XII/016 | Große Anfrage "Raus aus der Krise – Maßnahmen gegen die Inflation"

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    Präsident des Deutschen Bundestages

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    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei scheint in dieser Legislatur besonders viele Fragen an die Bundesregierung zu haben, denn es liegt eine weitere Große Anfrage an die Bundesregierung vor.

    Der Titel der Anfrage lautet "Raus aus der Krise - Maßnahmen gegen die Inflation".
    Die Anfrage ist auf Drs. XII/016 zu finden. Ich fordere die Bundesregierung nach § 32 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung auf, diese mündlich oder schriftlich innerhalb von 5 Tagen zu beantworten.


    Erneut mache ich darauf aufmerksam, dass nach § 32 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine 72-stündige allgemeine Aussprache über die Antwort der Bundesregierung stattfinden kann, soweit dies durch zwei Mitglieder des Bundestages oder eine Fraktion beantragt wird.



    60x60bb.jpgDeutscher Bundestag

    Zwölfte Wahlperiode



    Drucksache XII/017


    Große Anfrage

    der Abgeordneten Sylvie Jachère-Wessler und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei



    Raus aus der Krise – Maßnahmen gegen die Inflation


    Anlage 1


    Raus aus der Krise – Maßnahmen gegen die Inflation


    Wir fragen die Bundesregierung:


    1. Wie bewertet die Bundesregierung das aktuelle Inflationsgeschehen?
      1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Wert des Euro in den Monaten Mai, Juni und Juli 2022 entwickelt?
      2. Welche Prognose kann die Bundesregierung über die weitere Entwicklung des Werts des Euro treffen?
      3. Wie hat diese Entwicklung die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger beeinflusst?
    2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die aktuelle Inflation die Versorgungssicherheit ganzer Bevölkerungsschichten gefährdet?
      1. Wenn ja, warum?
      2. Wenn nein, warum nicht?
    3. Sieht die Bundesregierung in der Regulation von Preisen eine Perspektive (z.B. Spritpreisbremse)?
      1. Wenn ja, welche Preise sollten nach Ansicht der Bundesregierung in welcher Form und in welchem Ausmaß reguliert werden? Bitte grob nach den wichtigsten Warengruppen aufschlüsseln.
      2. Wenn nein, wieso nicht?
    4. Sieht die Bundesregierung es als geboten an, vor allem ärmere Menschen finanziell zu unterstützen?
      1. Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hierzu?
      2. Wenn nein, wieso nicht?
    5. Welche anderen Maßnahmen sieht die Bundesregierung als geeignet an, um der Inflation effektiv entgegenzuwirken? Welche wird sie tatsächlich umsetzen?
      1. Wie stark werden diese Maßnahmen den Haushalt belasten? Wie sollen sie finanziert werden?
      2. Welchen Bevölkerungsschichten kommen die genannten Maßnahmen vor allem zugute?




    Sylvie Jachère-Wessler und Fraktion



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    Präsident des Deutschen Bundestages

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    Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    da die Bundesregierung erneut nicht in der Lage war, eine Anfrage fristgerecht zu beantworten, rüge ich sie hiermit nach § 32 Abs. 4 Satz 1 unserer Geschäftsordnung.


    Ich mache darauf aufmerksam, dass die Anfrage weiterhin schnellstmöglich zu beantworten ist und die Bundeskanzlerin Dr. Kerstin Siegmann eine Stellungnahme zu dem Vorfall abzugeben hat!


    Ich möchte dazu in aller Deutlichkeit sagen, dass ich die fortlaufende Missachtung des parlamentarischen Fragerechts durch die Bundesregierung in keiner Weise gutheißen kann. Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Bundesregierung der Opposition hier offenbar nicht den notwendigen Respekt zollt und die Bundeskanzlerin offensichtlich auch kein Interesse daran zu haben scheint, sich vor dem Bundestag für diese Verfehlungen der Bundesregierung zu rechtfertigen.

  • Bundesfinanzministerin Dr. Irina Christ

    | Präsident des Deutschen Bundestages a.D. (11. + 15. LP) |

    | Stellvertreter der Bundeskanzlerin a.D. |

    | Bundesminister für Wirtschaft und Energie / Arbeit und Soziales / des Auswärtigen a.D. |

    | Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen a.D.|

    | Landtagspräsident Nordrhein-Westfalen a.D. (12.LP)|

  • Dr. Irina Christ bitte die Anfrage beantworten.

    | Präsident des Deutschen Bundestages a.D. (11. + 15. LP) |

    | Stellvertreter der Bundeskanzlerin a.D. |

    | Bundesminister für Wirtschaft und Energie / Arbeit und Soziales / des Auswärtigen a.D. |

    | Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen a.D.|

    | Landtagspräsident Nordrhein-Westfalen a.D. (12.LP)|

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    Präsident des Deutschen Bundestages

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    Ich möchte mich da ja nur ungern einmischen, aber ich muss an dieser Stelle schon klarstellen, dass es sich bei dieser Anfrage explizit um eine "Große Anfrage" handelt, die an die gesamte Bundesregierung adressiert ist. Welcher Minister oder welche Ministerin diese Anfrage zu beantworten hat, ist insoweit natürlich eine interne Angelegenheit der Bundesregierung. Dennoch ändert dies im Außenverhältnis nichts an der Tatsache, dass die gesamte Bundesregierung für die nicht fristgerechte Beantwortung der Anfrage zu rügen ist, da die gesamte Bundesregierung Adressatin dieser Anfrage ist.


    Soweit nur zur Klarstellung, um hier nicht den Anschein erwecken zu lassen, dass die Bundesregierung sich aus der Verantwortung ziehen könne, indem sie die Anfrage öffentlich an einen bestimmten Minister oder eine bestimmte Ministerin delegiert.

  • Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,


    vielen Dank für ihre Ausführungen.

    In der Tat ist dies so zu handhaben, wie Sie es dargestellt haben.

    Die Zuweisung an die Bundesministerin für Wirtschaft und FInanzen Dr. Irina Christ war eine Erinnerung meinerseits, da interne Absprachen zu dieser Anfrage bereits getroffen wurden.

    | Präsident des Deutschen Bundestages a.D. (11. + 15. LP) |

    | Stellvertreter der Bundeskanzlerin a.D. |

    | Bundesminister für Wirtschaft und Energie / Arbeit und Soziales / des Auswärtigen a.D. |

    | Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen a.D.|

    | Landtagspräsident Nordrhein-Westfalen a.D. (12.LP)|

  • 60x60bb.jpgDeutscher Bundestag

    Zwölfte Wahlperiode



    Drucksache XII/016


    Antwort

    der Bundesregierung



    auf die große Anfrage der Fraktion der SDP auf Drs. XII/016


    Anlage 1


    Raus aus der Krise - Maßnahmen gegen die Inflation


    Die Bundesregierung beantwortet die Anfrage wie folgt:


    1. Wie bewertet die Bundesregierung das aktuelle Inflationsgeschehen?


    Die Bundesregierung sieht die derzeitige stagflationäre Entwicklung besonders kritisch, da es dazu geeignet ist, den sozialen Frieden zu gefährden und es insbesondere einkommens- wie vermögensschwachen Bevölkerungsgruppen erschwert wird, den Lebensunterhalt zu finanzieren. Ferner ist in Anbetracht dieses Geschehens auch eine negative (=steigende) Entwicklung der Arbeitslosenquote zu erwarten; die Anwendung von Zinserhöhungen wird zu einem zweischneidigen Schwert, das folgend mit Bedacht einzusetzen ist.


    a) Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Wert des Euro in den Monaten Mai, Juni und Juli 2022 entwickelt?


    Gegen Ende Mai 2022 war der Euro 1,0712 USD wert; der Wert des Euros ist in den Monaten Juni (1,0387 USD) und Juli (1,0198 USD) kontinuierlich gefallen.


    (Angaben beziehen sich auf den Monatsende.)


    Die Preisanstieg hat sich sehr leicht verringert (Inflationsrate im Mai 2022: 7,9 %; Inflationsrate im Juli 2022: 7,5 %); dies bedeutet jedoch immer noch einen Anstieg des Verbraucherpreisindex'.


    b) Welche Prognose kann die Bundesregierung über die weitere Entwicklung des Werts des Euro treffen?


    Über die genaue Entwicklung vermag die Bundesregierung keine Angaben zu treffen; zu erwarten ist jedoch ein Fortbestand des derzeitigen inflationären Wirtschaftsklimas, während sich der Eurowert knapp über der Parität mit dem US-Dollar halten wird.


    c) Wie hat diese Entwicklung die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger beeinflusst?


    Diese inflationäre Entwicklung hat die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger merklich negativ beeinflusst. Insbesondere Bevölkerungsgruppen, denen nur ein geringes Einkommen und nur ein geringes Vermögen zur Verfügung stehen, wird es durch diese Entwicklung erschwert, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ebenso wird aber auch die Kaufkraft anderer Personengruppen hierdurch verringert.


    2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die aktuelle Inflation die Versorgungssicherheit ganzer Bevölkerungsschichten gefährdet? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?


    Es ist zu befürchten, dass insbesondere Personen, die über ein nur geringes Einkommen verfügen, in ihrer Kaufkraft derart massiv beschnitten werden, als dass diese bei der Finanzierung ihrer Lebenshaltungskosten durchaus auch in Bedrängnis kommen können und auch kommen - dies gilt insbesondere bei Personen, die am Rande des Existenzminimums oder jenseits dessen leben. Grund sind im Wesentlichen steigende Preise in relevanten Lebensbereichen bei unzureichendem (staatlichen) Ausgleich hinsichtlich des Einkommens. Die Preissteigerungen sind unter anderem auf die Gasmangellage und Energiekrise zurückzuführen, während die EZB nur sehr zögerlich hinsichtlich möglicher Zinsschritte gehandelt hat.


    3. Sieht die Bundesregierung in der Regulation von Preisen eine Perspektive (z.B. Spritpreisbremse)? Wenn ja, welche Preise sollten nach Ansicht der Bundesregierung in welcher Form und in welchem Ausmaß reguliert werden? Bitte grob nach den wichtigsten Warengruppen aufschlüsseln. Wenn nein, warum nicht?


    Nein, die Bundesregierung erachtet eine Preisregulation als den falschen Weg. Je nach Ausgestaltung könnte etwa ein temporärer Preisstopp zu einer "Anstauung" einer Inflation führen, der nach dem Ende zu großen Preisanstiegen führen würde, so etwa 1971 nach dem durch die Nixon-Regierung erlassenen Preisstopp in den USA. Darüber hinaus würden alle Bevölkerungsgruppen - egal, ob arm oder reich - profitieren, also auch solche, die eine Preisregulation nicht benötigen würden. Sinnvoller wäre es dagegen, gezielt Personen mit geringem Vermögen beziehungsweise Einkommen durch Erhöhte Sozialleistungen oder andere gezielte Ausgleichsmaßnahmen zu unterstützen - das wäre im Übrigen auch der zunächst zu bevorzugende Weg, soweit sozialstaatliche Aufgaben über diesem Wege zu erfüllen wären, da bei Preisregulationen auch immer ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Artikel 14 I GG im Raume steht. Wie sich die verfassungsrechtliche Situation genau darstellt, ist im Einzelfall zu prüfen. Es sei - um auf das Beispiel Spritpreispremse zurückzukommen - angemerkt, dass eine solche im Zweifel immer auch den Individualverkehr fördern würde, was klimapolitisch nicht wirklich sinnvoll wäre.


    4. Sieht die Bundesregierung es als geboten an, vor allem ärmere Menschen finanziell zu unterstützen? Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hierzu? Wenn nein, wieso nicht?


    Ja, gerade in Anbetracht des Kaufkraftverlustes sind entsprechende Maßnahmen geboten. Hierzu gedenkt die Bundesregierung, den Regelsatz im Arbeitslosengeld II und der Sozialhilfe von 409 auf 520 Euro anzuheben und unter anderem auch - zur Unterstützung von jungen Menschen in der Ausbildung bzw. im Studium - die Leistungen im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BaFöG) anzuheben.


    5. Welche anderen Maßnahmen sieht die Bundesregierung als geeignet an, um der Inflation effektiv entgegenzuwirken? Welche wird sie tatsächlich umsetzen? Welchen Bevölkerungsschichten kommen die genannten Maßnahmen vor allem zugute? Wie stark werden diese Maßnahmen den Haushalt belasten? Wie sollen sie finanziert werden?


    Geeignet ist unter anderem eine Stabilisierung der Situation auf dem Gas- beziehungsweise Energiemarkt: Hier gilt es, Erdgasversorger vor einer Insolvenz zu schützen, um steigende Erdgaspreise durch Angebotswegfall zu verhindern. Im Übrigen gilt es - da der Bundesrepublik Deutschland eigene Energiequellen nur in einem geringen Maße zur Verfügung stehen - die Energiediversifikation voranzutreiben und Energie aus mehreren Ländern zu beziehen, um angebotsseitig weitere Preissteigerungen zu verhindern. Preisstopps etwa sind nicht als sinnvoll anzusehen (siehe oben), zumal die Inflation unter anderem angebotsseitig hervorgerufen wurde. Genannte Maßnahmen kämen allen an der Volkswirtschaft Teilnehmenden zu Gute; Umgang der Kosten und Finanzierung hängen vom konkreten Umfang ab, zu dem die Bundesregierung derzeitig keine Angaben zu tätigen vermag. Mit der Umsetzung begonnen hat die Bundesregierung bereits durch Verhandlungen über eine Rettung des Gasversorgers Uniper und durch den Beginn von Baus von LNG-Terminals. Weitere Schritte zur Umsetzung sind allerdings vor dem Hintergrund der in Kürze ablaufenden Wahlperiode nicht zu erwarten.



    Dr. Christ

    für die Bundesregierung



    Bemerkungen


    Es wird um Verzeihung für die Unannehmlichkeiten hinsichtlich der sehr späten Beantwortung der Anfrage gebeten. Die Bundesregierung ist sich des parlamentarischen Fragerechtes aus Artikel 38 I Satz 2 GG und der Pflicht einer möglichst zeitnahen Beantwortung bewusst. Jedoch gab es unvorhersehbare Gründe für eine Verzögerung.


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    Präsident des Deutschen Bundestages

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    Wie schön, dass Frau Ministerin doch noch Erbarmen mit der fragestellenden Fraktion hatte und die offenbar nahezu einen Monat lang anhaltenden "unvorhersehbaren Gründe" nun überwunden wurden.


    Gibt es denn hinsichtlich der Antwort der Bundesministerin noch Nachfragen?