3 BvB 1/21 - Bundesrat ./. Freiheitliches Forum Deutschlands - Fortsetzung des Verfahrens beschlossen

  • Leitsatz


    zum Beschluss des Dritten Senates der Ersten Kammer vom 20. Juli 2022


    - 3 BvB 1/21 -


    Zum Begriff der Partei in Beziehung zu Anträgen nach Artikel 21 II, III GG sowie an den Anforderungen zur erfolgreichen Auflösung einer politischen Partei.


    OBERSTES GERICHT

    – 3 BvB 1/21 –



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    Im Namen des Volkes



    In dem Verfahren

    über

    die Anträge festzustellen:



    1. Das Freiheitliche Forum Deutschlands ist verfassungswidrig.
    2. Das Freiheitliche Forum Deutschlands wird aufgelöst.
    3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für das Freiheitliche Forum Deutschlands zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.

    4. Hilfsweise: Das Freiheitliche Forum Deutschlands ist von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Mit dieser Feststellung entfällt die steuerliche Begünstigung der Antragsgegnerin und von Zuwendungen an die Antragsgegnerin.


    Antragstellerin: Bundesrat,

    vertreten durch den Präsidenten des Bundesrates,

    Leipziger Straße 3-4, 10117 Berlin,


    - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Prof. Dr. Joachim Holler,

    Fouquestraße 5, 81241 München

    c/o Bundesrat, Leipziger Straße 3-4, 10117 Berlin,


    Antragsgegnerin: Freiheitliches Forum Deutschlands,

    vertreten durch den Bundesvorsitzenden Dr. Christian Reichsgraf Schenk von Wildungen,

    Wilhelmstraße 144d, 10117 Berlin,


    - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Paul Fuhrmann,

    99096 Erfurt,


    hat das Oberste Gericht - Dritter Senat -


    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


    Präsidentin Christ-Mazur,


    Vizepräsident Neuheimer,


    Thälmann,


    Siebert


    am 20. Juli 2022 beschlossen:


    1. Das Verfahren ist fortzusetzen.


    2. Der Beginn der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung ist zu terminieren.


    Gründe:


    I.


    1. Im Zuge der Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde der Vorsitzende der Antragsgegnerin, Herr Christian von Wildungen, geladen. Er gab im Rahmen dieser zu Protokoll, der Bund Unabhängiger Wähler (nachfolgend: BUW) sei aufgelöst worden, womit der BUW und das Freiheitliche Forum Deutschlands (FFD) getrennt zu betrachten seien.


    2. Infolgedessen wurde die mündliche Verhandlung vertagt und das Gericht hat sich zur Beratung zurückgezogen. Es hat von Amts wegen von dem Vorsitzenden der Antragsgegnerin die Vorlage eines geeigneten Beweises über eine Abstimmung zur Auflösung des BUW gefordert (vgl. OG, Hinweisbeschluss vom 30. Juni 2022 - 3 BvB 1/21). Auf diesen hat der Vorsitzende der Antragsgegnerin nicht vermocht, zu reagieren.


    3. Mit Schriftsatz vom 01. Juli 2022 hat sich die Antragstellerin zum Sachverhalt verhalten. Die Antragstellerin hat ausgeführt, die Vorlage eines Protokolles über eine erfolgte Abstimmung zur Auflösung des BUW durch den Parteitag und die Satzung der Antragsgegnerin seien zweckdienlich und erforderlich. Ferner sei es notwendig, die Frage zu klären, ob eine Mitteilung der Bundeswahlleitung über die erfolgte Auflösung der Antragsgegnerin nach § 6 III Satz 1 Nummer 3 PartG erfolgt ist.


    4. Für Einsicht näherer Einzelheiten sei auf die Gerichtsakte verwiesen.


    II.


    Das Verfahren ist fortzusetzen, weil sich keinerlei Umstände ergeben haben, durch derer sich eine Verwerfung des Antrages auf Grund von Unzulässigkeit und damit die Behandlung der Antragsgegnerin als Verein, denn einer politischen Partei, rechtfertigen lassen würde.


    1. a) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet das Oberste Gericht (Art. 21 II, III GG, §§ 6 II, IIa und 33 OGG). Das Verbot politischer Vereinigungen, die nicht Parteien sind, ist Sache der vollziehenden Gewalt (Art. 9 II GG, §§ 3 ff. VereinsG). Ein Antrag festzustellen, ob eine Partei verfassungswidrig ist und verboten beziehungsweise von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werden sollte, ist mithin nur zulässig, wenn es sich bei der Antragsgegnerin um eine Partei handelt. Anderenfalls wären einschlägige Anträge durch das Oberste Gericht als unzulässig zu verwerfen (vgl. BVerfGE 91, 262 <267 Rn. 20>; 91, 276 <284 Rn. 26>), da das besondere, wegen der herausgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung der politischen Parteien beim Obersten Gericht monopolisierte, vom allgemeinen Vereinsrecht abweichende Verbotsverfahren auf Vereine oder anderweitige Zusammenschlüsse, die keine politische Partei sind, keine Anwendung findet (vgl. insoweit BVerfGE 91, 262 <274 Rn. 43>; 91, 276 <293 Rn. 55>). Die hierzu maßgeblichen rechtlichen Fragen hat das ehemalige Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Einen substanziellen Grund für eine Abkehr hiervon vermag das Gericht nicht zu erkennen.


    b) Die aus Artikel 21 I GG herzuleitende Betätigungsfreiheit politischer Parteien gebietet auch die Autonomie zur Selbstauflösung. Da jedoch Artikel 21 I Satz 3 GG wie auch § 7 I vDGB die Notwendigkeit einer demokratischen Organisation politischer Parteien statuieren, erscheint es notwendig, für die erfolgreiche Auflösung einer politischen Partei, die - schon vor dem Hintergrund dessen, dass Parteien als Bindeglied zwischen der Gesellschaft und dem Staat fungieren - von ihren Mitgliedern getragen wird, genauso, wie die politische Willensbildung vom Volk zum Staat hin (und nicht umgekehrt) erfolgt, wenigstens eine positive Basisabstimmung aller Mitglieder der Partei, die darauf hingerichtet ist, die Beendigung der Existenz der politischen Partei zu beschließen, für die erfolgreiche Auflösung einer politischen Partei zu verlangen.


    aa) Dabei erscheint es - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - schon ausreichend, eine Basisabstimmung aller Mitglieder durchzuführen. Ein Parteitag wird durch das Oberste Gericht nicht vorausgesetzt. Schließlich ist das Oberste Gericht insbesondere auch dazu berufen, staatliches Recht im Einklang mit den in der Simulation gegeben Befindlichkeiten anzuwenden (vgl. OGE 3, 11 <15>; 3, 30 <37f.>; OG, Urteil vom 11. Juli 2022 - 3 BvT 2/22; m. w. N.; stRspr.). Mit einer Abstimmung auf einem Parteitag nach § 6 II Nummer 11 Satz 1 PartG würde jedenfalls eine Dopplung einhergehen, der es im Übrigen an einer Notwendigkeit fehlt. Ferner würde ein Parteitag auf Grund seines Veranstaltungscharakters mit sich bringen, dass es womöglich einigen Mitgliedern einer politischen Partei in Ermangelung terminlicher Ressourcen nicht möglich wäre, an einer Parteitagsabstimmung teilzunehmen. Unter Umständen vermag dies resultatserheblich zu sein. Das Erfordernis eines Parteitages aus § 6 II Nummer 11 Satz 1 PartG ist somit nur bedingt zweckdienlich und ginge an der Realität der Simulation vorbei. Insoweit ist kein Parteitag als Erfordernis für eine erfolgreiche Auflösung vorauszusetzen.


    bb) Vielmehr ist wenigstens eine Urabstimmung über die Auflösung als ausreichend zu erachten. Dies erscheint schon vor dem Hintergrund sinnvoll, dass der Urabstimmung, die einen einschlägigen Beschluss zu kippen, zu bestätigen oder zu ändern vermag, nach § 6 II Nummer 1 Satz 2 größeres Gewicht als dem Parteitag - unabhängig von seinem Organisationsmodus - zu Teil wird.


    2. Die Antragsgegnerin hat es nicht vermocht, einen Nachweis über eine Auflösung, die durch Urabstimmung durch die Parteibasis der BUW gebilligt worden ist, zu erbringen. Damit kann das Gericht nicht von einer rechtmäßigen demokratisch legitimierten Auflösung der BUW ausgehen. Hiermit erübrigen sich alle anderen Fragen hinsichtlich des rechtmäßigen Zustandekommens einer Auflösung der BUW sowie die Frage, ob mit einer Auflösung der BUW eine Unzulässigkeit der Anträge der Antragstellerin einhergeht. Auch sonst ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, warum das Verfahren nicht fortzusetzen ist. Die angeordnete mündliche Verhandlung ist fortzusetzen.


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