[Pressekonferenz] Andreas Brandstätter zu seiner Kandidatur als Bundespräsident

  • Andreas Brandstätter betritt den gut gefüllten Saal mit FFP2-Maske und nimmt einen Schluck Wasser, bevor er zu sprechen beginnt.


    Nuovo Dpcm, quando parla Conte oggi in conferenza stampa? - Voce  Controcorrente



    Werte Anwesende,
    Werte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,

    meine sehr geschätzten Damen und Herren,


    turbulent waren die letzten Wochen und Monate allemal, politisch wie auch gesellschaftlich. Die Corona-Pandemie hält uns alle weiter auf Trab – auch wenn es mittlerweile guten Grund zur Hoffnung gibt. Doch gerade diese Corona-Pandemie hat die Spaltung unserer Gesellschaft nur weiter vorangetrieben. Schon die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat Europa und insbesondere Deutschland auf eine ganz besondere Härteprobe gestellt, die gesellschaftlich ebenso nicht ohne Nebenwirkungen und Langzeitfolgen einhergegangen ist - um die Analogie zur aktuellen Pandemie herzustellen. Die Entscheidung von unserer geschätzten damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Tore für die Flüchtlinge zu öffnen und ihnen in unserem Land Schutz und Sicherheit zu bieten, war gleichwohl mutig wie umstritten. Ob sie denn nun richtig oder falsch war, das mag jeder für sich selbst beantworten – die Wahrheit wird wohl, wie immer, irgendwo dazwischen liegen. Fakt ist jedoch, die Flüchtlingskrise und insbesondere die besagte Entscheidung hat unser Land tief gespalten. Die Tatsache, dass tausende Flüchtlinge nach Deutschland kommen durften, hat viele Menschen zutiefst verärgert, enttäuscht, teilweise auch verängstigt und resultierte schließlich in Protestbewegungen und leider auch in viel Hass und Gewalt.


    Eine ähnliche Spaltung unserer Gesellschaft mussten und müssen wir auch während der laufenden Pandemie beobachten. Auch hier trafen die Entscheidung der Regierungen wie etwa Lockdown, Maskenpflicht und andere Corona-bedingten Restriktionen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern auf Missgunst und Unverständnis. Schnell bildeten sich auch hier Protestbewegungen, welche den Kurs der Regierung für falsch hielten. Leider vermischten sich diese Protestbewegungen schnell mit Faktenverweigerern und Verschwörungsfanatikern, Leuten, welche wissenschaftliche Erkenntnisse leugnen, gezielt Falschinformationen verbreiten und Hass und Hetze, nicht nur, aber auch gegen Politikerinnen und Politiker schüren. Nicht besser wurde es, als die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 entwickelt und verimpft wurden. Fanatische Impfgegner mischten sich in diese Protestbewegungen, die mindestens ebenso wirre Falschinformationen über die Impfstoffe selbst, deren Entwicklung und Zulassungsverfahren und ihre Nebenwirkungen in die Welt setzten und dies leider noch immer tun. Doch die Gruppe jener Faktenresistenen, die wissenschaftliche Erkenntnisse ohne Grundlage leugnen und ihre eigenen wilden Verschwörungstheorien erfinden und/oder verbreiten, ist bei weitem nicht so groß wie sie oftmals erscheint. Es sind jene, die am lautesten schreien, die in den sozialen Medien am präsentesten und am aktivsten sind – und schlussendlich ist es auch dieser wirre Verschwörungskram, der sich im Internet einfach besser und pompöser präsentieren lässt als nüchterne, langweilige Daten und Fakten. Und ich spreche hier explizit nicht von Leuten, die sich aus Angst oder Sorge um ihre Gesundheit nicht impfen lassen, sondern von jenen, die durch gezielte Falschinformation die Bevölkerung zu verunsichern versuchen. Nicht jeder noch Unentschlossene ist ein Impfgegner, nicht jeder Kritiker der Corona-Maßnahmen ist ein Corona-Leugner, diese Differenzierung ist mir ganz besonders wichtig, denn viel zu häufig werden hier alle Leute in einen Topf geworfen. Umso wichtiger ist es jedoch nun, jene Menschen zu überzeugen, die sich noch unsicher sind, die hin- und hergerissen sind von den Aussagen von Verschwörungsfanatikern und Regierungsmitgliedern. Gerade wenn im Familien- oder Freundeskreis Meinungsverschiedenheiten zu den Themen Corona und Impfung herrschen, dann ist es nur verständlich, wenn der ein oder andere unsicher, zurückhaltend oder vielleicht sogar verängstigt ist. Es sind jene Menschen, die wir abholen müssen, mit Fakten und mit Überzeugung, denn sie werden es sein, die den endgültigen Ausweg aus der Pandemie ebnen können. Sie können aber auch diejenigen sein, die am Ende insgesamt wieder für steigende Bettenbelegungen mit Corona-Patienten in unseren Intensivstationen sorgen können. Eine solche Situation gilt es unbedingt zu vermeiden.


    Warum erzähle ich Ihnen das alles, werden sich manche fragen. Ich gebe Ihnen die Antwort: Dieser besagten Spaltung der Gesellschaft, die ich mit großer Sorge beobachte, gilt es entgegenzuwirken. Wir brauchen jemanden, der die Brücke baut über den Graben, der unser Land gespaltet hat und noch immer spaltet. Wir brauchen jemanden, der neutral an die Parteien herantritt und mit ihnen über ihre Ängste und Sorgen, aber auch über ihre Wünsche und Hoffnungen spricht. Wir brauchen jemanden, der mit den Menschen neutral ins Gespräch kommt, der möglichst ohne Vorurteile und offen mit den Menschen spricht und sie versteht oder dies zumindest ernsthaft versucht. Wir brauchen keinen Moralapostel, der die Menschen mit Vorwürfen konfrontiert, ihnen vorschreibt, was sie zu tun oder nicht zu tun haben. Wir brauchen aber gleichwohl jemanden, der dezent den Versucht unternimmt, die Menschen in unserem Land wieder auf einen gemeinsamen Weg der Vernunft und des Gesprächs zu leiten – denn die Probleme unseres Landes, die Probleme unserer Zeit kann man nur gemeinsam lösen. Gemeinsam heißt gerade auch, auch unliebsame Meinungen zu akzeptieren und zu respektieren. Gemeinsam heißt aber auch, dass man sich widersprechen darf, dass man diskutieren darf und dass nicht jeder das glauben muss, was der andere für richtig hält. Gerade die Meinungs- und Ideenvielfalt ist es, die unsere Demokratie erst zum Funktionieren bringt.


    Die Frage ist aber, wie man diese Meinungsvielfalt auslebt. Man darf diskutieren, man darf auch mal lauter werden, man darf protestieren, streiken und demonstrieren – das ist es, was unser Grundgesetz uns zuspricht und das ist es, was unsere Demokratie unter anderem ausmacht. Jeder darf seine Meinung frei äußern, ohne dabei Konsequenzen von staatlicher Seite fürchten zu müssen. Wichtig ist jedoch, dass der Diskurs auch tatsächlich im legitimen Rahmen bleibt. Man diskutiert nicht mit Fäusten, sondern mit Worten und Argumenten. Sobald Meinungsäußerung einhergeht mit Gewalt, insbesondere auch Gewalt gegenüber staatlichen Kräften, mit Sachbeschädigungen oder anderen Straftaten, dann wird ein Rahmen überschritten, der auch in einer Demokratie nicht mehr toleriert werden kann. Wer zu Tätlichkeiten greift, wenn ihm die Argumente ausgehen, der überschreitet eine rote Linie und der muss mit Konsequenzen rechnen. Auch das ist wehrhafte Demokratie und ein Teil des Demokratieverständnisses, werte Damen und Herren, das ich vermitteln und den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes mit auf den Weg geben möchte.


    Ich habe am heutigen Tag meine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten bekanntgegeben, weil ich der Brückenbauer sein möchte, der in dieser schweren und umso entscheidenderen Phase der Pandemie mit den Menschen ins Gespräch kommt. Ich möchte nicht urteilen über die Leute und ihre Entscheidungen, denn für bestimmte Entscheidungen hat jeder Mensch seine eigenen Gründe, die er ganz individuell für wichtig und prioritär hält. Ich möchte die Leute jedoch verstehen, ihre Ängste kennen – ihnen aber auch Mut machen und, was ich für ganz besonders wichtig halte, ihnen aufzeigen, welch Privileg es ist, in einer Demokratie zu leben und unser Land selbst und aktiv mitgestalten zu können. Ich möchte ihnen aber auch vermitteln, dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Jeder von uns kann und sollte seinen Beitrag dazu leisten, unsere Demokratie zu erhalten, nicht nur im rechtlichen, sondern vor allem auch im gesellschaftlichen Sinne. Die Demokratie schließlich lebt nur so lange, wie die Menschen an sie glauben; erst die gesellschaftliche Akzeptanz der Demokratie macht sie auch funktional und umsetzbar. Diesen Glauben in die Demokratie möchte ich stärken. Ich möchte Begeisterung vermitteln für die Demokratie und die Leute sensibilisieren, dass all die Privilegien, die wir im demokratischen Deutschland genießen, keinesfalls selbstverständlich sind. Attacken auf unsere Demokratie gibt es dabei zahllose, doch unsere Demokratie ist, mit der Mehrheit der Bevölkerung im Rücken, wehrhaft. Sie lässt Angriffe abprallen am Schutzschild, dass die Gesellschaft schützend vor sie hält. Doch jeder Angriff hinterlässt Spuren und Wunden, manche tiefer als andere. Irgendwann jedoch ist das Schutzschild schließlich verbraucht und die Demokratie schutzlos ihren Feinden ausgeliefert, wie die Schildkröte, die auf ihrem Panzer liegt und es nicht schafft, sich wieder umzudrehen. Umso wichtiger ist es, dieses Schutzschild fortlaufend zu reparieren. Auf jeden Angriff gilt es die richtige Antwort zu finden. Manchmal ist es die Regierung und die Politik, die die Antwort finden muss; immer häufiger aber ist es an der Gesamtgesellschaft, Antworten auf die Angriffe auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu finden; Antworten auf unbegründeten Hass und Gewalt gewissen Minderheiten oder Andersdenkenden gegenüber, welche unsere Demokratie eigentlich besonders schützen soll - egal, ob es um religiöse, sexuelle, politische oder jedwede andere Minderheiten geht. Die Gesellschaft ist es, die sich schützend vor diese Minderheiten stellen muss, die Politik kann hier nur den Rahmen vorgeben.


    Genau da sehe ich den Bundespräsidenten in einer zentralen Rolle: in einer vermittelnden Rolle, zwischen Politik und Gesellschaft; in einer Rolle, wo er die Bürgerinnen und Bürger dazu ermutigt, für ihre eigenen Rechte und die Rechte anderer einzustehen. Dabei hat der Bundespräsident gar keine besondere Macht in unserem Regierungssystem – vielleicht ist es aber gerade das, was den Bundespräsidenten für diese Rolle des Gesprächspartners und des Vermittlers besonders geeignet erscheinen lässt: Er hat politisch kaum Gestaltungsmacht und ist im Grund genommen genauso hilflos wie die einfache Bürgerin oder der einfache Bürger, wenn es um Entscheidungen von politischem Gewicht geht. Das stellt den Bundespräsidenten in dieser ganz eigenen Betrachtung quasi auf eine Stufe mit den einfachen Bürgerinnen und Bürgern. Gerade deshalb möchte ich ein Bundespräsident sein, der auf Augenhöhe mit den Menschen spricht. Ich möchte nicht der Bundespräsident sein, der von oben herab Moralpredigten hält. Ich möchte auf einer Ebene mit den Bürgerinnen und Bürgern sein – als Gesprächspartner, als Vermittler, als Freund.


    Daher habe ich mich entschlossen, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, weil ich mir diese Rolle zutraue und ich große Freude daran hätte, unserem Land in dieser besonderen Position dienen zu können. Deshalb hoffe ich, werte Mitglieder der Bundesversammlung, dass ich Sie überzeugen konnte uns Sie mir Ihre Stimme geben werden. Ich wünsche auf diesem Wege aber auch meinem Mitbewerber Herrn Augstein alles Gute für die anstehende Wahl, dessen Kandidatur mich im übrigen auch sehr gefreut hat. Gerade weil mir und auch Herrn Augstein unsere Demokratie so am Herzen liegt, ist es nur wichtig und richtig, dass die Bundesversammlung auch eine richtige Wahl mit mehreren Kandidaten hat. Wie bereits gesagt, die Demokratie lebt von der Vielfalt und dem Wettbewerb der Ideen - nichts anderes gilt bei der Bundespräsidentenwahl, wenngleich in einem etwas weniger politischem Kontext.


    Ich bedanke mich damit abschließend bei Ihnen allen, dass Sie so zahlreich erschienen sind und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Restabend und ein erholsames Wochenendende! Vielen Dank!

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