3 BvB 1/21 - Bundesrat ./. Freiheitliches Forum Deutschlands - Parteiverbotsverfahren, mündliche Verhandlung

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    Das Oberste Gericht gibt bekannt:




    Die mündliche Verhandlung

    in dem Verfahren


    über


    die Anträge,



    zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Freiheitlichen Forums Deutschlands,



    zur Auflösung des Freiheitlichen Forums Deutschlands,



    zum Erlass eines Verbotes zur Schaffung von Ersatzorganisationen des Freiheitlichen Forums Deutschlands oder zur Fortsetzung bestehender Organisationen als Ersatzorganisation und



    hilfsweise zum Ausschluss des Freiheitlichen Forums Deutschlands von staatlicher Parteienfinanzierung




    des Bundesrates

    - Antragstellerin -


    g e g e n


    Freiheitliches Forum Deutschlands

    - Antragsgegnerin -



    beginnt am Dienstag, den 31. Mai 2022 um 17:30 Uhr.




    Christ-Mazur | Neuheimer



  • betritt gemeinsam mit Richter Neuheimer den Sitzungssaal




    Sehr geehrte Damen und Herren,

    werte Anwesende,


    bitte nehmen Sie Platz. Ich rufe auf: das Verfahren 3 BvB 1 aus dem Jahre 2021.


    Antragstellerin: Bundesrat

    - vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Holler


    Antragsgegnerin: Freiheitliches Forum Deutschlands

    - vertreten durch Rechtsanwalt Paul Fuhrmann


    In diesem Verfahren geht es um die Fragestellung, ob das Freiheitliche Forum Deutschlands verfassungswidrig im Sinne des Artikel 21 II GG ist und ob ein Verbot, hilfsweise ein Ausschluss von staatlicher Parteienfinanzierung, von Nöten ist. Die Antragstellerin sieht dergleichen als geboten an und begehrt, nach dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei 1952 und der Kommunistischen Partei Deutschlands 1956 ein drittes Parteiverbot zu erwirken.


    In diesem Kontext ergab das Urteil im Regelbeschwerdeverfahren, dass ein solches Verfahren mit dem vDeutschen Gesetzbuch vereinbar ist (vgl. Urteil des sechsten Senates vom 19. Mai 2022). Das Gericht hat festgestellt, dass das Freiheitliche Forum Deutschlands und der Bund Unabhängiger Wähler rechtsidentisch sind und - auch in Ermangelung eines Gestaltunterschiedes bei Hervorrufung einer neuen Sachlage - anstellte des Bundes Unabhängiger Wähler das Freiheitliche Forum Deutschlands zu führen ist (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2022). Dementsprechend wird das Verfahren fortgeführt.


    Das Gericht hat einige Erwägungen im Vorfeld der mündlichen Verhandlungen getätigt, die sich in der Ihnen durch das Gericht übersendeten Gliederungen widerspiegeln. In diesen mündlichen Verhandlungen wird der Sachverhalt weiter vertieft werden - die Ansichten beider Parteien sind zu hören. Unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht, ist klar, dass mögliche Konsequenzen der Entscheidung erheblich sein können.



    Das erstmal zu meinen Vorbemerkungen. Ich rufe für den Bundesrat zu den einleitenden Ausführungen auf: Dr. Joachim Holler.


    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Frau Vorsitzende, wenn Sie mir erlauben, Sie bereits an dieser Stelle zu unterbrechen. Ich mache hiermit gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 OGG von der Möglichkeit Gebrauch, Sie als Richterin abzulehnen.


    Geht mit schnellem Schritt auf das Pult zu und übergibt der Vorsitzenden sowie dem Richter Neuheimer das Ablehnungsgesuch. Dem Prozessbevollmächtigten der Gegenseite wird eine Kopie ausgehändigt.

  • betritt mit Richter Thälmann den Sitzungssaal


    Bezüglich des Ablehnungsgesuchs wird Folgendes verkündet:


    OBERSTES GERICHT

    – 3 BvB 1/21 –



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    In dem Verfahren


    über


    die Anträge,



    1. Das Freiheitliche Forum Deutschlands ist verfassungswidrig.
    2. Das Freiheitliche Forum Deutschlands wird aufgelöst.
    3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für das Freiheitliche Forum Deutschlands schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.
    4. Hilfsweise: Das Freiheitliche Forum Deutschlands ist von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Mit dieser Feststellung entfällt die steuerliche Begünstigung des Antragsgegners und von Zuwendungen an den Antragsgegner.



    Antragstellerin: Bundesrat,

    vertreten durch den Präsidenten des Bundesrates,

    Leipziger Straße 3-4, 10117 Berlin,


    - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Joachim Holler,

    Fouquestraße 5, 81241 München

    c/o Bundesrat, Leipziger Straße 3-4, 10117 Berlin,


    Antragsgegnerin: Freiheitliches Forum Deutschlands,

    vertreten durch den Bundesvorsitzenden Dr. Christian Reichsgraf Schenk von Wildungen,

    Wilhelmstraße 144d, 10117 Berlin,


    - Bevollmächtigter: Paul Fuhrmann,

    99096 Erfurt,


    hier: Richterablehnungsgesuch


    hat das Oberste Gericht – Dritter Senat –


    unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter



    Vizepräsident Neuheimer,


    Thälmann


    am 3. Juni 2022 folgenden


    Beschluss


    gefasst:


    Das Ablehnungsgesuch gegen die zur Entscheidung berufene Richterin Christ-Mazur wird abgelehnt.



    I.

    1. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, aber unbegründet.

    2. Die vom Antragsteller aufgeführten Aussagen aus dem Rahmen des Verfahrens 4 BvT 4/21 wurden von der Präsidentin Christ-Mazur als Anwältin getätigt und stellen damit primär die Auffassung der damaligen Mandantin der heutigen Richterin dar. Auch wenn die Aussagen die Auffassung der Richterin darstellen sollten, reichen diese nicht für ein Ablehnungsgesuch aus. Einerseits liegen die Aussagen zeitlich entfernt vom Verfahren 3 BvB 1/21, andererseits kommt aus den Aussagen keine unumstößliche Meinung zur Verbotswürdigkeit der Beklagtenpartei hinaus.


    II.

    1. Aufgrund Befangenheit nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt war Präsidentin Christ-Mazur.

    2. Die Entscheidung ist unanfechtbar.


    Neuheimer | Thälmann

    Richter am Obersten Gericht

    Bundeskanzler a.D.

    Administrator

  • Hohes Gericht,

    Werte Damen und Herren,


    überhaupt erst zwei Mal hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Geschichte ein Parteiverbot ausgesprochen: Im Jahre 1952 gegen die Sozialistische Reichspartei, eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, und im Jahre 1956 gegen die Kommunistische Partei Deutschlands. In der jüngeren Geschichte des Bundesverfassungsgerichtes sind lediglich die zwei früher oder später gescheiterten NPD-Verbotsverfahren nennenswert. 2003 wurde ein NPD-Verbotsverfahren wegen Verfahrensmängeln eingestellt. Anfang März 2016 fand vor dem Bundesverfassungsgericht letztmalig eine Verhandlung über ein Parteiverbotsverfahren statt - beim zweiten Versucht, die NPD verbieten zu lassen. In diesem Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht in der Sache neue und überarbeitete Maßstäbe für das Verbotsverfahren gesetzt. Unter dem damaligen Präsidenten Andreas Voßkuhle hat das Bundesverfassungsgericht eine Leitentscheidung gefällt, die als Grundlage für nachfolgende Verbotsverfahren dienen sollte - dies hat das Bundesverfassungsgericht schon bei der damaligen Urteilsverkündung betont. Und der erste Leitsatz dieses Urteiles vom 17. Januar 2017 trifft es meines Erachtens sehr präzise: "Das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen."


    Gerade die Materie des Parteiverbotes ist eine so sensible wie keine andere in unserem demokratischen Staatsgebilde. Einerseits ist die Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 GG eine absolut zentrale Säule des demokratischen Rechtsstaates. Eine Demokratie, in der die Gründung der Parteien, die Betätigung der Parteien nicht frei ist, ist keine Demokratie. Eine Demokratie, in der die Parteien durch staatliche Maßnahmen in ihren politischen Zielsetzungen und Idealen beschränkt werden, ist keine Demokratie. Die Demokratie lebt von Kritik, lebt davon, dass die Parteien den Staat, im Sinne von der Bundesregierung, der staatlichen Organisation und dessen Wirkung auf die Gesellschaft, kritisieren und Veränderungen anstreben. Doch die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben dieser Parteienfreiheit - auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte - zwei klare Grenzen gesetzt. Die eine Grenze ist die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die andere ist die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland.


    Ich möchte auf letztere Grenze im Folgenden nicht zu sprechen kommen, da diese für das vorliegende Verfahren nicht maßgebend ist, sondern mich auf den Tatbestand der Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung konzentrieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil aus dem Jahre 2017 diesen Tatbestand konkretisiert und ihn so ausgelegt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG nur jene zentralen Grundprinzipien umfasst, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlicht unentbehrlich sind. Diese Prinzipien sind gem. des Urteils die Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG. Hinreichend für die Erfüllung des Tatbestandes aus Art. 21 Abs. 2 GG ist dabei, dass die Partei - und dies muss sich aus den Zielen der Partei und/oder dem Verhalten ihrer Mitglieder oder Anhänger ergeben - auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung nur eines dieser Wesensmerkmale zielt.


    Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil dann eine entscheidende Auslegung vorgenommen und den Begriff "Ausgehen" wie folgt definiert: Es müsse ein planvolles Vorgehen zur Erreichung der Beseitigung oder Beeinträchtigung gegeben sein und es müssten "konkrete Anhaltspunkte von Gewicht" vorliegen, die einen Erfolg der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung zumindest möglich erscheinen lassen.



    Hohes Gericht,


    es wird Teil dieser Verhandlung sein, die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG genauer zu beleuchten und die Aktivitäten des Antragsgegners vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Januar 2017 zu bewerten. Lassen Sie mich noch Folgendes vorneweg schicken: In Abstimmung mit dem Antragsteller haben wir uns eingehend mit dem Antragsgegner beschäftigt. Wir haben die uns zur Verfügung stehenden Beweise zusammengetragen, interpretiert und bewertet - weite Teile dieser Bewertung sind auch in der Antragsschrift enthalten. Wir haben nach dieser Bewertung eine Entscheidung treffen müssen, ob ein Verbotsverfahren gegen den Bund Unabhängiger Wähler, nun das Freiheitliche Forum Deutschlands, angestrengt werden soll. Die Bewertung der Beweislage im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hat uns zu dem Schluss gebracht, dass die Einleitung eines solches Verfahrens nicht nur Aussicht auf Erfolgt hat, sondern zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geboten und erforderlich ist. Dieser Verbotsantrag ist kein politischer Seitenhieb, sondern ein Mittel zum Schutz unsers freien demokratischen Rechtsstaates vor seinen organisierten Feinden.


    Der Antragsgegner hat mehr als nur einmal bewiesen, dass sie grundlegende Verfassungswerte nicht nur missachtet, sondern diese systematisch niederzuringen begehrt. Sie hat mehrfach bewiesen, dass sie sich über den Rechtsstaat hinwegzusetzen versucht und allen voran, dass sie sowohl nach innen als auch nach außen demokratische Grundsätze und -Prinzipien verachtet und abzuschaffen versucht. Hinzu kommt erschwerend - und als ganz entscheidende Abgrenzung zum NPD-Verbotsverfahren - dass der Antragsgegner seit geraumer Zeit nicht nur stetig in Landesparlamenten und im Deutschen Bundestag vertreten ist, sondern die Schwankungen ihrer Wahlergebnisse teils so extrem sind, dass eine Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung zwar noch nicht wahrscheinlich, jedenfalls aber möglich erscheint.


    Vor diesem Hintergrund - und sich der Auswirkung eines solchen Verbotes bewusst - hält der Antragsteller den Tatbestand aus Art. 21 Abs. 2 GG für erfüllt und ein Verbot des Freiheitlichen Forum Deutschlands für geboten und erforderlich.


    Vielen Dank!

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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Frau Präsidentin,


    ich möchte mich auf wenige Anmerkungen beschränken:


    1.

    Natürlich behaupten staatliche Stellen, Regierungen und Behörden niemals, sie würden ihre Befugnisse missbrauchen. Dementsprechend kann man der Aussage, man habe die vermeintlichen Beweise ausführlich bewertet und sei zum Schluss gekommen, dass ein Parteiverbot "geboten" sei, keinerlei Gewicht beimessen. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht nur wurden grundlegende Bewertungsmaßstäbe verkannt. Es handelt sich auch um eine konzertierte Aktion, um eine kritische, unliebsame Partei, die stets Stachel im Fleisch der Antragsteller war und ist, der politischen Bühne zu entheben. Die Antragsteller - allesamt nahezu ununterbrochen in irgendwelchen Regierungen beteiligt - beabsichtigen nichts anderes, als das Gericht zum Werkzeug ihrer Verbotspolitik zu machen.


    2.

    Dem Eingangsstatement ist insofern zuzustimmen, als dass Sinn und Zweck, Konsequenzen und Systematik des Artikel 21 GG verworren, geradezu widersinnig erscheinen. Artikel 21 GG statuiert ein nachträgliches Lizenzierungssystem, das den Fortbestand und das Wirken einer Partei von dem guten Willen der Antragsberechtigten und dem Gericht abhängig macht. Besonders absurd, das sei vorab bemerkt, ist die Annahme, ein Verbot läge umso näher, je einflussreicher eine Partei sei und je eher ebenjene für verbotsreif befundene Partei in der Gesellschaft verwurzelt ist. Die Missachtung des grundlegenden Prinzips der Volkssouveränität wirkt umso schwerer, wenn der Staat eine Partei umso leichter verbieten kann, je mehr Einfluss sie zu haben scheint. Kein Gericht kann sich über die Volkssouveränität und die alleinige Herrschaft des Volkes hinwegsetzen. Das Gericht, um das nochmals in Erinnerung zu rufen, ist eine konstituierte, hingegen keine konstituierende, also verfassungsgebende Gewalt. Die Kompetenzverteilung muss insofern eindeutig sein: Art. 21 des Grundgesetzes ist keine taugliche Rechtsgrundlage für ein Parteienverbot. Die Vorschrift des Absatz 2 beschränkt sich schlicht und ergreifend darauf, zu definieren, wann eine Partei den Status der Verfassungswidrigkeit erhalten solle. Dies war deswegen nötig, weil Parteien eben nicht Teil der Staatlichkeit, sondern im Gegenteil Teil der Gesellschaft, Teil des Volkes sind. Als solche sind sie aus logischen Gründen nicht an die Verfassung gebunden. Eine Verfassung regelt den Aufbau des Staates, nicht hingegen die Verpflichtungen privater Rechtssubjekte. Aus diesem Grunde war eine Klarstellung nach der Maßgabe des Artikel 21 Absatz 2 GG nötig. Gemessen an dem für eine solche Maßnahme erforderlichen Gesetzesvorbehalt, kann Artikel 21 Absatz 2 GG als reine Definitionsnorm nicht dienen. Folge des hiesigen Verfahrens kann allenfalls eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit, nicht hingegen ein Verbot sein. Bereits aus diesem Grund sind die Anträge zum Teil unzulässig.


    3.

    Auch ist zu gewärtigen, dass der Bundesrat bezüglich dem FFD keinen eigenen Beschluss gefasst hat. Das FFD ist vom BUW aber in personeller, sachlicher und ideologischer Hinsicht wesensverschieden. Es wird angeregt, über diese Frage des Verfahrens vorab zu urteilen.


    4.

    Wir haben einen Prozessbevollmächtigten gehört, der von der Janusköpfigkeit des Parteiverbots sprach, ohne auf offensichtliche Frage einzugehen. Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz kann in dieser Form nicht angewendet werden und zwar schlicht und ergreifend, weil dem das vDGB entgegensteht. Zwar hat das Gericht entschieden, dass dieses einem Parteiverbot nicht grundlegend entgegensteht. Das Gericht hat dagegen nicht entschieden, dass grundlegende Mechanismus und Funktionsweise diese Norm einfach überlagern. Vielmehr hat es im obiter dictum ausdrücklich ausgeführt, dass es die Auswirkungen eines Parteiverbots auf die Simulation für berücksichtigungspflichtig hält. Die Antragsgegnerin vermisst insoweit die Berücksichtigung ebenjener Aspekte in der vom Gericht übersandten Gliederung. Wie soll ein vermeintlicher Umsturz simulationstechnisch anerkannt werden, wenn immer noch unklar ist, unter welchen Voraussetzungen reale Handlungen außerhalb des Üblichen parlamentarischen Handelns verbindlich für Dritte Wirkung entfalten? Wie kann der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite ernsthaft auf starke Schwankungen der Antragsgegnerin abheben, wenn dies bei jeder Partei üblich und in einer Simulation nicht ausgeschlossen werden kann? Wie sollen Zurechnungsmaßstäbe formuliert werden, wenn Folge des Parteiverbots auch das Verbot von Ersatzorganisationen ist, der betroffene Spieler aber regelmäßig alleine oder mit wenig anderen Beteiligten diese Organisation bilden? Was bitte soll eine aktiv-kämpferische Handlung sein? Was soll eine Beseitigung der vBundesrepublik sein? All diese Fragen zeigen, dass dieses Verfahren von den Beteiligten nicht vom Ende her gedacht wurde, sondern alleine auf die Diffamierung und Vernichtung der Antragsgegnerin abzielt.


    5.

    Ein gutes Beispiel ist das Verfahren auch für erkenntnistheoretische Überlegungen: Die Antragsteller drehen und wenden die Begrifflichkeiten, Prinzipien und Wertungen des Grundgesetzes, wie es ihnen passt und spielen sich zu Alleininterpreten der Verfassung auf. Um es klar und deutlich zu formulieren: Es ist vollkommen unerheblich, wie Personen - betroffen sind hier vornehmlich Personen des linken Spektrums - die Sprache, Diktion und Positionen der Antragsgegnerin finden. Es ist unerheblich, was sie für gerecht, Rechtsstaatlichkeit und Grundordnung halten. Das Grundgesetz gibt den Parteien keine Ideologie vor. Es schreibt nicht vor, dass Migranten nicht als "Dahergelaufene" bezeichnet werden dürfen oder der Adelsstand als solcher goutiert werden darf. Die Antragsschrift hingegen ist davon geprägt, dass all jene fundamentalen Prinzipien mit eigenen Wertungen aufgeladen werden, die es so nicht gibt. Wir werden hier keine andere Möglichkeit haben, als jede einzelne Äußerung und jeden einzelnen vermeintlich relevanten Vorfall durchgehen zu müssen. Die Antragsgegnerin freut sich darauf und weist bereits an dieser Stelle auf die Geltung des Zweifelssatzes hin. Wenn die Antragssteller fortwährend Behauptungen aufstellt, etwa was die vermeintlich fehlende innerparteiliche Demokratie angeht, so bleibt für sie zu hoffen, dass hierfür auch stichhaltige Beweise vorgelegt werden können. Bereits jetzt kündige ich an, im Laufe des Verfahrens Herrn Christian von Wildungen und alle weiteren Parteimitglieder vernehmen zu wollen.


    Vielen Dank

  • Besten Dank, Herr Fuhrmann.


    Bevor wir fortfahren, hätte ich zunächst einige Anmerkungen.


    1.

    Die Frage, ob ein erneuter Beschluss eines antragsberechtigten Organes notwendig ist, um ein Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des FFD anzustreben, wurde auch in puncto Rubrumsberichtigung aufgeworfen und von beiden Parteien im Schriftverkehr aufgegriffen. Im vorliegenden Falle vermochte das Gericht eine solche Notwendigkeit nicht zu erkennen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2022).


    2.

    Dass Sie, Herr Fuhrmann, Herrn von Wildungen und die anderen Parteimitglieder vernehmen wollen, hat das Gericht zur Kenntnis genommen.


    Kommen wir nun zum Aspekt der Zulässigkeit.


    Herr Fuhrmann hat eben bereits bestritten, dass es normative Grundlagen für das Ergehen eines Parteiverbotes gebe. Er hat vorgetragen, Artikel 21 II GG stelle keine taugliche normative Grundlage für das Ergehen eines Parteiverbotes dar.


    Ist der Bevollmächtigte der Antragstellerin ( Dr. Joachim Holler ) gewillt, auf die Fragestellung einzugehen, ob und inwieweit normative Grundlagen für das Ergehen eines Parteiverbotes gegeben sind, einzugehen?

    Präsidentin des Obersten Gerichtes

  • Frau Präsidentin,
    Sehr geehrte Richterinnen und Richter,


    der Antragsteller erachtet es als nicht notwendig, ausführlich zu erörtern inwieweit Art. 21 Abs. 2 GG als normative Grundlage für ein Parteiverbot gelten kann. Das Bundesverfassungsgericht hat sich im NPD-Verbotsverfahren bereits ausgiebig mit dieser Thematik beschäftigt und ist im Ergebnis zu dem eindeutigen Schluss gekommen, dass die Auflösung der Partei zwingend vorgegeben ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG vorliegen (vgl. BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 527). Es entspräche nicht dem Regelungskonzept des Art. 21 GG, würde eine Partei, die den Tatbestand des Art. 21 Abs. 2 GG erfüllt nur als verfassungswidrig erklärt, nicht aber aufgelöst bzw. verboten werden.


    Der Antragsteller verzichtet auf nähere Ausführungen zu der aufgeworfenen Frage und vermag keinen Grund zu erkennen, warum das Oberste Gericht vorliegend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes abweichen sollte. Entsprechend wird auf das Urteil zum NPD-Verbotsverfahren (Rn. 510 bis 527) verwiesen, in dem diese Frage ausführlich behandelt wurde.


    An der Zulässigkeit des Verbotsantrages können daher - in dieser Hinsicht - keine ernsthaften Zweifel bestehen.

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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Frau Vorsitzende,


    der Antrag bleibt unzulässig, weil es sich um zwei verschiedene Parteien handelt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb den Beweisangeboten nicht nachgegangen wurden. Es kommt bei der Anwendung von Artikel 21 Absatz 2 GG gerade nicht darauf an, ob eine Partei im Sinne des vDGB vorliegt. Insofern widerspricht sich das Gericht schlicht selbst, wenn es dies annimmt und nicht erklärt, inwiefern dies mit der Entscheidung zu dem parallel geführten Regelbeschwerdeverfahren vereinbar ist. Das Gericht kann schlicht nicht beurteilen, ob eine Parteineugründung stattgefunden hat, wenn es den angebotenen Beweisen nicht nachgeht.


    Auch Artikel 21 GG ist keine Rechtsgrundlage für ein Verbot, sondern eine Definitionsnorm. Der Wortlaut enthält keine Rechtsfolge, die da lautet, dass eine Partei verboten ist oder aufgelöst werden kann. Anders ist dies für andere Vereinigungen, in denen diese Rechtsfolge ausdrücklich vorgesehen ist. Es wird auf Art. 9 Absatz 2 GG verwiesen. Nun sind Parteien spezielle Vereinigungen, die aber alleine Artikel 21 GG unterstellt sind. Diese Norm privilegiert Parteien gegenüber Vereinigungen. Dieses Privileg erstreckt sich systematisch nicht nur auf die Frage, wer für ein Verbot zuständig ist, sondern auch auf das Ob eines Verbots. Nachdem der Wortlaut in Artikel 21 Absatz 2 GG aber bewusst anders ausgestaltet ist, schließt dies eine Verbotsfolge zwingend aus. Es ist auch unzutreffend, dass dieses Verständnis dem angeblichen Regelungskonzept des Artikel 21 GG zuwiderlaufe. Der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite möge das Regelungskonzept erklären, das er dieser Norm entnimmt. Verweise auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts stellen jedenfalls kein einlassungsfähiges Argument dar. Man mag insoweit auch an die Rechtslage im deutschen Reich erinnern, in dem etwa die SPD "verboten" war, aber gleichwohl an Wahlen teilnehmen konnte. Auch das Argument, dass es sich bei der Parteiauflösung im Ergebnis um einen Grundrechtseingriff handelt - Das gegenteilige Verständnis der Staatsparteiendoktrin führt erkennbar zu einer nicht mehr nachvollziehbaren Konfusion -, der einer hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage bedarf, kann nicht unter Verweis auf ein vermeintliches Regelungskonzept entkräftet werden. Die Anwendung der herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden führt zu dem vorgetragenen Ergebnis. Alles andere ist aus Sicht des Antragsgegners politische Schönfärberei.

  • Frau Vorsitzende,


    der Antragsteller sieht keine Notwendigkeit eines erneuten Aufgreifens der Frage, ob ein erneuter Beschluss des Bundesrates vonnöten gewesen wäre. Das Gericht hat über diese Frage in diesem Verfahren bereits entschieden. Alle Ansichten des Antragstellers diesbezüglich wurden im Schriftverkehr bereits dargelegt.



    Gerne gehe ich noch etwas weiter zur Zulässigkeit eines Parteiverbotes ein:


    Das Grundgesetz hat den Parteien in Art. 21 GG - im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung - erstmals eine besondere, von Vereinigungen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 GG abgehobene verfassungsrechtliche Stellung zugewiesen. Teil dieser Konstitutionalisierung der Parteien war die Schaffung der Möglichkeit eines Parteiverbotes. So ein Verbot sah bereits der Herrenchiemsee-Entwurf vor. Auch im Parlamentarischen Rat stand die verfassungsrechtliche Verankerung des Parteiverbots dem Grunde nach außer Streit, so dass lediglich Einzelfragen der Ausgestaltung des entsprechenden Tatbestands erörtert wurden (vgl. BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 513; v. Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR n.F., Bd. 1, 1951, S. 208 ff.; Meier, Parteiverbote und demokratische Republik, 1993, S. 151 ff.).


    Die Möglichkeit des Parteiverbotes steht auch gerade nicht im Widerspruch zum Demokratieprinzip. Um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen sieht das Grundgesetz gerade nicht die Freiheit vor, auf die Beseitigung dieser Ordnung zu zielen und diese zu verwirklichen. Zweck des Parteiverbotes sollte es auch sein, eine Wiederholung der Katastrophe des Nationalsozialismus zu verhindern. Eine unbedingte Freiheit der Parteien zur Beseitigung der Freiheit sieht das Grundgesetz nicht vor.


    Das Grundgesetz zielt auf die absolute Garantie der Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Selbst wenn ein beträchtlicher Teil - oder gar der mehrheitliche Teil - des Volkes eine Partei wählt, die auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Ordnung ausgeht, ist ein Verbot dieser Partei im Sinne des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geboten und zulässig. Eine freiheitliche Demokratie muss gerade auch den Schutz einer Minderheit vor Unterdrückung durch die Mehrheit garantieren. Dieser Schutz und dieser Gedanke der Demokratie steht nicht zur Disposition. Erkennt das Gericht entsprechend, dass eine politische Partei in Zukunft realistisch gesehen möglicherweise eine Durchsetzung von Zielen erreichen kann, die auf die Gefährdung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, ist ein Parteiverbot zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach dem Grundgesetz angezeigt. Die grundgesetzlich festgeschriebenen Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates sind unantastbar. Das Grundgesetz gewährt - selbst wenn es der Wille des Volkes wäre - in seiner derzeitigen Form keine Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Es wäre geradezu absurd, wenn das Grundgesetz die Abschaffung seiner eigenen Grundprinzipien zulassen würde.


    Vielen Dank.



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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Frau Vorsitzende,


    es wird diesseits nicht ohne Schmunzeln zur Kenntnis genommen, dass ausgerechnet jene Beteiligte, die dem Volk allerlei coronabedingte Notwendigkeiten einredeten und die Freiheit in wesentlichen Bereichen des täglichen Lebens aufgehoben haben, nunmehr vortragen, das Grundgesetz gebe keine Freiheit für unfreiheitliche Parteien. Es ist schlicht unzutreffend, dass das Grundgesetz seine Prinzipien unveränderlich gestalte. Ich darf daran erinnern, dass das Grundgesetz selbst vorsieht, dass sich das deutsche Volk eine eigene Verfassung gibt, Art. 146. Insofern muss es selbstverständlich auch Parteien gestattet sein, auf eine Verfassungsänderung hinzuwirken, bei welcher keinerlei rechtliche Prinzipien zum Tragen kommen, sondern alleine das Volk entscheidet, unter welcher Ordnung es leben möchte. Damit verliert Artikel 21 Absatz 2 GG aber nicht nur jeden Bedeutungsgehalt. Auch die angebliche Rechtsfolge des Verbots ist danach widersinnig. Um dies nochmal in Erinnerung zu rufen: Es gibt keine höhere Autorität als die konstituierende Gewalt, das Staatsvolk. Dieses ist insbesondere nicht an das Grundgesetz gebunden, will es sich eine eigene Verfassung geben.

  • Frau Vorsitzende,


    ich darf ein letztes Mal betonen, dass die Ansicht des Antragsgegners, ein Parteiverbot, das zur Ausschaltung einer kompletten politischen Richtung führe, verstoße gegen das demokratische Prinzip der Volkssouveränität, fehl geht (vgl. BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 517). Demokratie und Volkssouveränität lassen sich nur in einem freiheitlichen, demokratischen Rahmen entfalten. Zielt eine Partei darauf, diese freiheitliche Ordnung zu beseitigen, dann dient ein Parteiverbot nicht einer Einschränkung, sondern gerade der Gewährleistung von Demokratie und Volkssouveränität (vgl. ebenda). Die freiheitliche demokratische Grundordnung stellt ihre grundlegenden Werte nicht - aus nicht dem Volk als Souverän - zur Disposition, da dies mit einer Einschränkung ebendieser unbedingt zu garantierenden Volkssouveränität einhergehen würde. Die Möglichkeit zum Verbot von Parteien, die auf die Abschaffung von dieser garantierten Volkssouveränität zielen, ist Ausdruck einer vom Demokratieprinzip vorgegebenen Selbstbeschränkung, indem sie eine dauerhafte Demokratie, eine dauerhafte Souveränität des Volkes gewährleisten soll. Die Demokratie eröffnet nicht die Freiheit zur Abschaffung der Demokratie.


    Ich weise auch darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Fragestellung, die der Antragsteller aufwirft, bereits entschieden hat.


    Die durch Art. 146 GG eröffnete Möglichkeit einer originären Verfassungsneuschöpfung steht einer Anwendbarkeit von Art. 21 Abs. 2 GG demnach nicht entgegen. Unabhängig von der Frage, ob Art. 146 GG lediglich in Fällen einer Verfassungsnovation unter Beachtung der Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG oder auch bei einer Totalrevision des Grundgesetzes anwendbar ist (vgl. zum Streitstand: Roellecke, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, 2010, § 13 Rn. 48 ff.; v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 146 Rn. 7 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 146 Rn. 39 ff. <November 2012>; Michael, in: Bonner Kommentar, Bd. 19, Art. 146 Rn. 637 ff. <November 2013>; Dreier, Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates, 2014, S. 433 ff. <452 f.>), bleibt das Grundgesetz bis zum Inkrafttreten einer in freier Entscheidung des deutschen Volkes beschlossenen neuen Verfassung in vollem Umfang in Kraft (vgl. BVerfGE 5, 85 <128>). Auch wenn Art. 146 GG dem Verfassungsgeber die Möglichkeit einer völligen Neuschöpfung der Verfassung eröffnen sollte, wird dadurch für die Dauer der Geltung des Grundgesetzes ein auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes aktives Handeln einer politischen Partei nicht legitimiert. Diese kann sich auf die Parteienfreiheit des Art. 21 Abs. 1 GG nur berufen, soweit ihr Handeln nicht gegen den unantastbaren Kernbestand einer freiheitlichen Demokratie gerichtet ist (vgl. zum gesamten Absatz: BVerfG, Zweiter Senat, Urteil vom 17. Januar 2017, Rn. 518).

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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Herzlichen Dank, Herr Holler.


    Ich denke, es ist an der Zeit, im Verfahren voranzuschreiten. Das Gericht hält es für sinnvoll, direkt zur Fragestellung, inwieweit die Anträge begründet sind, zu kommen.


    Herr Holler, könnten Sie darlegen, wie die Antragstellerin zu dem Schluss kommt, dass das Freiheitliche Forum Deutschlands versucht, die freiheitlich-demokratischen Grundordnung beeinträchtigen bzw. zu beseitigen?

  • Frau Vorsitzende,


    bezüglich des Prüfungsmaßstabes darf ich an dieser Stelle an die Ausführungen des Antragstellers in der Antragsschrift verweisen.


    Kurz zusammengefasst: Die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. Art. 21 GG umfasst gem. des NPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts drei Wesensmerkmale, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlicht unentbehrlich sind, namentlich die Menschenwürde (1.), das Demokratieprinzip (2.) und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (3.).


    1.

    Diverse Ziele des Antragsgegners sind mit dem Prinzip der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinen.


    - Der Antragsgegner strebt die Etablierung einer Zweiklassengesellschaft auf Grundlage der finanziellen Stärke eines jeden an. Er zielt auf die Auslöschung des Solidaritätsprinzips - nicht nur im Rahmen der Bundesrepublik Deutschland - sondern insgesamt. Der Antragsgegner spricht den Menschen aufgrund ihrer finanziellen Stärke verschiedene Wertigkeiten zu. Der finanziell stärkeren Klasse sollen dabei diverse Privilegien eingeräumt werden. Die Politik des Antragstellers ist durchsetzt von einem Gesellschaftsbild, das davon ausgeht, dass die finanziell schwächeren den finanziell stärkeren Menschen unbedingt zu "gehorchen" hätten. Wer arm geboren wird, würde für immer arm bleiben und habe zu "dienen" und "fleißiger Untertan" zu sein. Diese Klassifizierung der Menschen und der Gedanke, dass gewisse Menschen grundsätzlich unfrei und einer übergeordneten Instanz unterworfen seien, widerspricht in eklatanter Weise dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, der einen die Menschenwürde konkretisierenden Charakter hat. Ein rechtlich aufgewerteter Status (aufgrund der finanziellen Stärke) ist schon prinzipiell ohnehin nicht mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu vereinen.


    - Der Antragsgegner zielt weiter auf die Etablierung einer Zweiklassengesellschaft "Deutsche-Nichtdeutsche". Deutsche seien "Bürger erster Klasse". Die politischen Aktivitäten des Antragsgegners zeigen einen regelrechten Kampf gegen Bürgerinnen und Bürger ausländischer Herkunft. Nur Deutsche - nach dem Verständnis des Antragstellers Ur-Deutsche, also Menschen deutscher Herkunft, "deutsche Blutes" und mit deutschen Ahnen - seien vollwertige Staatsbürger. Auch hier zeigt sich der Wunsch nach einer rechtlichen Ungleichstellung von Staatsbürgern "deutschen Blutes" und Staatsbürgern ausländischer Herkunft. Hierdurch zeigt sich wiederum der Verstoß gegen die Menschenwürde.


    - Die Menschenwürde ist gem. Urteil des Bundesverfassungsgericht schon dann verletzt, wenn die Wahrung persönlicher Individualität, Identität und Integrität angetastet wird. Dies ist hinsichtlich des Antragsgegners durch zahllose öffentlich verbreitete Vorurteile gegen Ausländer gegeben. Asylsuchende werden pauschal als arbeitsunwillig bezeichnet, sie lägen dem Staat nur auf der Tasche. Dazu seien sie kriminelle Brandstifter. Die Existenz von aufgrund Krieges oder politischer Verfolgung flüchtenden Menschen wird - abgesehen von den Flüchtlingen aus der Ukraine - prinzipiell geleugnet. Dazu fordert der Antragsteller nicht nur eine Abschiebung aller "sogenannten Flüchtlinge", sondern impliziert in seinen Aussagen in Teilen auch, dass eine gewaltsame Vertreibung jener nicht auszuschließen sei.


    - In der Ideologie des Antragsgegner ist Homophobie tief verwurzelt. Neben der Tätigung pauschaler und falscher Tatsachenbehauptungen ("verseuchtes Blut") zielt der Antragsgegner auch auf eine rechtliche Ungleichstellung und staatliche Diskriminierung von Homosexuellen. Das öffentliche Zeigen seiner Homosexualität solle unter Strafe gestellt werden. Auch diese homophobe Haltung und die Zielsetzungen des Antragsgegners sind nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz als Ausprägung der Garantie der Menschenwürde vereinbar.


    - Dazu fordert der Antragsteller die - gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßende - Wiedereinführung der Todesstrafe.



    2.
    Der Antragsgegner verfolgt auch Ziele, die mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar sind.


    - Der Antragsgegner fordert, das Deutschland ausschließlich von Deutschen (Menschen deutschen Blutes) regiert wird. Er zielt somit auf den Ausschluss von Personen nicht deutscher Abstammung - zumindest vom passiven - Wahlrecht. Diese Missachtung des Grundsatzes der allgemeinen und gleichen Wahl stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Demokratieprinzip dar.


    - Die im März 2021 erfolgte Selbsternennung zum Regierungschef in Thüringen durch den Parteivorsitzenden des Antragsgegners sowie der Putschversuch bzw. der Versuch zum Erschaffen einer "Parallelregierung" offenbart ein dem Grundgesetz eklatant zuwiderlaufendes Verständnis des Demokratieprinzips.


    - An Wahlen im Allgemeinen hat der Antragsgegner nur geringes Interesse. Viel mehr fordert der Antragsgegner immer wieder ein "bestimmen durch die Oberschicht". Auch parteiintern fanden - nach Aussagen eines ausgetretenen Mitglieds - wenn überhaupt nur sporadisch Wahlen statt. Parteifunktionäre wurden teils ernannt statt demokratisch gewählt. Entsprechend zeugen auch parteiinterne Vorgänge von einem tiefen Missverständnis des Demokratieprinzips.



    3.

    Schließlich verstößt der Antragsgegner durch sein politisches Agieren auch gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip.


    - Zur Rechtsstaatlichkeit im engeren Sinne zählen die Achtung der Grundrechte, der Gewaltenteilung, der Gleichbehandlung durch das Gesetz, der Vorbehalt des Gesetzes und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Eine grundsätzliche Missachtung diverser Grundrechte durch den Antragsgegner sollten außer Frage stehen. Als Beispiel sei der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gesetzliche Diskriminierungsverbot, die Religionsfreiheit, die Pressefreiheit und das Recht auf politisches Asyl zu nennen. Genaueres ist der Antragsschrift zu entnehmen.


    - Auch das Gewaltmonopol des Staates erkennt der Antragsgegner nicht an. Dies ist durch den Aufruf zu "zivilem Ungehorsam" und die Beauftragung privater Sicherheitsfirmen zur "Unterstützung der Polizei" zu belegen.



    Die Beseitigung oder Beeinträchtigung ergibt sich durch diverse politische Initiativen des Antragsgegners, wie etwa durch Anträge zum vollständigen Aufnahmestopp für Flüchtlinge, zur Wiedereinführung der Todesstrafe, zur Einführung der Strafbarkeit von Homosexualität. Durch entsprechende Initiativen zeigt sich der Wille zur systematischen teilweisen Abschaffung zentraler, die Menschenwürde ausprägender, Elemente des Grundgesetzes. Dies ist zweifelsohne als Wille zur Beseitigung oder zumindest Beeinträchtigung der Menschenwürde zu werten.


    Gleiches gilt für die Versuche zur Beeinträchtigung des Demokratieprinzips, etwa durch die Selbsternennung zum Regierungschef und durch den Putschversuch in Thüringen.


    Auch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gefährdet der Antragsgegner mit hinreichender Intensität. Dies zeigt sich schon durch das Ziel, diverse Grundrechte systematisch zu untergraben. Weiter stellt auch der öffentliche Aufruf zur Leistung von "zivilem Ungehorsam" einen Versuch zur Beseitigung oder zumindest Beeinträchtigung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips dar.

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    Anfragen können hier eingereicht werden.

  • Frau Vorsitzende,


    in dieser Art und Weise können wir keine Verhandlung über das Verbot einer Partei führen. Wenn hier die vermeintlichen Gründe vorgetragen werden, welche für die Verfassungswidrigkeit des Antragsgegners sprechen sollen, dann sind bitteschön auch die konkreten Äußerungen und Geschehnisse in die mündliche Verhandlung einzuführen, auf welche sich die Antragsteller stützen. Es ist insoweit nicht angängig, die Beteiligten auf das Zusammensuchen nicht vorhandenen Sachvertrags zu verweisen. Die konkreten Äußerungen müssen in die mündliche Verhandlung eingeführt werden. Andernfalls ist es schlicht nicht möglich, eine sachdienliche Auseinandersetzung zu führen.


    Unabhängig von den Zweifeln in tatsächlicher Hinsicht, verkennen die Antragsteller einmal mehr die rechtlichen Maßstäbe. Erstens kommt es, wie bereits vorgetragen, nicht alleine auf das GG, sondern eben auch auf das vDGB an. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichts. Zweitens versuchen die Antragssteller verzweifelt, jedes ihnen unliebsame Verhalten unter den konkretisierungsunfähigen Begriff der Menschenwürde zu subsumieren. Man gewinnt geradezu den Eindruck, die Verfassungsgeber hätten sich auf die Schaffung dieses einen Artikels beschränken können. Alle anderen Vorschriften und Bestimmungen des GG ließen sich immerhin als Konkretisierung, gleichsam kraft Natur der Sache und logisch zwingend aus der Menschenwürde ableiten. Das Gegenteil ist richtig. Die Menschenwürde ist ein Programmsatz, der die historische Verantwortung Deutschlands zum Leitbild des Grundgesetzes macht, aber eben keine konkreten Rechtsfragen beantworten kann.


    Ohne weiteres Nachdenken in der Sache übertragen die Antragsteller auch weitere Prinzipien, die sich aus Artikel 20 Grundgesetz ableiten ließen, auf den Antragsgegner. Nochmal: es handelt sich um eine politische Partei. Eine Partei kann nicht an Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes gebunden sein, weil es hierbei um die Bindung der Staatsgewalt geht. Im Übrigen verkennt der Antragsteller, dass Art. 79 III GG die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht umfassend schützt, sondern nur die dort niedergelegten "Grundsätze". Selbst die Rechtsprechung ist in der Bewertung der einzelnen Prinzipien uneinheitlich und mitunter unklar. Dann kann ein solches Prinzip aber nicht verfassungsänderungsfest sein und erst recht keinen Leitbildcharakter für die freiheitlich-demokratische Grundordnung haben. Demokratieprinzip und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sind inhaltsoffene Organisationsprinzipien.


    Im Folgenden wird auf die einzelnen Äußerungen Bezug genommen: