DEBATTE | XIV/018: Deutsche Sprache vor staatlicher Einmischung schützen

  • 320px-Bayerischer_Landtag_Logo.svg_1.png


    AUSSPRACHE

    Deutsche Sprache vor staatlicher Einmischung schützen


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    wir schreiten nun zur Aussprache über den von dem berufenen Bürger Dr. Matthias Linner eingebrachten Antrag "Deutsche Sprache vor staatlicher Einmischung schützen" (Drs. XIV/018). Die Dauer der Aussprache beträgt - den Regularien unserer Geschäftsordnung entsprechend - zweiundsiebzig Stunden.


    Ich eröffne die Aussprache.


  • Herr Präsident,

    Bürger des Landes,

    Orientierungsunfähige,

    werte Kollegen,

    Verfassungsfeinde,


    verzeihen Sie, dass ich schon jetzt Stellung beziehe, aber die Allianzfraktion lehnt diesen Antrag entschieden ab. Als patriotisches Bollwerk des Widerstandes und der Freiheit werden wir gegen jedwede Indoktrination aufstehen. Entsprechend sehen wir es als unsere Pflicht an, unsere armen, unschuldigen Kinder vor jedweder politischer Indoktrination zu bewahren. Vertreter der woken Genderideologie und der linksgrünen Cancel Culture behaupten, wer nicht "*innen" anhängt, sei ein unlöblicher Frauen-, nein, Menschenfeind, weil er Frauen, Transen und Leute, die sich doch bitte mit singularem "they" ansprechen lassen wollen, doch nicht mitmeint. Das ist natürlich Humbug; wer nicht indoktriniert ist, weiß, dass das total lebensfremd ist. Doch: mit Argumenten über angebliche "Diskriminierung" versuchen Vertreter dieser Ideologie, unschuldige Kinder zu indoktrinieren. Wer nicht gendert, der schließe Leute doch aus der Gesellschaft aus, das sei unmenschlich. Kein Kind will natürlich ein Unmensch sein, und weil Kinder besonders beeinflussbar sind, ist das die Tür zur Indoktrination.


    Zugleich ist diese Ideologie zutiefst antidemokratisch: dieses Gendern wurde von Woken an der ach so hippen und öffentlichen Humboldt-Universität im Drecksloch Berlin erfunden. Sie haben richtig gehört, staatlich getragene Einrichtungen wollen die Menschen dazu bringen, nur noch linientreu - also woketreu - zu reden. Jeder kann entscheiden, wie er reden möchte, das ist Ausfluss demokratischer Freiheit, doch, Demokratie funktioniert nur von unten nach oben, nicht von oben nach unten. Die Humboldt-Universität versucht, dies umzudrehen. Erst die Sprache, dann das Denken. Wir als Allianz des Volkes, als Allianz des patriotischen Widerstandes, sagen: Nicht mit uns! Freiheit statt Sozialismus!


    Abschließend bleibt noch zu sagen: Zwar hat der Rechtschreibrat dergleichen noch nicht als Teil des offiziellen Regelwerkes anerkannt, doch, es gibt linkszersetzte Lehrkräfte - wohl eher Leerkräfte -, die solche Rechtschreibfehler, die aus dieser Indoktrination herrühren, durchgehen lassen wollen. Das kann nicht sein; es gilt, konsequent gegen die Genderideologen vorzugehen und unsere Kinder vor der menschenfeindlichen Cancel Culture zu bewahren!


    Es lebe das Vaterland!

    8158-signaturbkkoslowska-png


    XVIII. Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

    Parteivorsitzende der Liberal-Konservativen Allianz


    XII. und XIV. Bundesministerin der Finanzen a. D.

  • Herr Präsident,
    Liebe Kolleginnen und Kolleginnen und Kollegen,


    die Frau Ministerin hat ja schon leidenschaftlich komplett am Antrag vorbei gesprochen, von da her möchte ich nun etwas Inhaltliches zur Debatte beitragen. Die Staatsregierung hat es in dieser Woche offenbar für nötig gehalten, die Gymnasialschulordnung, die Realschulordnung und die Mittelschulordnung so abzuändern, dass nun die sog. "Gendersprache" per Gesetz als Verstoß gegen die Sprachrichtigkeit anzusehen ist. Es ist an dieser Stelle bemerkenswert, wie die Staatsregierung sich in die Sprachgestaltung einmischt und dass sie offenbar glaubt, sie sei dazu berufen zu definieren, was denn richtiges Deutsch ist und was nicht.


    Es ist dabei im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass unseren Kindern ein korrektes Deutsch beigebracht werden soll - das steht außer Frage. Ich glaube es ist aber guten Gewissens zu konstatieren, dass die Staatsregierung nicht die Institution ist, die zu bestimmen hat, was korrektes Deutsch ist und was nicht. Dass die Staatsregierung nun den deutschen Rechtschreibrat übergeht, weil sie die Befürchtung hat, er könnte die Gendersprache akzeptieren zeigt, dass die Allianz keinerlei Respekt vor dieser Institution besitzt und sie zeigt vor allem eines: Der Allianz geht es mitnichten darum, dass jeder und jede entscheiden kann wie er oder sie reden möchte. Der Allianz geht darum, dass jeder nur noch so reden soll und darf, wie die Allianz es für richtig hält. Sie ist es doch, die nun per Gesetz versucht gewisse Schreibpraktiken zu verbieten.


    Die deutsche Sprache aber gehört uns allen und in keiner Weise der Allianz oder dieser Staatsregierung. Entsprechend ist es richtig, dass wir eine Institution haben, die sich mit der Entwicklung der deutschen Sprache beschäftigt und die gemäß dieser Entwicklungen auch Regelungen festsetzt oder abändert. Und gerade weil der Rat der deutschen Rechtschreibung aus Vertreterinnen und Vertretern des gesamten deutschsprachigen Raumes besteht und insbesondere weil er aus Sprachexpertinnen und -experten besteht, ist er die richtige Institution für das Festlegen unserer Rechtschreibregen.


    Abschließend sei angemerkt: Die Frau "Ministerin" hat in Ihrer blinden Wut mit Ihrer Rede leider komplett das Thema verfehlt. Es geht in diesem Antrag nicht darum die Gendersprache zu retten oder zu schützen, es geht nicht um Sozialismus oder Indoktrination. Es geht darum, die deutsche Sprache vor staatlicher Einmischung zu schützen, es geht darum eine gesunde Sprachentwicklung durch das Volk und nicht durch die Regierung zu fördern. Die deutsche Sprache gehört nicht der Allianz und nicht der Staatsregierung, sondern allen deutschsprachigen Menschen auf dieser Erde.


    Entsprechend absurd ist der Alleingang der Staatsregierung. Was kommt morgen, ein neues Gesetz über die in Bayern "sprachrichtigen" Wörter, weil der Allianz ein neues "wokes" Wort nicht in den Kram passt? So, liebe Kolleginnen und Kollegen, funktioniert das nicht. Wir sagen nein zur Instrumentalisierung der deutschen Sprache zu parteipolitischen Zwecken. Wir sagen nein zur staatlichen Einmischung in die Sprachentwicklung und die Sprachregeln.


    Herzlichen Dank.

  • 320px-Bayerischer_Landtag_Logo.svg_1.png


    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    sehr geehrte Frau Dr. Oxana Koslowska,


    ich rüge hiermit Ihre Wortwahl.


    Ihre Anrede der "Orientierungsfähigen" und "Verfassungsfeinde" impliziert, dass entweder die Abgeordneten, die Zuschauer hier im Saal oder die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes entweder Orientierungsunfähige oder Verfassungsfeinde sind. Die Würde dieses hohen Hauses lässt eine Beleidigung seiner Mitglieder und der Bürgerinnen und Bürger nicht zu, denn es ist die Aufgabe des bayerischen Landtages Gesetze für die Bürgerinnen und Bürger zu beschließen und nicht um sie zu beleidigen.

  • Herr Präsident,

    werte Abgeordnete,


    alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Und alle Jahre - nein, Monate und Wochen - wieder wird über das Gendern diskutiert. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Zeit einige Personen dieses Hauses in ein paar Buchstaben und Zeichen investieren können und wollen. Anlaß zu diesem Antrag der Grünen war ein kürzlicher Erlaß von Kultusminister ("Volksbildungsminister") Koslowska, der das Gendern in der Schule explizit als Verstoß gegen die Sprachrichtigkeit definierte. Ein gänzlich wirkungsloser Erlaß, wenn man bedenkt, daß das Gendern auch schon davor nicht den amtlichem Sprachgebrauch entsprochen hat.

    Nun versuchen es die Grünen mit einer Retourkutsche an Frau Minister und scheinen zumindest einen gewissen Erfolg erzielt zu haben, wenn man sieht, mit wie viel Pathos und Erregtheit Frau Koslowska ihre Meinung darbietet. Man könnte anhand der Farbe ihres Kopfes schon meinen, Sie wäre zur SDP oder I:L gewechselt. Aber zurück zum Thema.

    Glaubt man den Zahlen einer Forsa-Umfrage aus dem vergangenen Jahr, so halten 82% der Menschen in Deutschland das Thema Gendern für weniger oder gar nicht wichtig. Und dennoch ist das Thema permanent auf der Tagesordnung, sei es in NRW oder hier. Grüne und Allianz schenken sich beim Aufbauschen eines irrelevanten Themas nicht wirklich viel. Doch das Ergebnis kommt beiden Parteien sehr gelegen: Man muß sich nicht mit den wirklichen Sorgen und Nöten der Bevölkerung befassen. Die Leute fragen sich, wie sie ihre Stromrechnung bezahlen sollen und die Antwort der Staatsregierung ist, daß man ein paar Buchstaben verbietet. Die Leute sehen, wie ihr Erspartes in der Inflation zusammenschmilzt, und die größte Oppositionspartei hat nichts besseres zu kritisieren, als ein paar Satzzeichen wieder zu legalisieren.


    Liebes blau-grüne Gender-Tandem,

    Ihr Kampf für und gegen die Wokeness ist den meisten ziemlich egal. Sprechen Sie mit den Leuten auf der Straße und fangen mit dem Arbeiten an!


    Vielen Dank!

  • Herr Präsident,

    sehr geehrte Damen und Herren,


    wenn man den Ausführung der Kollegin Dr. Oxana Koslowska so zu hört, könnte man glauben, dass sich die Welt vor dem Abgrund steht. Sozialismus, linkszersetzte Lehrkräfte und Verfassungsfeinde scheinen hinter jeder Ecke zu lauern und nur darauf zu warten, Bayern endlich mit ihrem Unheil zu überziehen. Ja, es scheint gerade so, als würde das jüngste Gericht kurz bevorstehen. Mich beunruhigt das nicht, denn ich weiß, dass hier mal wieder grandios Übertrieben wird.


    Aber lassen sie uns mal den ganzen Hass und die viele Hetzte gegen die Sozialisten beiseite und stellen uns einmal der Frage, was ist die deutsche Sprache? bzw. gibt es überhaupt "die deutsche Sprache". Eine Frage, die das Potential die gesamte Änderung der bayerischen ´Schulordnungen implodieren zu lassen.


    Das wir heute als "die deutsche Sprache" kennen, ist das Ergebnis einer langen über Jahrtausende laufende Sprachentwicklung. "Das Deutsche" entwickelt sich von den indogermanischen Sprachen, über das Alt- und Mittelhochdeutsche hin zum Neuhochdeutschen, welches wir heute noch sprechen. Sprache ist also ein Produkt von ständig fortlaufenden Veränderungen, diese Veränderungen fallen, dann auf, wenn man jetzt versucht das mittelhochdeutsche zu verstehen. Ein Beispiel hierfür ist der oft zitierte Beginn des Nibelungenliedes "Es ist in alten mären wunders vil gesagt [...]". Man versteht zwar grob um was es geht, es ist aber nicht mit dem Neuhochdeutschen vergleichbar. Hier ist auch gleich anzumerken, dass das Mittelhochdeutsche keine feste Rechtschreibung kennt. Aber wir müssen nicht bis in das Mittelalter zurückgehen, um an die Grenzen unser Sprache zu gelangen, denn es reicht oft schon ein Besuch in der Schweiz, wo formal gesehen auch Neuhochdeutsch gesprochen wird trotzdem gelingt es uns nicht immer zu verstehen, was da überhaupt gesprochen wird. Am Ende meines Sprachgeschichtlichen Diskurs möchte ich noch auf den Sprachatlas von Georg Wenker verweisen, in dem viele verschiedene Regionen mit ihren Aussprachen von bestimmten Wörtern verzeichnet sind.


    Es wird also klar, dass es "die deutsche Sprache" eben nicht gibt, weshalb man eigentlich auch keine Regeln für die deutsche Sprache aufstellen kann. Besonders deutlich wird es, wenn es beispielsweise in der Schule heißt "Gehen wir Rewe" gemeint ist hier natürlich "Gehen wir zum Rewe", aber eben auch die Aussage "Gehen wir Rewe" gehört genau so zur deutschen Sprache, wie die Sprache Goethes, auch wenn das für die Abgeordneten der Allianz grausam klingen mag.


    Die größte Empörung werde ich wohl von den ach so großen Freunde der deutschen Sprachen ernten, wenn ich die These vertrete, dass auch das "Denglische" zur deutschen Sprache gehört. Hierbei ist besonders interessant, wie einzelne deutsche Wörter durch Englische ersetzt werden, wie in "Die Schülerinnen und Schüler wurden durch den Lehrer supportet." in diesem Fall wird das deutsche unterstützen durch das englische Wort support ersetzt, wobei support in die deutsche Tempusform gepresst wurde.


    Als großes Fazit kann man hier also sagen, dass aus rein linguistischer Sicht die Sprache von den Sprechern bestimmt wird und nicht von einer übergeordneten Institution reguliert wird. Der bekannte Duden oder das grimmsche Wörterbuch fassen lediglich Schreibungen zusammen, die die Herausgeber für am meisten gebraucht erachten. Wörterbücher sind deshalb auf keinen Fall Gesetzestexte, sondern viel mehr eine Zusammenfassung der üblichsten Schreibweisen. Für die Allianz also nochmal zum Mitschreiben. Es gibt nicht die deutsche Sprache, da es selbst zwischen den einzelnen Sprecher einer Sprache so große Unterschiede z. B. in der Aussprache geben kann, dass man die eigene Sprache nicht verstehen kann. Des weiteren kann man auch die deutsche Sprache nicht regulieren, denn es setzen sich die Regeln durch, die die Mehrheit der Sprecher teilen. Aus rein linguistischer Sicht sind die Änderungen der gymnasialen Schulordnung und der anderen Schulordnungen also totaler Mist, denn man kann keine Regeln vorschreiben, die es nicht gibt.


    Wie also deutlich wird, scheitert die Allianz mal wieder an der Lösung eines Problems, welches es eigentlich nicht gibt und macht sich damit zum Gespött des Freistaats. Zum zweiten wird hier auch mal wieder deutlich, wie weltfremd die Allianzregierung eigentlich ist, denn anstatt sich zu überlegen, wie wir Kindern besser das Lesen und Schreiben bei bringen können oder wie wir mit den Problemen im Schulwesen umgehen, die die langen Schulschließungen mit sich gebracht haben, hat die Allianz nichts besseres zu tun, als sich Lösungen für Problem zu überlegen, die es nicht gibt. Im ökonomischen Sinne ist die Allianz also äußerst Ineffizient. Auch über die Stärkung Bayerns als Wissenschaftsstandort wird nicht nachgedacht, sondern es wird stattdessen auf unsere Lehrkräfte und die Professorinnen und Professoren eingedroschen, weil sie entweder linkszersetzt sind oder sich mit Gender Studies auseinandersetzen. So sieht der Dank für die Leute aus, die Bayerns Zukunft ermöglichen.


    Aber nichts anderes sind wir von der Allianz gewöhnt, die stets zuerst an die Partei denkt und dann erst an den Freistaat, weshalb ich dem Antrag zustimmen werde und den Mitgliedern der Allianz den Besuch eines Linguistikseminars wärmstens empfehlen kann (z. B. an der LMU in München), damit uns so ein unwissenschaftlicher Unsinn in Zukunft möglichst erspart bleibt.

  • Ich habe ja bereits viele Argumente genannt; dass Sie nicht in der Lage zu sein scheinen, diese hinreichend vollständig zu erfassen, tut mir indes für Sie leid.

    8158-signaturbkkoslowska-png


    XVIII. Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

    Parteivorsitzende der Liberal-Konservativen Allianz


    XII. und XIV. Bundesministerin der Finanzen a. D.

  • Sie haben Ihrem Hass über das Gendern freien Lauf gelassen, mehr nicht. Um das Gendern geht es in dem Antrag aber nicht, sondern generell um die staatliche Einmischung in Sprachentwicklung. Dass Sie nicht in der Lage zu sein scheinen, dies hinreichend zu erfassen, tut mir indes für Sie Leid.

  • Jonas Wolf

    Hat das Thema geschlossen