4 BvT 3/22 - Abgelehnter Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes für den Verein "Regenbogenfreunde - Verein für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Asexuellen und Queeren Menschen und deren Unterstützer:innen"

  • Leitsatz


    zum Beschluss vom 30. Oktober 2022


    Das Bestellen eines Notvorstandes nach § 29 BGB kommt nur in Betracht, wenn ein vertretungsberechtigter Vorstand nicht besteht und sich ein Schaden für den Verein oder Dritte mutmaßlich nicht durch billigere Maßnahmen als ein gerichtliches Eingreifen abwenden lässt.


    OBERSTES GERICHT

    - 4 BvT 3/22 -



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    Im Namen des Volkes



    In der Vereinssache



    auf Bestellung eines Notvorstandes für den Verein "Regenbogenfreunde - Verein für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Asexuellen und Queeren Menschen und deren Unterstützer:innen" gemäß § 29 BGB analog,


    - Antragsteller: Herr Jan-Lucas Goldhammer


    hat der Vierte Senat der Ersten Kammer des Obersten Gerichtes unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsidentin Christ-Mazur,


    Vizepräsident Geissler,


    Neuheimer,


    Langenfeld


    am 30. Oktober 2022 beschlossen:


    Der Antrag wird zurückgewiesen.


    Gründe:


    I.


    Der Antragsteller hat das Oberste Gericht mit dem Ziel angerufen, den Einsatz eines Notvorstandes für den Verein "Regenbogenfreunde - Verein für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Asexuellen und Queeren Menschen und deren Unterstützer:innen" (nachfolgend: "Regenbogenfreunde") gemäß § 29 BGB analog zu erwirken. Bei "Regenbogenfreunde" handelt es sich um einen nicht im Vereinsregister eingetragenen, damit nicht rechtsfähigen, Verein, der im Juli 2021 durch konkludentes Handeln (Beitrittserklärungen) gegründet wurde. Der kommissarische Vorstand sei inaktiv und länger nicht mehr zugegen gewesen, weswegen der Verein und seine Mitglieder nicht handlungsfähig seien und die Einsetzung eines Notvorstands geboten sei.


    II.


    Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.


    1. Das Oberste Gericht ist instanziell wie örtlich zuständig nach § 6 II OGG zuständig. Unschädlich ist, dass der Verein nicht im Vereinsregister eingetragen ist. Das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (dazu auch § 29 BGB) ist analog anzuwenden, soweit die Eintragung im Vereinsregister nicht Voraussetzung hierfür ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1968 – Aktenzeichen VII ZR 63/66; 02. Juli 2007 – Aktenzeichen II ZR 111/05). Nach § 26 FamFG gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Ebenso unschädlich ist, dass Verfahren nach § 29 BGB normalerweise der Rechtspflege nach § 3 Nr. 1a RPflG unterliegen, da Rechtspfleger dem Obersten Gericht nicht beiwohnen.


    2. a) Voraussetzung für die Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB analog ist das Fehlen eines für die Vertretung des Vereins erforderlichen Vorstandes sowie das Vorliegen eines dringlichen Falles, welcher gegeben ist, wenn sofortiges Handeln erforderlich ist, um Schaden für den Verein oder Dritte abzuwenden (vgl. AG Charlottenburg, Beschluss vom 02. Juni 2021 - Aktenzeichen VR 1376 B), welcher sich nicht durch billigere Maßnahmen abwenden lässt (vgl. insoweit München NotBZ 10, 423). Kann der Verein jedoch rechtzeitig die erforderlichen Vorstandsmitglieder bestellen, bedarf es - auch die Vereinsautonomie in Rechnung stellend - keiner Maßnahme nach § 29 BGB, ebensowenig, solange die Vereinsorgane erfolgversprechende Lösungsversuche unterlassen haben (vgl. Frankfurt GmbHR 11, 1151).


    b) Nach diesen Maßstäben erscheint die Bestellung eines Notvorstandes nach § 29 BGB nach eingehender Prüfung der Sachlage durch das Gericht nicht geboten. Zwar besteht kein vertretungsberechtigter Vorstand; es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dem Verein "Regenbogenfreunde" unabwendbarer, nicht durch billigeres Handeln vermeidbarer, Schaden droht, sofern die Bestellung nach § 29 BGB nicht erfolgt. Durch zeitnahe Durchführung einer Mitgliederversammlung des Vereins "Regenbogenfreunde" zum Beschluss einer Satzung und zur Bestellung eines ordentlichen Vorstandes kann die gegenwärtige Sachlage durch billigere Maßnahmen als ein gerichtliches Eingreifen beseitigt werden, ohne, dass es mutmaßlich zu einem Schaden für den Verein "Regenbogenfreunde" oder für Dritte kommt. Entsprechend ist das Bestellen eines Notvorstandes nicht geboten.


    III.


    Die Entscheidung ist einstimmig ergangen und ist unanfechtbar.




    Christ-Mazur | Geissler | Neuheimer | Langenfeld

    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Dr. Viktoria Christ-Mazur

    Hat den Titel des Themas von „4 BvT 3/22 - Erfolgloser Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes für den Verein "Regenbogenfreunde - Verein für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Asexuellen und Queeren Menschen und deren Unterstützer:innen"“ zu „4 BvT 3/22 - Abgelehnter Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes für den Verein "Regenbogenfreunde - Verein für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Asexuellen und Queeren Menschen und deren Unterstützer:innen"“ geändert.