Schreitet zum Rednerpult, trinkt einen Schluck Wasser und beginnt dann.
Sehr geehrter Herr Präsident,
Geschätzte Kollegen,
Werte Zuseher und Hörer,
wie Herr Meier treffend am Beginn seiner Rede bemerkt hat, es ist eigentlich zu diesem Thema bereits alles gesagt und diskutiert worden was es zu diskutieren gibt. Und Herr Meier hat ebenso recht, wenn er sagt, so gut wie niemand würde etwas gegen die Verwendung geschlechtergerechter Sprache sagen. Denn - zumindest sehe ich das so - ist im 21. Jahrhundert kein Platz mehr für Diskriminierung auf Basis des Geschlechts. Ob Mann oder Frau, das sollte in der Behandlung durch die Gesellschaft keinen Unterschied machen. Doch leider ist dem noch nicht in allen Bereichen so. Und ich denke mal, aus gerade diesem Grund wird Herr Meier auch diesen Antrag eingebracht haben. Umso mehr stößt es einem sauer auf, wenn der Antragssteller, wenn Herr Meier selbst im nächsten Satz seiner Rede einen wahren Wasserfall an Klischees bezogen auf Geschlecht, Alter und Hautfarbe loslässt. Aber was solls, es ist offensichtlich niemand immun gegenüber Vorurteilen. Außerdem sollte dies nun wahrlich nicht das Hauptaugenmerk dieser Debatte sein.
Wenn wir uns nun dem Antrag widmen - und Herrn Meiers Argumentation - so werfen dieser und diese ein paar Fragen auf. Denn wie Herr Meier in seinen Ausführungen vermerkt hat, sieht der Antrag keine Definition der sogenannten "geschlechtsneutralen Sprache" vor, die ja in Texten künftig verwendet werden soll. Ich bitte Sie daher darum, sich jetzt mit mir auf eine kurze Reise durch die Geschichte der deutschen Sprache zu begeben, auf die Suche nach der "geschlechtergerechten Sprache". Schließlich hat man es sich verdient, zu wissen, was der Antrag des Herrn Meier genau bewirkt...
Was Viele auch heute noch glauben, von dem schrieb bereits in den 1980ern die Linguistin Luise F. Pusch: Deutsch sei eine "Männersprache". Bezogen war dies - und ist es in den Denkweisen vieler Menschen auch heute noch - auf das auch vom Herrn Kollegen bereits angesprochene "generische Maskulinum". Doch die Thesen der Frau Pusch wurden bereits vor Jahren von Sprachwissenschaftern als unwissenschaftliche Unhaltbarkeiten zurückgewiesen. Der Grund: Es gibt gar kein "generisches Maskulinum" in der deutschen Sprache. Und nein, bevor jetzt der rechte und der linke Teil des Hauses in Schnappatmung verfallen - die einen weil ich ihren beliebten "talking point" widerlegen werde, die anderen aus Schock, dass ich mit ihren Ansichten übereinstimme - sei eines gesagt: Sie haben alle nicht recht. Viele Konservative haben nicht recht, wenn sie sagen, es gäbe ein "generisches Maskulinum". Viele "Progressive" haben nicht recht, wenn sie sagen, man müsse irgendwelche Formen wie "Lehrer*in" anwenden, um unsere Sprache geschlechtergerecht zu machen.
Denn wie etwa die Sprachwissenschafter Ewa Trutkowski und Helmut Weiß in einer ihrer Arbeiten zeigen, bestand zwischen dem grammatikalischen und dem biologischen Geschlecht bei Personenbezeichnungen noch nie eine Übereinstimmung oder war eine solche vorgeschrieben. So unterschied man etwa beim Urahnen unserer Sprache, der sog. "indogermanischen Grundsprache" bei Bezeichnungen für Nomen zwischen zwei Kategorien, zwischen "unbelebt" und "belebt". Logischerweise umfasste die Kategorie "belebt" sowohl Frauen als auch Männer. Die Sprache hat sich zwar in vielen Dingen verändert, doch was noch immer bleibt, das ist diese gemeinsame Kategorie, dieser genus commune, für Frauen und Männer. Und auch wenn landauf landab gesagt wird, dies sei die maskuline Form, etymologisch gesehen ist dies schlicht und ergreifend falsch. Wie es die bereits erwähnten Wissenschafter so treffend formulieren, die Mär vom generischen Maskulinum, welches ach so diskriminierend sei, ist "ein Irrtum und ein gravierender Fehlschluss".
Und dies wirft wiederum eine Frage auf, die ich gerne an Herrn Meier richten möchte: Warum bringen Sie einen Antrag ein, der bei behördlichen Texten rein gar nichts ändern würde? Schließlich ist - wie ausführlich dargelegt - kein generisches Maskulinum in der deutschen Sprache vorhanden, sondern lediglich eine gemeinsame, geschlechtsneutrale Kategorie. Alles was dieser Antrag also mit sich bringt ist unnötiger bürokratischer Aufwand, um am Ende alles so zu lassen wie es ist. Aus diesem Grund werde ich diesem Antrag nicht zustimmen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.