friede ist dem Krieg überlegen!


    Herzlichen Dank!