[XIV|004] Aktuelle Stunde zu den jüngsten homophoben Äußerungen von Khalid Salman

  • Verehrte Kolleginnen und Kollegen,


    die Fraktionen der Grünen und die Fraktion der SDP haben einen Antrag auf eine Aktuell Stunde gestellt.

    Diese wird hiermit eröffnet und dauert 3 Tage.


    Ich erteile einem Mitglied der antragsstellenden Fraktionen das Wort zum Eingangsbeitrag.

    | Präsident des Deutschen Bundestages a.D. (11. + 15. LP) |

    | Stellvertreter der Bundeskanzlerin a.D. |

    | Bundesminister für Wirtschaft und Energie / Arbeit und Soziales / des Auswärtigen a.D. |

    | Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen a.D.|

    | Landtagspräsident Nordrhein-Westfalen a.D. (12.LP)|

  • Fragt sich, seit wann es für Araber so ungewöhnlich ist, homophobe Aussagen zu tätigen, dass dazu eine aktuelle Stunde anberaumt werden muss und ob dies in Zukunft bei jedem solchen Vorkommnis geschehen soll.

    Ich identifiziere mich als Milliardär, Pronomen gimme/money

  • Frau Präsidentin

    sehr geehrte Damen und Herren,


    mit großem Entsetzen musste ich am Dienstag zur Kenntnis nehmen, dass zur WM in Katar offensichtlich nicht alle willkommen sind. In einem Interview mit dem ZDF bezeichnet der Cheforganisator der WM in Katar, Khalid Salman, homosexuelle pauschal als Menschen mit „geistigem Schaden“. Ich frage mich, wie das mit dem immer wieder von der katarischen Regierung propagiertem Willkommen für alle im Einklang steht.


    Wir müssen in unserem freiheitlichen Deutschland also feststellen, dass unser Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sich in enorme Gefahr begeben, wenn sie nach Katar zur WM fliegen und dort ihre Sexualität offen ausleben wollen. Die gesetzliche Lage in Katar ist nämlich folgende: In Paragraph 296 des katarischen Strafgesetzbuches ist geregelt, dass wer „einen Mann oder eine Frau in irgendeiner Weise zu verbotenen oder unmoralischen Handlungen verleitet oder verführt“ mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden kann. Die Gefahr ist also nicht nur von mir herbei geredet, sondern sie ist eine Reale, weshalb es dringend einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bedarf, denn wir können nicht zulassen, dass unsere Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ins offene Messer laufen.


    Doch was sagt es über einen Land aus, wenn seine ranghohen Vertreter offensichtlich schwulenfeindlich sind?


    Eine ganzen Mengen. Als erstes werden weitere Fragen aufgeworfen z. B. Wie sieht es mit Rechten für Frauen und Mädchen in Katar aus oder mit den Rechten für Arbeitsmigranten aus?


    Die immer wieder in der Kritik stehende Lage der Arbeitsmigranten ist um es mal plump auszudrücken ziemlich miserabel. Die bald in großem Glanz zur Schau gestellten Stadien der WM wurden mit Menschen leben bezahlt. Nach einer Untersuchung von Amnesty International starben rund 7.000 Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Baustellen in der Wüste Katars. Das staatliche Organisationskomitee, von dem Khalid Salman der Vorsitzender ist, gibt allerdings nur 34 „sehr bedauernswerte“ Todesfälle an. Man muss sich die Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter (es sind größten Teils Männer) einmal vergegenwärtigen. Es handelt sich also um Arbeiter, die auf der Suche nach gut bezahlten Jobs nach Katar kommen, um dort zu arbeiten. Allerdings bekommen sie nur selten den Lohn, den man ihnen in ihrer Heimat im Anwerbe Büro versprochen hat, auch die Tätigkeit ist mit unter eine Andere. Amnesty berichtet z. B. von einem Mann, der als Gärtner eingestellt wurde und am Ende als Stahlbauer arbeiteten musste. Der arme Mann hatte keine Vorkenntnisse und er wurde auch nicht wirklich in seine „neue“ Arbeit eingewiesen. Damit hätten wir auch den Grund für die hohe Todeszahl auf den WM Baustellen erarbeitet. Nachdem ihm auch sein Pass abgeommen wurde muss er wohl oder übel in diesem ihm zugewiesenen Job arbeiten, denn erst wenn er seinen Job nachgekommen ist, bekommt er seinen Pass zurück, um dann eine andere Arbeit annehmen zu können oder um einfach nach Hause zurückzukehren. Neben äußerst geringen Arbeitsschutzmaßnahmen und nicht ausreichend großen Wohnunterkünften sind die vielen Ungelernten Arbeiter ein erheblicher Faktor, der die Todeszahlen in die Höhe treibt. Wenn jemand keine Kenntnisse in seinem Job hat, kann er auch nicht abschätzen, was gefährlich ist und was nicht.


    Nun kommen wir auch noch zu den Rechten der Frauen und Mädchen. Auch diese sind nicht existent. Das in Katar angewendete Vormundschaftssystem haben alle Frauen und Mädchen einen Vormund, der für sie alle Entscheidungen fällt. Das reicht von der Schulbildung über den Job bis hin zur Eheschließung. An eine einfache und unkomplizierte Scheidung ist erst recht nicht zu denken. Das diskriminierende System verweigert Frauen auch das Recht, als primärer Vormund ihrer Kinder zu handeln, selbst wenn sie geschieden sind und das Sorgerecht für die Kinder haben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die Fälle von häuslicher Gewalt und Diskriminierung in Katar häufen oder sogar zum Alltag gehören. Durch dieses System der Vormundschaft wird natürlich die Macht der Männer bekräftigt. Dieses patriarchale Machtsystem geht sogar soweit, dass Frauen strafrechtlich belangt werden können, wenn sie sich weigern ihren „ehelichen Pflichten“ nachzukommen. Die Frau kann in diesem Fall also nicht einmal über ihren eigenen Körper frei bestimmen, sondern ihr Mann tut das für sie, wie Human Rights Watch berichtet.


    Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Menschenrechte in Katar mit staubigen Füßen getreten werden. Es ist hier bei völlig egal, ob man sich Frauenrechte oder die Rechte der Arbeiter auf den WM Baustellen anschaut. Katar gewährt dieses Menschenrechte nicht und bestraft all diejenigen, die sich auf die Menschenrechte berufen. In diesem Land werden Eigenschaften von Menschen bestraft, für die sie nicht mal etwas können. Hier ist vor allem auf die Rechtslage der Frau zu nennen. Keiner kann beeinflussen, ob er als Mann oder Frau geboren wird, bzw. ob das eigene Geschlecht in dieses binäre Spektrum passt und keiner kann beeinflussen, welche sexuellen Neigungen man entwickelt.


    Eigentlich wundert es niemanden, dass der Chef des katarischen WM Organisationskomitee eine so homophobe Aussage trifft, weil das gesamte Land von Ungerechtigkeiten und Diskriminierung geprägt ist. In diesem Fall wirkt es gerade so, als ob Khalid Salman nur das ausspricht, was so viele Menschen in Katar denken. Die Fassade hinter der Kampagne zur Aufpolierung des Images Katars ist als mehr als abgeblättert. In Katar wird es keine bunten Spiele geben, sondern nur eine ständige Erinnerung an die grausamen oben genannten Verbrechen, die vom katarischen Staat begangen wurden, um ein Fest der Offenheit und der Vielfalt vorspielen zu können. Es ist daher völlig legitim eine Reisewarnung für Katar zu erlassen, damit für alle Fußballfans, die nach Katar zur WM fahren sich der dort lauernden Gefahr bewusst sind und dass sie wissen, dass dort Willkür herrscht und keine Grundrechte gelten.


    Als Vertreter einer freiheitlichen Demokratie macht es mich betroffen, wenn ich von Menschen höre, die mehr oder weniger, wie willenlose Gegenstände behandelt werden. Allerdings erinnern mich solche Geschehnisse auch immer daran, dass wir selbst weiter kämpfen müssen für unsere Werte und unsere Ideale. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass wir die Verbreitung von Menschenrechte weiter voran bringen. Jeder Mensch besitzt eine unantastbare Menschenwürde. Wir erkennen sie jedem Menschen zu. Unser Ziel muss es deshalb sein, dass allen Menschen dieser Erde egal wo sie sich aufhalten, diese Würde zuerkannt wird, damit alle Menschen in Frieden, Freiheit und Demokratie leben können, ohne dass sie wegen ihres Geschlechts, ihrer Abstammung, ihrem Beruf oder ihrer Religion benachteiligt, diskriminiert oder gar getötet werden. Lasst uns deshalb ein Zeichen setzen, indem wir die WM in Katar boykottieren und lasst uns stattdessen lieber auf den örtlichen Weihnachtsmarkt gehen, denn nur wenn die Quoten drastisch einbrechen, wird die Regierung in Doha bemerken, dass ihr Schuss vollkommen am Tor vorbei gegangen ist.

  • Fragt sich, weshalb der Bundestag für Aufrufe zum Boykott einer Fußballweltmeisterschaft missbraucht wird und muss lachen, als Fürst davon spricht, das Geschlecht könne auch nicht ins "binäre Spektrum" fallen.

    Ich identifiziere mich als Milliardär, Pronomen gimme/money

  • tritt mit einiger Verwirrung ob der rauchenden Allianz-Köpfe vor's Plenum und fragt sich was die so vor sich hin denken


    Sehr geehrter Kolleg*innen,

    Sehr geehrter Herr Präsident,


    eigentlich bin ich müde, über dieses Thema zu sprechen. Viele von uns werden es in den vergangenen jahren im Freundeskreis sicherlich schon einmal getan haben, wenn Sie etwas mit Fußball zu tun haben. Ich habe relativ viel mit Fußball zu tun - und habe daher bereits viel darüber gesprochen. Und auch wenn es mich dermaßen ermüdet, so ist es trotzdem wichtig darüber zu sprechen.

    Wir reden von der Fußballweltmeisterschaft in Qatar. Dass diese WM gekauft ist, ist aus meiner Sicht maximal eine Nebensache der Kritik. Denn letztlich wurden alle Weltmeisterschaften der vergangenen Jahre durch Korruption erworben. Sommermärchen lässt grüßen. Die eigentliche Problematik dieser WM besteht in der Dreistigkeit, mit welcher die FIFA eine Veranstaltung stattfinden lässt, frei von jeglicher Verantwortung, frei von jeglichem Gewissen.


    Am liebsten würde ich jetzt die zu den kommenden Spielen des FC St. Pauli gehen und meine Ruhe vor all dem haben. Das Konzept der sich duellierenden Nationen finde ich um einiges weniger spannend als sich duellierende Fußballvereine mit echter Identität (oder eben auch nicht, siehe Rasenballsport, Hoppenheim oä.) Dennoch ist die Beschäftigung mit der WM wichtig. Warum?

    Die FIFA zwingt jeden und jede von uns, eine moralische Entscheidung zu treffen. Nämlich ob und wie man die WM überhaupt noch konsumieren möchte. "15.000 Tote für 5760 Spielminuten Fußball" Das prangte zuletzt in deutschen Stadien und das ist die bittere Wahrheit. Oliver Kalkofe sagte kürzlich "Ich weiß gar nicht mehr, wie sehr ich die FIFA noch verachten soll. Mein Verachtungs-Speicher ist aufgebraucht." Wir sehen hier die Realität des total ausverkauften Fußballs. Man kann nur hoffen, dass Qatar die Spitze des Eisbergs ist und es danach wieder bergab geht. Und bevor hier wieder irgendwelche nationalen Isolierungsfanatiker*innen ankommen: Natürlich geht uns das was an! Da nimmt eine deutsche Nationalmannschaft teil, da gehen Unsummen an privaten und öffentlichen Geldern rein. Es ist nicht unvermessen zu sagen, hier findet das größte und bedeutsamste Sportevent der Welt statt. Da gibt es ein enormes Interesse.


    Die jüngsten Aussagen des Botschafters des Ausrichterlandes zeigen nur eindrücklich, weshalb die Entscheidung, eine WM in diesem Land auszurichten, falsch war. Hier werden rechtsextremistische Wertebilder zur Werbebande eines Fußballtuniers gemacht. Homophobie, Rassismus, Unterdrückung und Sklaverei sind in Qatar an der tagesordnung und werden durch eine WM normalisiert. Deswegen dürfen wir nicht wegschauen, sondern müssen dauerhaft den Finger in die Wunde legen. Nur dann kann daraus noch etwas positives oder zumindestens etwas weniger negatives entstehen. Die kritische begleitung der Weltmeisterschaft ist unser aller Aufgabe. In Medien, Gesellschaft und eben auch in der Politik.


    Letztlich bekommen wir, wie bereits gesagt, den Höhepunkt im Ausverkauf des Fußballs mit. Die FIFA und alle weiteren korrupten Organisationen gehören enteignet und in Gemeinwohl überführt. Fußball genrell sollte nicht zum Spielfeld von Superreichen werden. Es ist ein Sport für alle und das soll er auch bleiben. Da können Sie ruhig die Fankurven von Dortmund über Schalke, von Frankfurt nach Offenbach, von HSV über Pauli befragen. In diesem Punkt sind wir uns alle einig. FIFA und Co enteignen. Dankeschön.

  • Herr Präsident,

    geschätzte Kollegen,


    man mag es nicht glauben, aber in einem Punkt stimme ich dem Kollegen Meier zu. Auch ich würde lieber die Eintracht oder den Waldhof spielen sehen, als mir unauthentischen Fußball ohne jegliche Begeisterung anzuschauen. Neben der bedauerlichen Entfremden der Nationalmannschaft von den Bürgern des Landes, dem Datum der WM und dem Gastgeberland mag man auch die humanrechtliche Situation in Katar kritisieren können. Doch ist diese unlängst bekannt. Auch ist diese Lage kein Einzelfall und es zeugt doch von großer Naivität, dieses Thema jetzt aufzugreifen, wo die WM vor der Türe steht.


    Wer sich für diese Themen stark macht und eine moralisch angeleitete Politik vertritt, muss zwingend auch auf andere Länder schauen, wenn diese gerade nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Was ist mit den Uiguren in China? Was ist mit Arbeitslagern in Nordkorea? Was ist mit Foltereinrichtungen der USA, des Irans, Saudi-Arabiens und einer Vielzahl weiterer Länder? Ist Katar wirklich derart wichtig, dass der Bundestag eine aktuelle Stunde einberuft, um ohne absehbare Zielsetzung abstrakt über die menschenrechtliche Problemlage zu sprechen?


    Gewiss kann und soll man dies debattieren. Sicher ist aber auch, dass all diese Debatten nichts bringen, wenn man zuvor keinen einheitlichen Umgang mit dieser Thematik gefunden hat. Welche Konsequenzen ergeben sich für das politische Handeln, von Enteignungsgeschwurbel in Einzelfällen abgesehen? Müssen wir diese Länder boykottieren, verurteilen oder uns gar einmischen? Wenn wir das bei einzelnen Ländern machen, machen wir das dann bei allen? Auch wenn es wider unsere eigenen Interessen geht? Sind und wollen wir überhaupt moralische Politik machen? Über all diese Fragen sollte man eine Grundsatzdebatte führen. Die Beantwortung dieser Fragen sollte auch für den linken Teil des Hauses keinesfalls auf der Hand liegen. Solange dies nicht geklärt ist und kein konsistenter Umgang mit dieser Thematik gefunden ist, kann ich derartige Debatten nur müde belächeln, denn sie werden rein gar nichts ändern.


    Was den Vorschlag einer Reisewarnung angeht, kann ich diesen nicht nachvollziehen. Katar hat für die Dauer der WM eine Garantie abgegeben, dass eben auch Homosexuelle dort ohne Sorge vor Strafverfolgung die WM verfolgen können. Diese Garantien sind deshalb glaubhaft, weil es gerade der erklärte Zweck Katar´s ist, das Image zu verbessern. Es obliegt jedem einzelnen zu entscheiden, ob er die WM verfolgt - zuhause oder gar vor Ort. Ich für meinen Teil kann mit einer 150 Mrd. Dollar WM wenig anfangen und freue mich, wenn es im Januar wieder richtigen Fußball gibt!


    Besten Dank