Ausschuss für Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens

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    AUSSCHUSS

    Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens


    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,


    hier konstituiert sich der auf Antrag der Gruppe der Piraten und des Kollegen Kratzer die Bildung des Ausschusses für Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens.

    Der Ausschuss ist erfolgreich konstituiert, wenn mindestens drei Mitglieder binnen sieben Tagen ihre Teilnahme erklären.


    gez. Dr. Christ

    (Präsidentin des Bayerischen Landtages)


    Anlage:


  • Aktueller Zwischenstand des Berichts: main.pdf (Stand: 19. Juli 22:28)


  • Dr. Irina Christ

    Hat den Titel des Themas von „DEBATTE | XII/007: Ausschuss für Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens“ zu „Ausschuss für Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens“ geändert.
  • Dr. Irina Christ

    Hat das Label von Debatte auf Organisatorisches geändert
  • Ich erkläre selbstredend meine Teilnahme.


    Ich möchte gleichsam auf einige Bestimmungen der Geschäftsordnung hinweisen:

    1. Ich übernehme als Antragsteller gemäß § 16 der Geschäftsordnung den Vorsitz, bis jemand beantragt einen Vorsitzenden zu wählen. Ich bekunde sogleich meine Auffassung, den status quo Bestehen zu lassen, also keinen Vorsitzenden zu wählen.

    2. Die Mitgliederzahl der Fraktionen und Gruppen im Ausschuss bemisst sich nach § 15 der Geschäftsordnung. Demnach können berufen:

    - Grüne: 2 Mitglieder

    - CDSU: 1 Mitglied

    - BSV: 1 Mitglied

    - vPiraten: 1 Mitglied

  • Vielen Dank Frau Präsidentin.


    Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Prozedere verlieren. Der Vorsitz wird oben eine aktuelle Entwurfsversion des Berichts pflegen, der den Stand der aktuellen Diskussionen widerspiegelt und versucht möglichst alle Auffassungen einzubinden. Gerne können Sie auch direkt Änderungen vorschlagen, die dann möglichst bald eingepflegt werden.

    Am Ende der Ausschussbehandlungen haben wir dann ggf. die Gelegenheit jeden Teil nochmal kurz zu überprüfen und über den Bericht als ganzen abzustimmen.

    Sofern niemand widerspricht, nehme ich an, dass das so beschlossen ist.


    Kommen wir zur ersten Frage: Kann das Gesetz- und Verordnungsblatt amtlich digital veröffentlicht werden? Wäre dies mit der Verfassung vereinbar?

    Dass eine grundsätzliche Veröffentlichung von Verkündungsblättern digital möglich ist, ist glaube ich unbestritten. Beispiele dafür gibt es genug. Schauen Sie bloß Richtung Österreich, in der das von allen Ländern und dem Bund selbst praktiziert wird; in der Schweiz auch auf Bundesebene, sowie in einzelnen Kantonen wie Zürich; genauso das Amtsblatt Luxemburgs und vermutlich viele weitere Länder. In Deutschland selbst haben unser Nachbarland Hessen und Land Sachsen-Anhalt in ihrer Verfassung die Möglichkeit geschaffen, eine digitale Verkündung einzuführen. In Bremen, Brandenburg und dem Saarland wurde die verfassungsrechtlich gegebene Möglichkeit genutzt und auf die digitale Verkündung umgestellt. Auf Bundesebene ist ein solches Projekt in Arbeit. Uns als Teil der Legislative wird auch das Amtsblatt der Europäischen Union bekannt sein, das eben auch elektronisch veröffentlicht wird. Was digital verkündet wird hat so auch Folgen für Bayern.

    Die Frage der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit ist jedoch eine, die genau wegen der Verwendung in anderen Bundesländern problematisch ist. Alle (deutschen) Länder, die die digitale Verkündung nutzen, haben ihre Verfassungen geändert. Es haben sogar noch mehr Länder die Verfassung sozusagen als Vorsichtsmaßnahme geändert. Meine Kontake im Bundesinnenministerium sind der Auffassung, dass eine digitale Verkündung auf Bundesebene wohl eine Grundgesetzänderung voraussetzt. Es scheint dort aber verschiedene Auffassungen zu geben. Eine Kommentatorin merkte zynisch an, dass wenn das Grundgesetz erlaubt, die Veröffentlichung eines zentralen Staatsaktes - eines Gesetzes - in private Hände zu legen, es wohl auch erlaube, dass dies - unter Beachtung des Rechtstaatsprinzips - digital geschehe.

    In der bayerischen Verfassung selbst kommt das Wort "Gesetz- und Verordnungsblatt" genau 1-mal vor. Die Frage ist nun: setzt der Namensbestandteil "blatt" - 5 Buchstaben! - voraus, dass es sich hier um eine papierne Verkündung handelt? Von der der Gesetzgeber nicht abweichen kann? Oder muss zuerst die Verfassung ergänzt werden um die Worte "Das Nähere wird durch Gesetz geregelt." oder so ähnlich? Hierzu muss ich gleichzeitig hinzufügen, was die Meinung meiner Kontakte aus dem Digitalministerium ist: ja, diese 5 Buchstaben lassen die Wahl der Form des Gesetz- und Verordnungsblattes dem Gesetzgeber nicht frei.

    Die Nachteile einer Verfassungsänderung sind wohl gering. Die Vorteile sind aber nicht zu unterschätzen. Wenn wir die Verfassung nicht ändern und regulär Gesetze und Verordnungen im GVBl. verkündet werden, wird es nicht lange dauern, bis das ganze an den Verfassungsgerichtshof kommt: es gibt die Richtervorlage, die Verfassungsbeschwerde und die Popularklage. Die Frage ist also nicht, "ob", sondern "wann", und "was dann, wenn". Wenn der Verfassungsgerichtshof nämlich zum Schluss kommt, dass tatsächlich die Verfassung die Papierform voraussetzt, wären alle im GVBl. seit dem veröffentlichten Gesetze und Verordnungen nicht mehr anwendbar. Die Staatskanzlei würde vermutlich eine Neuauflage des GVBl. vorbereiten und so schnell veröffentlichen. Aber, wie Ihnen allen bekannt ist, Gesetze treten erst nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Manche Gesetze würden also erst womöglich - je nachdem wie schnell der Verfassungsgerichtshof ist - Monate oder mehrere Jahre nach ihrem Beschluss in Kraft treten. Es gäbe aber auch eine Lösung: der Landtag könnte gewissermaßen selbst den Normenkontrollantrag gegen sein eigenes Gesetz erheben und dessen Anwendung bis zu einer Entscheidung des VfGH aussetzen. Diese Lösung hat aber ein politisches Problem: wir könnten verlieren, das macht sich nicht gut und ist auch nicht förderlich für das Vertrauen der Bürger in unsere Demokratie.


    Dieses Dillema verweise ich jetzt an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: müssten oder sollten wir die Verfassung ändern? Ggf. auch wie?


    (Erster Bericht oben schon "veröffentlicht", hab mir dazu extra 2 1/2 Stunden LaTeX installiert)

  • Ich habe für eine hoffentlich bessere Diskussionsgrundlage mal schnell die entsprechenden Formulierungen aus den Verfassungen der deutschen Länder, die die elektronische Verkündung erlauben, zusammengetragen:

    Brandenburg: "Nach Maßgabe eines Gesetzes können die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und deren Verkündung in elektronischer Form vorgenommen werden."

    Bremen: "Das Bremische Gesetzblatt kann nach Maßgabe eines Gesetzes in elektronischer Form geführt werden."

    Hessen: "Das Gesetz- und Verordnungsblatt kann nach Maßgabe eines Gesetzes in elektronischer Form geführt werden."

    Saarland: "Das Amtsblatt des Saarlandes kann nach Maßgabe eines Gesetzes in elektronischer Form geführt werden."

    Sachsen-Anhalt: "Die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen sowie deren Verkündung können in elektronischer Form vorgenommen werden. Das Nähere regelt ein Gesetz."


    Meine Kontakte in der Bundesregierung sind aber anderer Meinung und finden das Verwenden des Wortes "elektronisch" schränkt den einfachen Gesetzgeber zu sehr ein, um auf künftige technologische Entwicklungen reagieren zu könen. Man brauche also eine etwas allgemeinere Formulierung. Dieselben Kontakte würden für eine mögliche Grundgesetzänderung vorschlagen:

    Bund: "Das Nähere zur Verkündung und zur Form von Gegenzeichnung und Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen regelt ein Bundesgesetz."


    Da es im bayerischen Recht keine Gegenzeichnung gibt, würde das entfallen.

    Die entsprechende Übertragung würde also lauten: "Das Nähere zur Verkündung und zur Form der Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen regelt ein Gesetz."

    Eine vollkommen allgemeine Formulierung würde lauten: "Das Nähere regelt ein Gesetz."

    Es handelt sich also um geringe Unterschiede. Persönlich würde ich die, den Gesetzgeber etwas mehr einschränkende Formulierung oben nehmen - um auf alle Fälle sicher zu gehen, nicht das Ausfertigungsverweigerungsrecht des Ministerpräsidenten einzuschränken -, aber den Teil "von Gesetzen und Rechtsverordnungen" streichen, um klar zu machen, dass der Gesetzgeber auch sonstige Verkündungen im Gesetz- und Verordnungsblatt regeln kann.

    Folglicherweise halte ich folgende Formulierung für die Beste: "Das Nähere zur Verkündung und zur Form der Ausfertigung regelt ein Gesetz."


    Diese Formulierung muss natürlich in die Verfassung, dort finde ich ist Art. 76 Abs. 1 der perfekte Platz. Da dies auch der einzige Teil der Verfassung ist, der das Gesetz- und Verordnungsblatt überhaupt erwähnt wird.

  • So, liebe Kolleginnen und Kollegen,


    nach den (langweiligen) verfassungsrechtlichen Fragen möchte ich nun zur Frage b) kommen: Kann ein gesamtbayerisches Rechtsinformationssystem die Verkündungsplattform Bayern erweitern oder ersetzen?


    Zuerst einmal sollte erwähnt werden, welche Plattformen es zum Moment gibt: einmal die Datenbank des bayerischen Landesrechts, auf der das Landesrecht konsolidiert veröffentlicht wird, sowie die Verkündungsplattform Bayern, auf der das Ministerialblatt, also das Amtsblatt der Staatsregierung, bereits heute amtlich digital veröffentlicht wird.

    Die Idee eines Rechtsinformationssystems bezieht sich natürlich insbesondere auf Österreich. Aber auch in Liechtenstein und der Schweiz bestehen ähnliche Systeme; auf Unionsebene ist wohl Eur-Lex zu erwähnen.

    Dabei dient ein solches System nicht nur der Veröffentlichung neuer Gesetze, sondern auch der Konsolidierung des bisher bestehenden Rechts. Es würde sich also um die zwei bestehenden Systeme bei uns handeln. Ob dazu zwei Plattformen ausreichen, oder man eine ganze braucht, darüber lässt sich sicherlich streiten.

    Ich für meinen Teil bin aber überzeugt, dass eine gemeinsame, neuentwickelte Plattform Vorteile bietet. Schließlich sind bei Gerichtsprozessen oft auch alte Fassungen relevant, ganz zu schweigen für unsere Zwecke als Gesetzgeber. Das alles kann von einer ganz engen Integration von Verkündung und Konsolidierung Vorteile erfahren.

    Selbst wenn der Landtag von einem gemeinsamen System absehen würde - also Datenbank des Landesrechts und Verkündungsplattform weiterhin trennt - würde es aus Seite der entwickelnden Behörden aus technischen Erwägungen - je nachdem, welche Möglichkeiten die Verkündung mit sich bringt; in der Schweiz z.B. bald auch maschinenlesbare Daten - durchaus Sinn machen diese de facto eng miteinander abzustimmen.

    Meiner Meinung nach führt also nichts daran vorbei, dass wir die bestehenden Systeme durch ein neues ersetzen. Welches die Arbeit der alten genausogut, sogar noch besser übernehmen kann.

  • Kommen wir zur nächsten Fragestellung: Kann ein gesamtbayerisches Rechtsinformation die digitale Veröffentlichung von Amtsblättern für Kommunen vereinfachen? Welche Nachteile hätte dies für die Betroffenen?


    Ersteinmal muss man erwähnen, dass es im bayerischen Recht keine Grundlage für die digitale Veröffentlichung der Amtsblätter von Kommunen stand jetzt gibt. Die Einführung von so etwas sollte also zuerst diskutiert werden. Das werden wir im weiteren Verlauf der Beratungen auch noch im Detail tun.

    Die Frage ob man etwas digital veröffentlichen soll folgt ja aus dem Rechtstaatsprinzip und Willkürverbot: jeder, auf den das Recht Anwendung findet, soll sich über dessen Vorschriften informieren können. Sonst kann er sie ja auch nicht einhalten. Bei dem Gesetz- und Verordnungsblatt, deren amtliche Version man ja bis jetzt bestellen muss, ist ganz klar, dass durch eine digitale Veröffentlichung die amtliche Version mehr Menschen zugänglich wird.

    Bei Amtsblättern von kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften sieht die Sache durchaus anders aus. Durch die Lieferung eines Amtsblattes erfährt jeder Gemeindeeinwohner, welche neuen Regelungen getroffen worden sind. Eine aktive Aktion, wie das Registrieren an einen Newsletter, ist nicht nötig. Deswegen ist nicht sichergestellt, dass tatsächlich jeder Gemeindeeinwohner von den Regelungen Kenntnis erhält.

    Dem muss aber entgegengehalten werden, dass auch heute zulässige, wenn auch nicht oft praktizierte, Formen der Veröffentlichung wie der Anschlag an die Gemeindetafeln nicht gerade über die beste Publizität verfügen. Durch die Digitalisierung ist aber zu erwarten, dass sich Bürgerinnen und Bürger in Zukunft mehr auf Plattformen des Bundes, der Länder und der Kommunen befinden. Dadurch, etwa durch eine Beanchrichtigungsfunktion, können sie auch auf die Amtsblätter und neuen Veröffentlichungen von Kommunen auf einem Rechtsinformationssystem hingewiesen werden können.

    Die amtliche digitale Veröffentlichung bietet also eine etwa genauso gute, wenn nicht in Zukunft sogar bessere, Erfüllung der Publizitätsfunktion.

    Darüber hinaus bietet eine digitale Veröffentlichung Vorteile etwa für sehgeschädigte Personen die Chance, über amtliche Veröffentlichungen besser Kenntnis als aktuell zu erlangen, etwa über Screenreader oder ähnliche Funktionen.

    Durch die Möglichkeit der Konsolidierung wird es auch einfacher, über die aktuell geltende Form der Gemeindevorschriften Kenntnis zu erlangen. Insbesondere dank der immer stärker werdenden Mobilität im Landes- und Bundesgebiet ist das Informieren über den aktuellen Rechtsstand wichtig.

    Zusätzlich ist mit einer Verbesserung für Gemeindeorgane zu rechnen: sie können das bisherige und aktuelle Vorgehen in ihrer Gemeinde und das anderer Gemeinden einfacher als bisher miteinander zu vergleichen. Dies hilft dabei, die tatsächlich besten Lösungen zu finden. Daneben können Veröffentlichungen schneller erfolgen, weil die digitale Veröffentlichung mit weniger Aufwand und prozeduralen Hürden verbunden ist.

    Die Vorteile von digitaler Veröffentlichung auch für Kommunen sind also viele.


    Natürlich ist dies aber auch mit Nachteilen verbunden: diejenigen, die die Veröffentlichung im Internet nicht wahrnehmen können, können sich nicht mehr wie bisher informieren. Dem kann entgegengewirkt werden, indem z.B. Satzungen wie bisher, aber nur nachrichtlich statt amtlich, abgedruckt werden können. Dies ist nicht zu verwechseln, mit der Sicherstellung des Zugangs zur amtlichen Version für alle, zu welcher ich bei Punkt ff) nochmal kommen möchte.

    Denn mit einer kompletten Einstellung von gedruckten Veröffentlichungen der Kommunen ist nicht zu rechnen. Diese werden schließlich auch genutzt, um über das Gemeindeleben - sei das die Versammlung der Feuerwehr, den Aufstieg der Fußballmannschaft oder den Umwelttag der Grundschule - zu informieren und sind deshalb auch für nachrichtliche Veröffentlichungen geeignet.

    Zu weiteren Auswirkungen insbesondere auf die Wirtschaft will ich bei Punkt d) nochmal kommen.

  • Wir kommen zur nächsten Frage: Sollten auch bestimmte Entscheidungen und Bekanntmachungen von Landesbehörden auf einem gesamtbayerischen Rechtsinformationssystem veröffentlicht werden?


    Einerseits möchte ich meinen Blick auf die Regierungen, also die Regierungsbezirke, richten. Deren Amtsblätter, die auch zusammen mit denen der Bezirke, die ja unter den Punkt der Kommunen fallen, geführt werden können (siehe Art. 19 Bezirksordnung), sollten auch veröffentlicht werden.

    Daneben gibt es eine ganze Reihe an öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, deren Veröffentlichungen sich auch im Rechtsinformationssystem anbieten würden. Damit meine ich z.B. die Industrie- und Handelskammern oder unseren Bayerischen Rundfunk. Dabei möchte ich betonen, dass es sich hier wie bei den Kommunen um ein Angebot handeln soll, dass die Körperschaften und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts freiwillig wahrnehmen können. Die Wahrnehmung dieses Angebots bietet, wie ich bereits dargelegt habe, viele Vorteile. Letztlich ist es aber immer eine Entscheidung jeder einzelnen Organisation selbst.

    Dabei sollten wir aber dennoch ganz klar die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften von dem bayerischen Rechtsinformationssystem ausschließen. Es ist weder im Interesse des Staates noch der Religionsgemeinschaften, dass weltliches und religiöses - meistens kirchliches - Recht vermischt werden.

  • Ich möchte nun zu den Gerichten kommen: Können und sollten Urteile und Beschlüsse von bayerischen Gerichten auf dem Rechtsinformationssystem veröffentlicht werden? In welchem Umfang?


    Dazu möchte ich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hinweisen: "Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist eine öffentliche Aufgabe. Es handelt sich um eine verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und damit eines jeden Gerichts."

    Die grundsätzliche Frage, ob Gerichtsentscheidungen veröffentlicht werden ist damit geklärt, zumindest - so das BVerwG - wenn die Öffentlichkeit an der Veröffentlichung ein Interesse hat.

    Insbesondere bei den unteren Instanzen ist die Zahl der Veröffentlichungen aber dürftig.


    Neben der Frage, ob und in welchem Umfang Gerichtsentscheidungen veröffentlicht werden sollten, ist aber auch die Frage zu beantworten, ob wir darauf als Landesgesetzgeber überhaupt Einfluss haben. Schließlich bieten das GVG und beispielsweise die ZPO bereits Vorschriften im Bereich der Urteilsverkündung. Da sich dem BVerwG zufolge die Veröffentlichungsaufgabe aus der Verfassung ergibt, sowie der Bundesgesetzgeber solch eine Pflicht wohl stillschweigend voraussetzt: "Mit Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch auf § 5 Abs. 1 UrhG hingewiesen. Soweit dort "Entscheidungen und amtliche Leitsätze" vom Urheberschutz ausgenommen und für gemeinfrei erklärt werden, wird damit zwar eine Pflicht zur Veröffentlichung nicht statuiert (vgl. Hirte a.a.O. S. 1700). Sie wird dort aber sehr wohl, wenn auch stillschweigend, als eine solche der Gerichtsverwaltung vorausgesetzt." Wenn der Bundesgesetzgeber damit die Veröffentlichung von solchen Entscheidungen bereits geregelt hat, hätten wir auch keine Kompetenz, diese weitergehend zu regeln.


    Wie auch bei Behörden finde ich aber auch hier, dass wir auf Freiwilligkeit setzen sollten. Also die Möglichkeiten schaffen, dass Gerichtsentscheidungen weiterhin - dies passiert ja schon auf der Datenbank des Landesrechts - in einem Rechtsinformationssystem verkündet werden.

  • Alle Tage wieder, nicht alle Jahre, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin dann doch etwas schneller... Die nächste Frage ist: Inwiefern stellt Art. 4 Abs. 2 BayEGovG eine Rechtsgrundlage für solche Veröffentlichungen dar?


    Ich habe ihnen den Wortlaut selbstverständlich dabei:

    (2) 1Veröffentlichungspflichtige Mitteilungen und amtliche Verkündungsblätter können auch elektronisch über das Internet bekannt gemacht werden. 2Vorbehaltlich entgegenstehender rechtlicher Vorgaben kann die Bekanntmachung ausschließlich elektronisch erfolgen, wenn eine Veränderung der veröffentlichten Inhalte ausgeschlossen ist und die Einsichtnahme auch unmittelbar bei der die Veröffentlichung veranlassenden Stelle für alle Personen auf Dauer gewährleistet wird. 3Das Nähere regelt die Staatsregierung für ihren Bereich durch Bekanntmachung.

    Ähnliches steht übrigens auch im EGovG des Bundes, mit dem wir uns später noch beschäftigen werden. Wie oben bereits diskutiert, ist für eine Veröffentlichung des Gesetz- und Verordnungsblattes wohl eine Änderung der Verfassung nötig. Wie aber steht es bei Kommunen?

    Geregelt wird beispielsweise für Gemeinden die Veröffentlichung von Satzungen in Artikel 26 Gemeindeordnung, sowie in der Bekanntmachungsverordnung.

    Falls das BayEGovG die Regelungen zur Veröffentlichung in der Gemeindeordnung überschreibt, wäre eine elektronische Veröffentlichung von Amtsblättern bereits Stand heute möglich. Das ist aber nicht der Fall. Das sehen wir zum Einen in der Praxis; mir zumindest ist kein Fall bekannt, in dem eine Gemeinde ihr Amtsblatt (auch bezüglich ausschließlich bayerischem Recht) ausschließlich elektronisch veröffentlicht. Zum Anderen steht dem der Wortlaut entgegen: "Vorbehaltlich entgegenstehender rechtlicher Vorgaben"; eine ausschließliche elektronische Veröffentlichung von Amtsblättern wäre also nicht möglich.


    Daraus schließe ich: wir müssen die Kommunalverfassungen (GO, LKrO, VGemO, BezO) und die Bekanntmachungsverordnung entsprechend ändern, um die Möglichkeit der digitalen Veröffentlichung von Amtsblättern der Kommunen auf bayerischer Ebene zu schaffen.

  • Weil es so schön war, möchte ich auch ausnahmsweise zur nächsten Frage am selben Tag kommen: Wie kann die Echtheit der Veröffentlichungen garantiert werden?


    Analog zu den Regelungen auf europäischer Ebene sollte eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein qualifiziertes elektronisches Siegel nach der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geeignet sein.


    Außerdem sollten wir zumindest auf Landesebene die Erstellung umfangreicher beglaubigter Kopien auch in Papierform vorsehen. Zur Aufbewahrung dieser bieten sich die Bayerische Staatsbibliothek München und das Bayerische Hauptstaatsarchiv an. Man könnte auch an die Übermittlung an die Staatskanzlei und die Bibliothek des Landtages denken.

  • Kommen wir zur nächsten Frage: Wie kann Zugang auch für Menschen ohne Internetanschluss garantiert werden?


    Auf Landesebene erledigt sich diese Frage: wer heute keinen Internetanschluss hat, kann nicht mal auf die nachrichtliche Fassung des GVBl. zugreifen, außer er bestellt sich extra die Papierfassung. Da heutzutage auch nicht alle Zugriff auf das GVBl. haben, können wir diesen auch nicht schmälern. Jedoch sollten wir die Möglichkeit schaffen, sich bei den Gemeindeverwaltungen die digitale Form mindestens während der Geschäftszeiten einzusehen.

    Auch möglich wäre die Aufstellung sogenannter digitaler Amtstafeln. Ich habe das vor der Corona-Pandemie bei einem Urlaub in Tirol gesehen: es handelt sich hier um einen öffentlich aufgestellten und zu jeder Zeit zugänglichen Touch-Screen, durch den man auf das Amtsblatt des Landes zugreifen kann.


    Bei den Gemeinden (explizit nicht bei den Landkreisen und Bezirken) sieht es aber anders aus: durch die Verteilung von Amtsblättern an jeden Gemeindeeinwohner hat jeder nicht nur Zugriff auf das Amtsblatt, es wird einem sogar ins Haus geliefert. Die angesprochenen digitalen Amtstafeln können natürlich auch das digitale Amtsblatt der Gemeinden öffentlich zugänglich machen, genauso wie die Gemeindeverwaltungen (dies ist Praxis im Saarland [§ 20 Abs. 2 KSVG] und Brandenburg [§ 5a Abs. 3 BekanntmV]). Es erscheint jedoch durchaus sinnvoll, weiter zumindest das Inhaltsverzeichnis nachrichtlich im nichtamtlichen Amtsblatt zu veröffentlichen, welches die meisten Gemeinden wohl weiter zur Information der Gemeindebürger über das Gemeindeleben herausgeben möchten.

    Das es auch sinnvoll sein kann bestimmte Rechtsvorschriften darüber hinaus nachrichtlich zu veröffentlichen sei dahingestellt und liegt - sofern Bundes- und Unionsrecht nichts anderes vorschreiben - einzig und allein im Ermessen der Gemeinde.

  • Genau mit dieser Fragestellung möchte ich mich jetzt beschäftigen: stehen der flächendeckenden Verwendung eines digitalen Rechtsinformationssystems bundes- oder unionsrechtliche Vorschriften entgegen?


    Vorneweg möchte ich auf das Unionsrecht eingehen. Mir sind dort keine Vorschriften, die die Art der Veröffentlichung regeln bekannt. Sofern es sich um eine Richtlinie handelt, kommt uns in jedem Fall auch ein Spielraum zu, den wir entsprechend nutzen können.


    Bezüglich des Bundesrechts sieht die Sache auch in anderen Ländern durchaus komplizierter aus.

    Ich möchte insbesondere das dualistische Modell des Saarlandes ansprechen: das Saarland hat sein Amtsblatt in zwei Teile gegliedert. Teil I wird digital veröffentlicht; Teil II wird weiterhin in Papierform geführt. So sagt die entsprechende Internetseite des Saarlandes: "Davon ausgehend steht einer vollständigen Umstellung des Amtsblattes auf die elektronische Form unter Einbeziehung des Amtsblatts Teil II derzeit noch entgegen, dass bestimmte Veröffentlichungen aufgrund Bundesrechts in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt erfolgen müssen bzw. ortsüblich bekanntgemacht werden müssen und rechtlich umstritten ist, ob dafür ein elektronisches Medium ausreicht." (hier)

    Brandenburg und Bremen auf der anderen Seite haben jedoch interessanterweise keine zwei verschiedenen Formen des Amtsblattes auf Landesebene. Auf kommunaler Ebene legt das Saarland sogar ausdrücklich fest: "Soweit in Rechtsvorschriften ortsübliche Bekanntmachung vorgeschrieben ist, gilt die nach dieser Vorschrift durch Satzung festgelegte Bekanntmachungsform." (§ 1 Abs. 3 BekVO)


    Ich möchte auch auf eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages eingehen (Ich kann nur empfehlen: lesen Sie die drei Seiten, sehr interessant). Dabei sind die Wissenschaftlichen Dienste der Auffassung, dass das äquivalent zum vorher angesprochen BayEGovG, das EGovG auch spezielgesetzliche Regelungen nicht vorwegnimmt.

    Nach dem BauGB ist der Auffassung des Autors nach die ortsübliche Bekanntmachung durch elektronische Veröffentlichung nicht möglich. Außer: "Erfolgt die ortsübliche Bekanntmachung etwa durch kumulative Veröffentlichung im Amtsblatt und in Tageszeitungen in Papierform, so könnte das Amtsblatt auch ausschließlich elektronisch veröffentlicht werden."

    Bezüglich des VwVfG gelte wieder: "Eine öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung im Sinne des § 27a VwVfG darf demnach nicht nur in einem Amtsblatt erfolgen, das ausschließlich elektronisch veröffentlicht wird." Eine kumulative Veröffentlichung wird also nach dem Autor auch vom VwVfG vorausgesetzt.


    Bezüglich der Rechtssicherheit für die Kommunen erscheint es durchaus abenteuerlich wie das Saarland die Bekanntmachung im Internet mit der ortsüblichen Bekanntmachung gleichzusetzen, ohne eine kumulative Veröffentlichung vorzuschreiben. In Brandenburg soll beispielsweise "die Bekanntmachung und die Internetadresse" nachrichtlich bekanntgemacht werden.

    Es gibt also wieder zwei Optionen: die sichere und unsichere Variante.

    Um konsistent zu bleiben, würde ich mich wieder für die Sichere aussprechen.

    Also sollte festgelegt werden: Sofern eine ausschließlichen Bekanntmachung im Internet bundes- oder unionsrechtliche Vorschriften nicht genügt, sollte die Bekanntmachung auch nachrichtlich entsprechend erfolgen.

  • Die nächsten Fragen sind folgende:

    - Welche Behörden und Stellen wären mit der Durchführung auf Landesebene zu beauftragten? Oder ist eine Inanspruchnahme von Diensten von privaten Unternehmen, insbesondere der juris GmbH, ausreichend und zweckdienlich?

    - Wie kann eine Integration und Zusammenarbeit eines gesamtbayerischen Rechtsinformationssystems mit den Kommunen, Behörden und ggf. Gerichten, insbesondere deren Internetseiten, sichergestellt werden?

    Auch möchte ich folgende Frage vorwegnehmen: Ist ein eigenes bayerisches Rechtsinformationssystem ohne Integration oder Kooperation mit dem Bund zweckmäßig und wirtschaftlich?


    Zuerst möchte ich auf die juris GmbH eingehen: diese ist auch für die Veröffentlichung des Amtsblattes des Saarlandes zuständig. Auch wenn sie mehrheitlich im Besitz öffentlicher Einrichtungen - insbesondere dem Bund - steht sollten wir eine Privatisierung der Verkündung von Rechtsvorschriften auf bayerischer Ebene entgegentreten, die durch ein Rechtsinformationssystem ja wie bereits ausgeführt auf viele staatliche Ebenen ausgeweitet werden können. Auf Bundesebene gibt es ja Bestrebungen bei einer möglichen Digitalisierung den Verkündungsprozess wieder den Behörden zu übertragen.

    Nun denn, die Datenbank des Landesrechts wird von der Staatskanzlei herausgegeben und technisch vom Verlag C.H.BECK oHG umgesetzt. Wie bereits gesagt halte ich nichts davon private Akteure in einen so zentralen Bereich des Staates einzubinden.

    Die Verkündungsplattform Bayern wird wieder von der Staatskanzlei herausgegeben und technisch von der Staatsbibliothek umgesetzt. Daneben wird das Bayernportal vom Staatsministerium für Digitales betrieben.

    Ich halte aber keine dieser Behörden für die Entwicklung des Rechtsinformationssystems für geeignet.

    Denn: das Landesamt für Digitalisierung bietet neben der Fachkompetenz auch die entsprechenden Kontakte in die anderen Länder und ein bekannter Partner für alle Beteiligten.


    Das steht auch ganz im Einklang mit unserem Anspruch - ich bin jedenfalls fest überzeugt, dass wir so einen Anspruch haben - auch für andere Länder und den Bund ein positives Beispiel zu setzen. So können wir für künftige Entwicklungen bayerisches Know-How bilden, dass über Bayern hinaus nützlich sein kann.

    Ein solches Rechtsinformationssystem muss auch nicht nur für Bayern konzipiert sein. Andere Länder, andere Staaten, gar internationale Organisationen können davon profitieren.

    Es lohnt sich also durchaus, dass Projekt - erstmal - alleine anzustoßen, um später der Allgemeinheit einiges an Kosten zu sparen.


    Dazu muss aber selbstverständlich eine andere wichtige Bestimmung erfüllt sein. Sie werden wohl auf Grund meiner Parteizugehörigkeit wissen, was ich nun sagen werde: "public money, public code"!

    Bei der Corona-Warn-App hat das ganze ja auch nicht schlecht funktioniert. Das ist nicht nur wichtig, um ein Rechtsinformationssystem für Verwendung in anderen Ländern und darüber hinaus bereit zu machen, sondern auch um es für die Kommunen attraktiv zu machen.

    Da es sich um eine freiwillige Teilnahme handeln würde, können wir so viel mehr Kommunen ihre Vorteile erkennen lassen, ohne ihre Eigenständigkeit bei der Verkündung aufgeben zu müssen. Dies kann etwa durch ein dezentral organisiertes System geschehen.


    Ich höre Ihre Fragen: Aber wie können die Kommunen sicher sein, dass sie gehört werden?

    Durch ein Beratungsgremium beim zuständigen Landesamt könnten wir alle relevanten Akteure aus der staatlichen Verwaltung, der Rechtspflege, des Landtages und natürlich auch der Kommunen in den Prozess einbinden. Darüber hinaus können auch Akteure aus anderen Ländern, des Bundes und auch international teilhaben.